02.09.2017

Mahakala

Zhujiajiao ist eine bekannte 'Wasserstadt' nahe bei Shanghai. Überschaubar, kleiner als Sushou, beide werben gerne als das Venedig Chinas. Wirklich sehenswert, aber natürlich auch sehr touristisch. Meine Freundin Anjing, die dort ein zu empfehlendes Hostel betreibt (My Way), gab mir am dritten Tag den Tipp, mit dem Bus nach Jinze zu fahren, ebenfalls am Wasser, gänzlich untouristisch. Die Leute dort wollen ihre Ruhe haben. Zirka eine Stunde musste ich fahren, den historischen Teil von Jinze habe ich fast nicht gefunden, so wenig wollen sie Besuch haben.
Es gibt dort mehrere Brücken aus verschiedenen Epochen, das ist vielleicht auch das einzig Sehenswerte in Jinze. Wenn man nicht, so wie ich, mal da hin geht, wo es interessant aussieht, wenn auch nicht unbedingt einladend. Eine Privatstraße, ein neues Gebäude im traditionellen Stil und keine Leute. Am Ende der Straße kommt eine junge Frau aus einem kleineren Haus, einem Büro, und möchte wissen, was ich denn dort will.
Na, mich umsehen, sieht doch interessant aus.
Ja, ist aber nicht öffentlich, man kann Führungen voranmelden.
Nun bin ich aber jetzt da. Was ist es denn?
An dieser Stelle versagen für eine Weile unsere gegenseitigen Fremdsprachenkenntnisse.
Ein Flyer wird geholt. Arts and Crafts Center. Private Stiftung.
Was es denn zu sehen gibt?
Noch nicht viel. Stoffe färben, weben... alles andere ist noch in Arbeit.
Einen chinesischen Garten gibt es zu sehen. Man hätte noch eine kleine Sammlung tibetischer Kunst. Ob mich das vielleicht interessiere. Und ob.
Ein QR-Code wird gescannt, eine Nummer eingetippt, eine Tür öffnet sich, Licht geht an.
Ich stehe in einem fensterlosen Saal, ich vorwitzige Langnase, allein mit der jungen Frau, vor einer goldenen Wand mit goldenen Skulpturen. Ich habe offenbar eine Audienz bei den Göttern.


Dann steht da noch so ein grusliger kleiner Kerl im Feuerkranz auf einem Sockel, den ich außerordentlich anziehend finde. Ob ich fotografieren darf? Ich darf.
Noch ein paar konservierte Sandmandalas, ganz sicher faszinierend, aber offenbar war der Zweck dieses Besuchs erfüllt, ich wollte und sollte gehen. Noch der übliche Austausch von Wechat Adressen und Webseite (jinze.org). Vielen Dank, ich komme bestimmt wieder.


Draussen, die Brücken, der Bus zurück. Was war das? Anjing kannte das Center nicht, noch nie von gehört. Am nächsten Tag wurde ich krank. Ziemlich krank. Schlimmer als Männergrippe. Lungenentzündung sagt später der Arzt.
Aber ich wollte wissen, wer dieser kleine Kerl ist.
Mein Freund Wilfried steht dem tibetischen Buddhismus nahe. Er kann mir sagen, dass es sich um eine Mahakala Darstellung handelt, aber nicht, um welchen Aspekt. Auch sein Lehrer weiss nicht weiter.
Tage später sagt mir dann meine Freundin Xuan Xia, es sei ein Da Hei Tian (大黑天). Ich brauche einige Zeit und ein besseres Internet, um zu begreifen, dass dies die chinesische Übersetzung für Mahakala ist. Dann geht alles ganz schnell. Eine Anfrage an die Facebook Gemeinde, einer liegt daneben, ein anderer findet die gleiche Gestalt mit den gleichen Utensilien in einem Buch.
Mahakala Panjaranatha.
Panjaranatha wird als der original Mahakala verstanden, von dem alle weiteren Manifestationen ausgehen. Er ist der größte Beschützer aller Klöster und Tempel. Er trägt seinen Grauen erregenden Schmuck, um damit seine Entschlossenheit zu demonstrieren, auch das Schreckliche zu erlösen.
Warum ich ihm begegnen musste, warum ich daraufhin so krank wurde und ob das alles überhaupt einen Zusammenhang hat, das weiß ich nicht. Als Geschichte finde ich es erzählenswert.

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