" Ich habe etwas "neues" gesucht, und was "wahres" gefunden...."
24.10.2008
Nachtrag
schöne Mail von Viktoria erhalten in der sie u.a. schreibt:
22.10.2008
Yürgen, Wudang 22.10.08
Man versichert mir glaubhaft, so wie heute sei der September meistens gewesen. Trist, grau, nass, kalt. Gestern wollte ich auflisten, was ich alles umsonst mitgeschleppt habe, heute brauch ich es. Einen extra Respekt an Lilo, das auch noch im "Police-Hotel" durchgehalten zu haben.
Heute ist mein letzter Tag hier, morgen geht's raus in die andere Welt. Mir gruselt.
Zum Aufwärmen heute wieder Fußball gespielt. Die Kids können zwar nicht gut spielen, ich auch nicht, aber sie können laufen. Gegen Simon, unseren Ballkünstler aus Schweden, haben sie keine Chance.
Danach Korrektur über alles. Heute Nachmittag ist noch mal eine Stunde Shierduanjin, 12 Brokate, angesagt. Das sind nicht die in Deutschland bekannten 12 Brokate für Alte, Schwache und Kranke sondern ein ziemlich kraftvoller Stoff. An die traditionellen acht hat der alte Meister Wang noch vier drangehängt. Wir haben die ersten acht schon im Frühjahr kennen gelernt, wovon ich nur die ersten vier in der Erinnerung behalten haben. Und nix gegen den guten (jungen) Wang Laoshi, aber Guan Shifu macht das alles etwas deutlicher. Ich hoffe, ein paar Fotos oder kurze Filmchen aufnehmen zu dürfen.
Für meinen nächsten Aufenthalt habe ich schon angekündigt, die Sanfeng Shisan Taijiquan-Form lernen zu wollen. Diese, so sagt man, ist die Ursprungsform. Die dreizehn Bewegungen nach Zhang Sanfeng, die tatsächlich aus 64 Teilen besteht. Dann möchte ich das Qigong der fünf Tiere lernen, dann Baguazhang, dann ... die Schwertform kann mir Lilo ja schon zwischendurch zeigen.
Unglaublich, wie sich das Wetter ändern kann. Inzwischen (17:30) haben sich die Wolken nach oben verzogen. Man kann klar und weit sehen, sehr klar, kein Dunst dazwischen. Mit Wolken kenne ich mich nicht aus aber wir haben hier mindestens drei verschiedene Gattungen, Arten oder Unterarten. Nach Wikipedia schichten sich hier Cumulus, darüber Nimbostratus und darüber kann ich nicht sagen, so gaaanz langgezogene. Ein faszinierendes Schauspiel. Von Westen wirds immer heller und stückweise kommt sogar schon blauer Himmel durch. Morgen zur Abreise bitte noch mal Sonnenschein.
Danke Wudangshan
Das war's für diesmal, liebe Freunde,
Euer Yürgen
Heute ist mein letzter Tag hier, morgen geht's raus in die andere Welt. Mir gruselt.
Zum Aufwärmen heute wieder Fußball gespielt. Die Kids können zwar nicht gut spielen, ich auch nicht, aber sie können laufen. Gegen Simon, unseren Ballkünstler aus Schweden, haben sie keine Chance.
Danach Korrektur über alles. Heute Nachmittag ist noch mal eine Stunde Shierduanjin, 12 Brokate, angesagt. Das sind nicht die in Deutschland bekannten 12 Brokate für Alte, Schwache und Kranke sondern ein ziemlich kraftvoller Stoff. An die traditionellen acht hat der alte Meister Wang noch vier drangehängt. Wir haben die ersten acht schon im Frühjahr kennen gelernt, wovon ich nur die ersten vier in der Erinnerung behalten haben. Und nix gegen den guten (jungen) Wang Laoshi, aber Guan Shifu macht das alles etwas deutlicher. Ich hoffe, ein paar Fotos oder kurze Filmchen aufnehmen zu dürfen.
Für meinen nächsten Aufenthalt habe ich schon angekündigt, die Sanfeng Shisan Taijiquan-Form lernen zu wollen. Diese, so sagt man, ist die Ursprungsform. Die dreizehn Bewegungen nach Zhang Sanfeng, die tatsächlich aus 64 Teilen besteht. Dann möchte ich das Qigong der fünf Tiere lernen, dann Baguazhang, dann ... die Schwertform kann mir Lilo ja schon zwischendurch zeigen.
Unglaublich, wie sich das Wetter ändern kann. Inzwischen (17:30) haben sich die Wolken nach oben verzogen. Man kann klar und weit sehen, sehr klar, kein Dunst dazwischen. Mit Wolken kenne ich mich nicht aus aber wir haben hier mindestens drei verschiedene Gattungen, Arten oder Unterarten. Nach Wikipedia schichten sich hier Cumulus, darüber Nimbostratus und darüber kann ich nicht sagen, so gaaanz langgezogene. Ein faszinierendes Schauspiel. Von Westen wirds immer heller und stückweise kommt sogar schon blauer Himmel durch. Morgen zur Abreise bitte noch mal Sonnenschein.
