18.06.2009

Lilos 17. Tag – Motivationsstunde

Und wieder ist Mittwoch, der Tag, an dem wir unser Können voller Stolz unseren Lehrern und Mitschülern präsentieren dürfen. Nach der desaströsen Vorstellung der letzten Woche kann es eigentlich nur besser werden. Wieder macht Nat den Anfang und setzt damit den Standard. Diesmal eine lange Schwertform. Leises Stöhnen. Da können wir nicht mithalten. Die Haltung ist zwar etwas verbesserungswürdig, aber allein sich diese lange komplizierte Abfolge ohne zu Stocken merken zu können – der Mann macht bestimmt zu Hause nichts anderes. Dann geht es mit der Qualität der Vorführung gewaltig abwärts: Jiben Quan, vorgestellt von den Klassenclowns. Wir sind zwar etwas besser als letzte Woche, stellen uns aber trotzdem erwartungsvoll sofort nach der Präsentation rückseitig vor Guan, um unseren Schlag auf den Hintern zu kassieren. Unsere Erwartung wird nicht enttäuscht. Lynn erhält gleich zwei Schläge, weil sie wieder einmal ein Stück der Form vergessen hat. Wir anderen nur einen für schlampige Ausführung. Nun werden die langen Formen einzeln vorgeführt. Und damit die anderen sehen, wie es eigentlich wirklich aussehen sollte, werden ein paar Schüler hinzubeordert. Die zeigen dann anschließend, wie es richtig geht. Das motiviert. Dann zeigt ein junger Schüler Xuan Gong Quan, meine Form. Ich schaue ehrfürchtig zu. Da habe ich doch noch einiges vor...ich kann nicht glauben, als Guan mich danach auffordert, das Gelernte zu demonstrieren – alle fünf Bewegungen? Da lohnt sich doch das Aufstehen kaum! Doch, doch, Guan meint es ernst. Nach 10 Sekunden bin ich fertig. Der Weg ist das Ziel.

Der Nachmittag gehört uns und so machen wir uns mit ein paar Leuten auf, die Stadt zu erobern. Wir sollen diesmal Laoyin nicht verlassen, in der nächstegelegenen größeren Stadt Shiyan gibt es erste Fälle der Schweinepest. Wenn wir unbedingt dort hin müssen, sollen wir bitte Mundschutz tragen. Ich betrachte diese Maßnahme etwas skeptisch, ähnlich sinnvoll wie seinerzeit das Tragen von Pestmasken. Da muss der Glaube an die Wirksamkeit schon sehr stark sein. Gut, wir verzichten auf einen längeren Ausflug und zeigen unserem neuen Schützling, Michael aus Kanada, der heute eingetroffen ist, die Stadt. Gemeinsam üben wir das Geld ziehen vom Automaten ein und gehen nach dieser anstrengenden Tätigkeit erst einmal gemütlich essen. Gemütlichkeit hat hierzulande allerdings einen etwas anderen Stellenwert und die Stimmung in einem Restaurant weicht auch deutlich von dem ab, was wir so aus Europa kennen. Hektik und Gebrüll, lautstarke Diskussionen, aber auch köstliche Essensgerüche, die durch das saalartige Lokal ziehen. Es gelingt uns, eine Vielzahl von Leckereien zu bestellen und wir genießen die Abwechselung von der gewohnen Schulküche. Dazu noch ein paar kühle Biere – das Glück ist perfekt.

Auch wenn Laoyin sich in den letzten Jahren sehr gewandelt hat – von einem häßlichen, dreckigen Provinznest in eine mehr oder weniger ansprechende Touristenstadt im Aufbau – es bleibt bei einer kleinen Stadt mit ein, zwei Einkaufsstraßen, kleinen Märkten, bei denen man nicht allzu geruchsempfindlich sein sollte und einem Supermarkt mit überschaubaren Angeboten. Kneipen oder gar Cafés gibt es hier natürlich gar nicht, das hat man nur in den wirklich großen Städten. Wenn man sich nur einmal hinsetzen und etwas trinken möchte, kann man sich eigentlich nur in einen Teeladen begeben und dort Tee verkosten. Wenn sich hier eh so viel verändert, würde ich doch sehr für ein Abstellen dieses Mangels plädieren. Ich würde sogar bei Starbucks einkehren, obwohl ich das dort hergestellte Gebräu verabscheue.
Und so kennt Michael nach einer Stunde alles, was er über diese Stadt wissen muss, hat sich schon mit einigen Vorräten eingedeckt und wir treten wieder die Rückreise in die Berge an.

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