31.03.2020

Da wo ich bin

Ich meine mich zu erinnern es sei eine Quiz-Sendung gewesen, vielleicht auch eine Gesprächsrunde. Eine mir ohnehin nicht sympathische Frau wurde vorgestellt und vom Moderator gefragt, ob sie etwas in ihrem Leben anders machen würde, wenn sie nochmal könnte. Und sie sagte ganz selbstbewusst:“Nein, denn das würde ja bedeuten, dass ich was falsch gemacht hätte.“

Was für eine arrogante Frau, dachte ich mir. Als wenn ein Mensch in seinem Leben alles richtig machen könnte. Machen wir nicht ständig Fehler, die wir mit neuen Fehlern auszubügeln versuchen. Und selbst wenn man sich bemüht, wird man im Nachhinein nicht manchmal klüger sein und sich sagen, man hätte es besser anders gemacht? Wie soll man denn lernen, wenn nicht aus Fehlern.

Heute würde ich genauso sagen, ich würde nichts anders machen. Auch die Fehler würde ich wieder so machen. Weil ich aus ihnen gelernt habe und deshalb heute da bin, wo ich bin. Denn da wo ich bin, bin ich glücklich und zufrieden.

Die eitle Art

In seinem wunderbaren philosophischen Roman ‚Nachtzug nach Lissabon‘ lässt Pascal Mercier seinen Protagonisten Gregorius sich an den Griechischlehrer erinnern. 

„Er hatte die schönste griechische Handschrift, die man sich denken konnte, er malte die Buchstaben förmlich, und besonders die Rundungen – etwa im Omega oder Theta, oder wenn er das Eta nach unten zog – waren die reinste Kalligraphie. Er liebte das Griechische. Aber er liebt es auf die falsche Art, dachte Gregorius hinten im Klassenzimmer. Seine Art, es zu lieben, war eine eitle Art. Es lag nicht daran, dass er die Wörter zelebrierte. Wenn es das gewesen wäre – es hätte Gregorius gefallen. Doch wenn dieser Mann virtuos die entlegensten und schwierigsten Verbformen hinschrieb, so zelebrierte er nicht die Wörter, sondern sich selbst als einen, der sie konnte.“ 

Wir kennen solche Lehrer auch im Taiji Quan, im Qigong. Wie wunderbar sehen ihre Formen aus, wenn sie behutsam den Fuß aufsetzen, als wollten sie jeder Mikrobe noch die Gelegenheit geben, sich aus dem Staub zu machen, in den gleich das Gewicht verlagert wird. Wie minutiös sich die Hand dreht und zur Hakenhand formt, oder die Faust sich schließt – und wieder öffnet. Auch sie lieben Taiji Quan auf eine Art, bei der sie sich selbst zelebrieren. Wieviel Mühe sie investiert haben, so wundervoll die Formen zu spielen, ohne sie dabei verstanden zu haben. 

Lehrer sind auch nur Menschen, sind verschiedene Menschen mit verschiedenen menschlichen Eigenschaften. Man muss sich selber fragen, was man lernen will, um den richtigen Lehrer zu finden.

23.03.2020

Der Vagus Nerv Teil 1


Der Vagus Nerv ist der größte Nerv des Parasympathikus.. ach das erkläre ich ja alles in dem Video. Und ich zeige drei einfache Übungen, die die beruhigen und erfreuen können.



06.03.2020

Yi Dao Qi Dao


Die Phrase „Yi Dao Qi Dao“ (意到氣到) wird meist in der Weise übersetzt: 
Die Vorstellungskraft führt, die Lebenskraft folgt.
Das ist gewiss richtig übersetzt, engt aber den Bedeutungsspielraum beachtlich ein. Natürlich kann man sagen dass Qi der Vorstellung folgt. Einfache Praktiken wie der Kleine Tageskreislauf lassen dem Anfänger auch keine andere Wahl. Man stellt sich vor, wie Qi entlang der Wirbelsäule aufsteigt und mit einiger Übung spürt man es dann auch.

