Einmal in der Woche haben die Schüler die Möglichkeit, die Schule zu verlassen um im Tal die wichtigsten Erledigungen - meist das Aufladen der Handy-Karten - machen zu können. Damit am Wochenende, wenn die Touristen kommen, das Personal möglichst vollständig ist, wurde der freie Tag auf den Donnerstag gelegt. Ramona und ich wollen die Gelegenheit nutzen, eine alte Freundin, Lin, die früher an der Akademie gearbeitet hat, zu besuchen. Und bei der Gelegenheit ein paar Schwerter zu kaufen. Wir wollen uns um die Mittagszeit treffen, so dass ich noch etwas Muße habe, ein wenig zu schreiben und die Vokabeln, die uns aufgegeben wurden, mal ins Reine zu schreiben. Das Wetter ist einfach zu schön um im Zimmer zu bleiben und so schnappe ich mir meinen elektronischen kleinen Freund um mich unter die Bäume zu setzen. Prompt falle ich Guan in die Arme. Was ich vorhabe? Ich erkläre ihm, dass ich schreibe, um den Ruhm von Wudang zu mehren und in die Welt zu tragen. Das gefällt ihm natürlich. Weiter so! Und was denn so die weiteren Pläne sind? Ich gestehe, dass wir vorhaben nach Laoyin zu fahren. Prima - dann können wir zusammen fahren! Er unterrichtet noch ein bisschen und dann zieht er sich grad noch schnell kurz um und dann fahren wir. Das ist mir eigentlich nicht besonders recht, weil wir eine Verabredung haben und ich mit “grad noch schnell kurz” so meine Erfahrungen habe. Aber er ist der Chef und ich bin natürlich einverstanden. Zwischenzeitlich meldet sich Lin, ihr ist etwas dazwischen gekommen, ob wir uns statt 12.00 h auch um 14.30 h treffen können. Ich maule, wir einigen uns auf 14.00 h, sonst wird es ein bisschen knapp mit der Rückreise in die Berge.
Nun sehe ich Guans Begleitung schon viel entspannter entgegen, natürlich ist er weit davon entfernt, abmarschbereit zu sein, als ich gegen 11.00 h schüchtern klopfe. Dafür begegnet mir seine legendäre Freundin endlich einmal in Persona. Ein sehr hübsches Mädel, auf den ersten Blick schüchtern und zurückhaltend. Diesen Eindruck korrigiert sie aber schnell. Sie lebt in Wuhan und besucht ihren Guan alle paar Wochen mal. Übernachtet dann natürlich in einem anderen Zimmer, wie es sich gehört. Sehr ordentlich.
Gegen 12.00 h ziehen wir dann endlich los, langsam knurrt mein Magen laut vernehmlich, immerhin hatte ich auf das Mittagessen verzichtet, weil wir eigentlich mit Lin in der Stadt essen wollten. Glücklicherweise haben Guan und Chendong auch Hunger, auch Guwei, ein junger Mann mit unklarer Rolle könnte was essen, also beschließen wir, gemeinsam in ein Restaurant einzufallen. Wir landen in der selben Lokalität, in der wir am Montag schon lecker gefrühstückt hatten. Die Atmosphäre ist nun natürlich ganz anders, Höllenlärm ich kann nun gar nichts mehr verstehen. In dem Lokal begegnet uns ein Schüler, ein älterer Herr aus Harbin, dessen Name ich nicht kenne, den ich persönlich für mich Klassenclown genannt habe. Er begrüßt uns lautstark, ist wohl allein unterwegs, was er scheinbar gar nicht schätzt. Er lädt uns alle zum Essen ein. Die Speisekarte wird gereicht, die Herren fangen lautstark an zu diskutieren was die Gruppe essen soll. Ich werde hin und wieder mal gefragt, sage etwas von scharfen mit Nudeln mit Rindfleisch - was auch immer sie mit dieser Information anfangen…Ich erhasche einen Blick in die Karte, sehe meine liebsten Freunde: frittierte Hühnerfüße! Mit einem Freudenschrei weise ich Ramona darauf hin. Guan quittiert es mit “Hao de” und fängt schon an zu bestellen - um Himmels willen! Ich kann es gerade noch verhindern - am Ende hätte ich’s noch essen müssen! Ich scheue mich ja wirklich kaum vor etwas, aber Hühnerfüße reichen mir als einmaliges Erlebnis völlig aus.
