Ich bin hier zwar immer schon sehr früh wach, spätestens um 5.00 h, wenn die Schüler ihr Morgentraining laut vernehmlich im Hof, der direkt unter meinem Fenster liegt, beginnen. Meist genieße ich noch eine ganze Weile den Blick aus dem Bett direkt in die Berge, ein fantastisches Szenario…langsam gehen mir hier wirklich die Superlative aus, ist aber wirklich so. Trotz früh wachwerden und auch aufstehen ist es mir bisher nicht gelungen, vor dem Frühstück zu Trainieren. Heute gilt’s! Ich fange also gar nicht mir irgendwelchen Pseudo-Tätigkeiten an sondern schlüpfe direkt in die Trainingsklamotten und gehe runter. Guan sitzt schon da und meditiert. Er öffnet ein Auge, bemerkt mich, nickt beifällig. Na endlich hast du es auch einmal geschafft. Ich übe die Qigongs, die Guan uns zur Begrüßung des Tages gezeigt hat, er erklärt mit noch kurz, wo ich die Sonne finden kann und nach kleinen Orientierungsproblemchen kann ich dann auch loslegen. Danach übe ich alle Handformen, die ich hier gelernt habe und erfreue mich daran, wie lebendig sich mein Körper anfühlt. Klingt viel netter als höllischer Muskelkater. Ich lag ziemlich richtig mit meiner gestrigen Einschätzung, was mir heute wahrscheinlich alles wehtut, und das ist ja auch was wert.
Nach dem Frühstück will ich erst einmal eine ordentliche Dehn-Session einlegen, damit die Muskeln wieder einigermaßen tun was sie sollen. Ganz vorsichtig lege ich das Bein auf eine Mauer und fange an zu dehnen. Li Shifu kommt näher, möchte mir helfen. Ich weiß, wie diese Hilfe aussieht und funkele ihn nur kurz an: Hände weg! Er versteht, grinst, sucht sich ein anderes Opfer. Brav.
Nach einer guten halben Stunde bin ich schon wieder soweit einsatzbereit, werde mich doch vor den jungen Hüpfern nicht blamieren! Koulai hat da weniger Hemmungen, humpelt an den Einsatzort. Allerdings kann er auch stolz eine Kriegsverletzung aufweisen: Auf seinem Schienbein prangt eine sehenswerte Platzwunde. Li Shifu fragt ihn, was er gemacht hat. Weiß er nicht. War plötzlich da. Ich frage ihn später in der Pause, was er gemacht hat. Er gesteht, dass er mit Nun-Chakus gespielt hat. Das ist eine Waffe, die von Dreschflegeln abgeleitet ist und in vielen Bruce-Lee-Filmen eine große Rolle spielt. Ich enthalte mich jeden Kommentars, der Junge ist gestraft genug.
Mittlerweile ist auch Nat aus Litauen eingetroffen. Ich kenne ihn vom letzten Jahr. Er hat eine Kungfu-Schule in Riga und kommt seit vielen Jahren nach Wudang Shan. Seine Mutter Tatjana leidet an Krebs und war in ihrer Heimat austherapiert. Sie kam zusammen mit Nat im September hierher, um mit Traditioneller Chinesischer Medizin zu therapieren. Als ich sie im Vorjahr kennenlernte, sprach sie kein Wort Englisch und ich konnte überhaupt nicht mit ihr kommunizieren. Sie ist seit dem hier und ich bin völlig verblüfft, wie sie seit dem aufgeblüht ist: nicht nur, dass sie mittlerweile passabel Englisch spricht, sie trainiert auch hervorragend und ist mit den Leuten hier richtig heimisch geworden, wird von allen Mama genannt - diese Entwicklung war im letzten Jahr beim besten Willen nicht abzusehen gewesen und ich freue mich sehr darüber. Nach dem Morgentraining fällt mir ihr Notizbuch in die Hände. Ich sehe hervorragende Körperzeichnungen mit Linien darauf. Sehr ordentlich beim Unterricht mitgeschrieben, denke ich mir…aber diese Meridiane sind mir irgendwie gar nicht geläufig…ich bin leider nicht besonders sattelfest beim Meridianverlauf, frage zur Sicherheit Ramona, nein, kennt sie auch nicht. Ich warte auf Tatjana, frage sie, ob ich die Seite fotografieren darf, weil ich die Zeichnungen so toll finde. Klar, gerne. Dann frage ich sie noch unauffällig, um welche Meridiane es sich handelt. Versteht sie nicht. Ich versuche es noch mal. Irgendwann klickt es, sie dreht die Seite um, da stehen die Namen ihrer vier Kinder mit den entsprechenden Körpermaßen. Und wenn sie denen was nähen lässt…schallendes Gelächter.
