16.10.2008

Yürgen, Wudang 16.10.08

Gestern, als wir auf dem Tianzhu waren, zogen langsam Wolken auf, die Täler waren in Dunst gehüllt. Himmel und Erde vermischten sich. Am späten Abend hörte ich das befürchtete Rauschen - Regen. Aber nur für wenige Minuten. Heute Morgen ist der Himmel wieder klar und wolkenlos. Donnerstags ist trainingsfrei. Ich werde im Tal des sorglosen Lebens wandern.

War das ein Tag!

Kurz nach neun hab ich mich aufgemacht und bin mit dem Bus runtergefahren zum Tal des sorglosen Lebens (xiaoyao = frei sein, locker), mit mir steigen Cheng Qiang (Frank) und Jiang Fu Rong aus. Müssen schon vorher am Nanyan eingestiegen sein. Sie wollen auch das Tal durchwandern, weil ich mir aber Zeit lassen will, schicke ich sie vor. Ich mache das dann auch erst mal alles ganz gemächlich, fotografiere vieles und steige wieder rauf zum Yu Xu Tempelchen, einem meiner Lieblingsplätze. (suche Sponsor, um dort die Klause wieder zu errichten und mindestens 6 Monate im Jahr dort leben zu können)
Das Tal ist wirklich wunderschön, es entzieht sich meiner Beschreibung. Auf einem Felsen gesessen, bisschen Kekse und Mandarinen gegessen, Einen Wasserfall zur Linken bewundert (Schwarzer Drachen Pool) weitergewandert, alleine, plötzlich begenet mir der junge Russe, der neben mir imBus gesessen hat. ist mit einer Gruppe hier aus St. Petersburg und Kasachstan, machen Qigong. Er ist zum ersten Mal in China und zum ersten Mal in seinem Leben in den Bergen. Wow und dann gleich Wudangshan. Er wird mich überholt haben als ich oben im Yu Xu saß.Hat nen strammen Schritt drauf. Dann kommt der nächste große Wasserfall (Weißer Drachen Pool), fast versteckt inmitten eines riesigen Felsendoms. Links davon gehts dann Treppen hoch. Musste ja so kommen, wenn man mit dem Bus 10 Minuten lang Serpentinen bergab fährt, muss man irgendwann wieder bergauf. Und es geht bergauf! Irgendwann nach ca. 1 Liter Wasserverlust höre ich den Wasserfall weit unter mir und der Weg gabelt sich. Rechts gehts deutlich wieder abwärts, links weiter bergauf. Ich mache einen kurzen Erkundungsgang nach rechts und entschließe mich, auf keinen Fall wieder runter und später erneut hochsteigen zu müssen.
Der Weg den ich nun gewählt habe, besteht aus mehreren betonierten Rampen, auf denen auch kleien Kettenfahrzeuge hoch kämen. Aber warum legt man soetwas an, wenn es im nichts endet. Na gut, da vor mir sind noch einige Spuren menschlicher Füße auszumachen. Ich folge dem Pfad der mich in des Bauern Wohnzimmer führt. Frau Bauer weist mir stumm mit dem Arm einen horizontalen Kreis beschreibend die Wegrichtung. Xiexie
Es geht weiter bergan, der schmale Weg gesäumt von einer kleinen Margeritenart, dann ist der Tempel nächst der Seilbahnstation zu sehen. Nun wird es Zeit, einen Entscheidung zu fällen, wie der Tag weitergehen soll. Ich rufe sofort meine multiplen Persönlichkeiten an den Konferenztisch und es gibt die folgenden Vorschläge:
1) In den nächsten Bus und heim
2) mit der Seilbahn hoch und weiter über den Golden Top zu Fuß zum Nanyan (also den Weg, den wir gestern hin gegangen sind)
3) statt mit der Seilbahn auch zu Fuß hoch (Vorschlag vom harten Heinrich, der aber sofort unter den Tisch fällt)
Entschieden wird: wenn es erst zwei Uhr ist gehts über den Golden Top, ist es schon drei Uhr, gehts in den Bus.
Wie ich quasi aus dem Nichts auf die Straße trete, wer schaut da gleich gegenüber verwundert aus der Nudelbude? - Cheng Qiang!
Lieber ortsunkundiger Leser; an dieser Straße befinden sich mindesten 50 Buden, in denen abwechselnd Schwerter und sonstige Andenken oder Nudeln verkauft werden. Aber ich komme genau da raus, wo die beiden eine Suppe zu sich nehmen - was ich dann auch tue - und wo man normalerweise garnicht rauszukommen hat. Denn eigentlich geht man doch oberhalb des Wasserfalls rechts runter ...
Nun, es ist gerade mal zwei Uhr, die beiden fahren mit dem Bus zurück und ich mit der Kabinenbahn hoch. Was gibt es Besseres, als mit einer leckeren Nudelsuppe im Bauch allein in einer Kabine bei strahlendem Sonnenschein den Tianzhu hochzugondeln und dabei von Joh. Chr. Bach die Sinfonie für Doppelorchester in Es-Dur zu hören. Ich hätte auf den Bach verzichtet, wenn jemand bestimmtes an meiner Seite gesessen hätte. Aber "hätte"!
Ich hab mir dann das volle Programm gegeben, alle Tempel mit allen Verbeugungen und auch noch rauf zum goldenen Tempel ganz oben (s. Bericht von gestern), wo gerade eine Familie verzweifelt versuchte, ihren wohl verblödeten Sohn zum Kotau zu bewegen.War nix zu machen, wollte er nicht.
Ich hatte inzwischen soviel Pilgeradrenalin in mir, dass ich mich auch noch für den weiteren und beschwerlicheren Rückweg durch die drei Himmelstore entschied. Es wurde auch immer einsamer um mich rum, kaum noch wer unterwegs, bis ich gegen 17:00 Uhr am Nanyan wieder in den Schoß der menschlichen Gesellschaft sackte. Mit absolut müden Waden und einem geläuterten Herzen.
Fazit: einmal im Jahr kann man sich sowas antun, es gibt immer was zu büßen oder erbitten und ist letztlich gesünder, als nur ein paar Kerzen aufzustellen.

4 Kommentare:

  1. Anonym8:08 PM

    Du hättest sogar auf den ollen Bach verzichtet, wenn ich da gewesen wäre? Ich bin gerührt;)
    Das nächste Mal wieder, Hasi

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  2. Soso, und dieser unsensible Kommentar wird nicht gelöscht? Verstehe einer Männer....

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  3. Anonym7:43 PM

    @bat
    es reicht doch, wenn ich sie verstehe ;-)

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  4. Anonym7:09 AM

    @bat & xiaomo: ich müsste in diesem Falle auf den Bach verzichten, weil ich letzterer die Stöpsel ins Ohr stecke und Händchen halte, damit sie nicht vor Höhenangst ... naja, etwas sensibel will ich doch bleiben. Und ihr beiden vertragt euch bitte. Frauen können Männer nicht verstehen und umgekehrt ist es genauso. dafür sind wir auch nicht hier, um uns zu verstehen ...

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