An dieser Stelle möchte ich noch mal die bekannte Anektode von Jiddu Krishnamurti erwähnen. In einem seiner Vorträge in Brockwood Park, England sagte er sinngemäß: „Wenn du ein Wort oder eine Reihe von Wörtern permanent wiederholst, ganz gleich ob Ave Maria oder ein Mantra oder zum Beispiel Coca Cola, wenn du das immer wieder vor dich hin brabbelst, dann wird dein Geist nach und nach abgestumpft und wenn du willst, dann spürst du auch etwas in deiner Wirbelsäule.“

Es hat ja auch was für sich, wenn ein Satz auf eine einfache Art verstanden werden kann und Anwendung findet. Es ist dabei besonders charakteristisch für die chinesische Sprache, dass der Satz eine völlig andere Bedeutung bekommen kann, wenn ein anderes Vorwissen vorhanden ist.

So kann unsere Anweisung Yi Dao Qi Dao auch eine andere Bedeutung bekommen, wir können es nur nicht mit so wenig Worten sagen.

Yi 意 ist eine der fünf geistigen Qualitäten. Sie wird der Erde zugeordnet, stellt demnach eine Verbindung her. Über die Sinne nehmen wir Information auf. Hun saugt sie auf wie ein Schwamm. Shen wählt aus und gibt Sinn, den wir mit Yi in Beziehung zu uns Bekanntem bringen Also Yi ist nicht nur eine Absicht, es ist jegliche geistige Aktivität, die wir unter ‚Denken‘ verstehen. Alle unsere Gedanken bedürfen einer Vorstellungskraft. Ganz gleich ob wir phantasieren oder ob wir ein mathematisches Problem lösen, ob wir eine Sprache lernen oder uns an ein Gedicht erinnern. All das ist Yi. Aber auch die Gedanken, die in uns aufsteigen, die von irgendwo herkommen ohne nach ihnen gefragt zu haben. All das ist auch Yi.

Der Begriff Dao 到 sollte in diesem Zusammenhang im Sinne von ‚zu etwas hin‘; auf ein Ziel zu, verstanden werden. Es hat auch die Bedeutung von ‚gehen’ oder ‚ankommen‘. Im Zusammenhang der hier diskutierten Phrase können wir durchaus sagen: Wohin Yi sich bewegt, dorthin bewegt sich auch Qi. Wenn wir uns nun von der Bewegung in einem Übungszyklus abwenden und diesen Satz auf die Lebensführung anwenden, dann kommen wir der eigentlichen Bedeutung näher. Wohin unsere Gedanken sich wenden, dorthin wandert auch das Qi.

Da unsere Gedanken sich ständig nach außen bewegen, zu Dingen und Ereignissen, die wir mit unseren Sinnen aufnehmen, aber auch zu Ideen, zu gedachten Möglichkeiten einer Entwicklung, zu Vergangenem und Zukünftigem, so vergeuden wir ständig unser Qi in die Welt.

In der meditativen Lebensführung bleiben wir bei uns, sammeln Qi im Innere. Unter diesem Aspekt bekommt der Satz Yi Dao Qi Dao (意到氣到) eine völlig neue Bedeutung.

Bei Lao Zi finden wir im 12 Kapitel die Warnung:
fünf farben den blick blenden
fünf töne das ohr betören
fünf würzen den gaumen trüben
preschen und hetzen das herz verwirren
forschen und schätzen den sinn verirren
Weswegen wir oft den Hinweis erhalten, die Tore zu schließen, womit die Sinne gemeint sind, damit der Geist (Yi) in Ruhe verweilen kann. Deshalb, so rät Lao Zi weiter, soll man dem Bauch, dem Dan Tian, folgen und nicht dem Auge.

Wer dies beherzigen kann, wird ein langes und glückliches Leben führen.

Abfall



Als ich das Foto machte, stand der Mann von der Wertstoffverarbeitung daneben, um die Pappballen wegzuschaffen. Er maulte mich gleich an:"Haste sonst keene Sorgen als allet zu fotografieren?"

Für ihn, der täglich solchen Abfall transportiert, war es wohl nicht vorstellbar, dass ich darin einen ästhetischen Reiz fand. Für ihn nur Müll. So konnte er nur eine böse Absicht wittern, die es vorsorglich anzugreifen galt. Ein deutsches Problem. Vielleicht ein menschliches. Unvorstellbar, dass jemand etwas wertvoll findet, was für mich nur Dreck ist. Und umgekehrt.