So eine Diskussion macht natürlich durstig, Chendong fragt ob wir Bier trinken. Bei Bruthitze, leerem Magen um die Mittagszeit vielleicht nicht die allerschlaueste Idee, ich sage aber höflich, ein Schlückchen würde ich schon trinken. Der Onkel aus Harbin versteht nur “Hao de” und auf einmal steht ein Kasten Bier an unserem Tisch. Ein Kasten! Im Land der Probierglässchen und geteilten Bierflaschen! Na gut, wir haben als Deutsche einen Ruf zu verlieren und geben wirklich unser Bestes. Ein “Gan Bei” jagt das nächste und ich bin ganz froh über die alkoholische Grundlage, als der erste Gang serviert wird: Schweineschwarte mit Bambussprossen. Ich bin mittlerweile so angeduselt, dass ich sogar das verzehre. Es ist wunderbar gewürzt und über die Konsistenz mache ich mir einfach keine Gedanken. Hinein damit. Hao de, hao de! Als Belohnung folgen einige wunderbare schmackhafte Gerichte, die wir mit großer Freude und sehr locker plaudernd verzehren. Irgendwann ist auch der Kasten Bier leer, ich rufe Lin an und sage ihr, dass es nun doch etwas später wird, mittlerweile ist mir alles egal, dann nehmen wir halt den späteren Bus und wenn wir den auch verpassen, übernachten wir eben in der Stadt - alles kein Problem - wir haben Spaß!
Nachdem wir uns angeheitert von der Gruppe verabschiedet haben, treffen wir uns mit Lin, der Guten, die kein Wort darüber verliert, dass ich erst unbedingt wollte, dass wir uns früher treffen, sie sich nun abgehetzt hat und ich den Termin nicht eingehalten habe. Wir freuen uns sehr über das Wiedersehen und gehen erst einmal gemeinsam einkaufen. Ich lasse mich von Lin beraten: ich möchte unbedingt schmalzige Pop-Musik kaufen. Nach einigen Anläufen versteht sie, was ich meine und wir einigen uns auf Andy Lau und Jacky Cheung, der mir jetzt, während ich schreibe, ordnungsgemäß die Ohren verklebt. Wunderbar. Nachdem wir unsere Survival-Ausrüstung beisammen haben, gehen wir Schwerter kaufen. Wir wählen einige sehr brauchbare Exemplare aus. Damit es zu Hause keinen Streit gibt, kaufen wir sechs Exemplare in zwei Varianten - das muss erst einmal genügen. Bei der Post trifft uns wie immer der Schlag, weil die Versandkosten wieder einmal ziemlich nahe an den Preis der Schwerter herankommen. Aber selbst wenn man alle Kosten addiert ist es immer noch besser, Schwerter hier zu kaufen als in Deutschland erheblich mehr Geld für fabrikneuen Schrott auszugeben. Was tut man nicht alles…
Wir bekommen dann doch noch den letzten Bus, ich informiere Guan, der über jeden unserer Schritte informiert sein will, darüber, dass wir den Nachmittagsbus verpasst haben und später kommen. Er nimmts irritiert zur Kenntnis. Wahrscheinlich wollte er’s so genau gar nicht wissen. Das bringt mich auf die Idee, ihn gleich noch mal anzurufen, wenn wir die Akademie betreten. Dummerweise begegnet er uns persönlich. Aber ich werde meine Chance schon kriegen.
die ersten Bilder
Ja, es geht doch nichts über ein gepflegtes Besäufnis mit chinesischen Freunden und dem akustischen Genuss von Liu De Wei. Wobei in letzterem Fall der optische such nicht zu verachten ist.(Ich sage nur: Kakerlaken- Fühler).
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