Das Mittags”training” bestand heute darin, dass wir uns hoch über den Zixiaogong zur Höhle des Prinzen, wo ein Eremit haust, aufmachen, um dort zu meditieren. Bei der Hitze eine gute Idee, jedenfalls besser als Extrem-Stretching im “Ballsaal”. Beim Aufstieg mache ich mir so meine Gedanken über den Einsiedler, der irgendwann nach oben gezogen ist, um sich ab von der Gemeinschaft um “die kleinen Dinge”, wie er einmal gesagt hat, zu kümmern. Und nun stolpert alle naslang eine Horde mehr oder weniger junger Leute in seine Höhle, jeder will einen Kotau machen, zu dem er den Gong schlägt, dann wird erst einmal eine Runde geschwätzt - ob das so seine Vorstellung war, als er dort einzog? Wie dem auch sei, er trägt’s mit Fassung, lacht uns herzlich an - ich mag den Mann.
Beim Abendtraining stelle ich fest, dass es Li Shifu wirklich ernst meint. Nach dem die erste der Grundübungen einigermaßen sitzt, biegt er uns noch schnell die zweite bei, obwohl abends eigentlich nur Wiederholung angesagt ist. Offensichtlich will er, dass wir die Grundlagen möglichst schnell draufschaufeln, damit wir uns endlich an die Form wagen können. Ich habe es damit nicht so eilig, lieber die Basisübungen richtig beherrschen, da hab ich auf jeden Fall schon mal was für zuhause. Was ich bisher gelernt habe, wird unser heimisches Training auf jeden Fall bereichen. Und allzu kompliziert ist es auch nicht. Nur ein klein wenig anstrengend. Nach der ersten Faust-Runde schnappe ich mir weisungsgemäß ein Schwert und übe meine “alte” Form, wie Guan mir befohlen hat. Die anderen aus meiner Gruppe pausieren. Als ich die Form gerade fertig habe und auch mal verschnaufen will, pfeift mich Li Shifu heran, weiterüben: Fausform. Wieder eine halbe Stunde in der Hocke, rauf und runter, Schlag- und Tritttechniken, der Schweiß läuft in Strömen. Gerade fertig, Li drückt mir das Schwert in die Hand. Beim Taiji kann man ja schön entspannen….Langsam geht man nun schon die Puste aus und ich bin gottfroh, als es endlich heißt “Xia Ke” - Feierabend. Guan fragt, ob ich müde sei. “Nein, achwas!” lüge ich. “Dann hast du nicht richtig trainiert - lauf’ noch ne Runde”. Wie man’s macht ist es verkehrt.
Mein Kreislauf ist ziemlich hochgepuscht, an Schlaf ist trotz meiner Erschöpfung nicht zu denken. Selbst nach dem wohlverdienten Feierabendbierchen mit Ramona kann ich nicht schlafen und beschließe, noch ein bisschen was zu schreiben. Um kurz vor 23.00 h klopft es vor meiner Tür - noch eine Nachteule? Nein, Yi Ming. Ihr Gesicht ein einziger Tadel. “Warum schläfst du nicht? Um 10 Uhr ist Schlafenszeit!” Ich bin so verblüfft, dass ich nicht auf die naheliegende Frage, was sie dann bitte um diese Zeit auf dem Flur zu suchen hat, komme. Ich verspreche ihr, gleich ins Bett zu gehen.
In Wudang kann man sich wirklich jung fühlen. Sehr jung sogar…
Geht es Ramona ebenso?
AntwortenLöschenHier war Wahlsonntag Text vom SWR "Nach Auszählung von mehr als der Hälfte der Mainzer Stimmbezirke kommt die CDU auf 27,6Prozent, verliert also 10,5 Prozentpunkte. Nicht ganz so dramatisch sind die Verluste bei der SPD im Mainzer Stadtrat, die mit Jens Beutel den Oberbürgermeister stellt. Sie erreicht bislang 25,4 Prozent; ein Minus von 3,4 Prozentpunkten.
Eindeutige Wahlgewinner sind die Grünen, die erstmals 23,4 Prozent (+ 9,1) erreichen, also fast so stark wie die SPD sind. Die FDP legt ebenfalls zu und erreicht in Mainz 9,5 Prozent (+ 2,0). Die gemeinsame Liste von ÖDP und Freie Wählern kommt auf 5,2 Prozent (+ 1,1). Die Republikaner liegen bei 4,9 Prozent (- 2,4), die Linke schaffte es auf Anhieb auf 4,1 Prozent der Stimmen.
Jubel bei Mainzer Grünen
Als Ursache für die Stimmenverluste von SPD und CDU und das gute Abschneiden der Grünen sehen Experten die Querelen um das umstrittene geplante Kohlekraftwerk auf der Ingelheimer Aue und die städtische Wohnbau-Gesellschaft, die in eine finanzielle Schieflage geraten ist.
Mainzer CDU-Chefin legt Amt nieder
Die Mainzer CDU-Parteivorsitzende Andrea Litzenburger zog noch am Abend die Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden ihrer Partei bei der Kommunalwahl und legte ihr Amt nieder. Als Nachfolger schlug sie den Umweltdezernenten der Stadt, Wolfgang Reichel, vor. Den Fraktionsvorsitz im Stadtrat will Litzenburger behalten.