Danke Wudangshan
Das war's für diesmal, liebe Freunde,
Euer Yürgen
21.10.2008
Yürgen, Wudang 21.10.08
Vor zwei Tagen Grace gebeten, mir ein Zugticket zu buchen. Von Wudangshan nach Xiangfan. Fragt sie, ob ich dann weiter fahren will nach Shanghai. Shanghai? Wie kommt sie darauf? Heute morgen nachgefragt. "Oh sorry, I forget." Nochmal erklärt, ist ja eigentlich einfach. Ich hab ihr die Zugnummer gegeben, die Abfahrzeit, die Ankunftzeit .... nun gibt es keinen Platz mehr in dem Zug. fahre ich eben mit dem Bus. Neue Erfahrung. Fährt angeblich alle halbe Stunde, dauert zwei Stunden. Was wollt ich noch sagen? Sorry, I forget.
Achja, das Wetter.
Einen Wollpullover zum Training anzuziehen schien mir heute morgen dann doch etwas übertrieben. Entschied mich für das langärmlige Hemd, wenn ich es schon mit habe, über dem T-Shirt, unter der Kutte. Für den Fall, das es nicht reicht, noch den Kranich-Sweater im Rucksack. Nach drei Reihen Kicks war mir das zu warm und ich musste was ausziehen. Der Himmel zwar bedeckt, aber schwülwarm und die Sonne setzte sich mehr und mehr durch. Es ist noch immer einiges Gewölk am Himmel, aber man sieht die Berge, es ist warm. Der Oktober scheint, im Gegensatz zum September, eine gute Reisezeit zu sein.
Wenn ich sagen soll, was ich in den beiden Wochen hier gelernt habe, dann ist es:
• noch ein Stück gerader in der Wirbelsäule,
• mehr Raum und runder mit den Armen und
• noch was runter mit dem Becken.
Erzähl ich was von den Renovierungsarbeiten. Es ist ja so, dass hier ein Jockey während eines Hindernisrennens am offenen Herzen operiert wird. Also Arbeit während des laufenden Betriebs. Mal abgesehen davon, dass man besser abreissen und neu bauen würde, die ganze Aktion dem vergeblichen Liftung einer alten Dame gleicht, ist die Vorgehensweise doch bemerkenswert.
Alles was du dir vorstellen wirst darüber, ist wahrscheinlich mächtig untertrieben. Es ist in jedem Fall viel schlimmer. Es kommen hier keine Elektriker, Installateure, Maler, Maurer, Verputzer, hier arbeiten fünf, sechs Wanderarbeiter, die alles machen - und nichts können. Im Treppenhaus hat man erst mal die Wände und das Geländer gestrichen. Abdeckfolie und Malerkrepp hat man dafür nicht gebraucht. Aber vielleicht hat man sowieso vor, die Treppenstufen mit neuen Fliesen zu bekleben.
Man hat heute die Untergestelle für die Bühne neu gestrichen, das ganze Erdgeschoss riecht nach dieser wahrscheinlich im Rest der Welt verbotenen Farbe.
Dagegen scheint die Farbe, mit denen man die Dachziegel grün gespritzt hat nicht für aussen gedacht zu sein und ist auf jeden Fall wasserlöslich. Mal gespannt, wie die Fassade in einem Jahr ausssieht.
Jedenfalls gibt man sich Mühe, das ganze Haus mit neuer Elektrik zu versorgen und die Kabel kommen sogar in Aufputz-Kabelschächte. Das Schöne am Stromausfall ist das romantische Kerzenlicht.
Achja, das Wetter.
Einen Wollpullover zum Training anzuziehen schien mir heute morgen dann doch etwas übertrieben. Entschied mich für das langärmlige Hemd, wenn ich es schon mit habe, über dem T-Shirt, unter der Kutte. Für den Fall, das es nicht reicht, noch den Kranich-Sweater im Rucksack. Nach drei Reihen Kicks war mir das zu warm und ich musste was ausziehen. Der Himmel zwar bedeckt, aber schwülwarm und die Sonne setzte sich mehr und mehr durch. Es ist noch immer einiges Gewölk am Himmel, aber man sieht die Berge, es ist warm. Der Oktober scheint, im Gegensatz zum September, eine gute Reisezeit zu sein.
Wenn ich sagen soll, was ich in den beiden Wochen hier gelernt habe, dann ist es:
• noch ein Stück gerader in der Wirbelsäule,
• mehr Raum und runder mit den Armen und
• noch was runter mit dem Becken.
Erzähl ich was von den Renovierungsarbeiten. Es ist ja so, dass hier ein Jockey während eines Hindernisrennens am offenen Herzen operiert wird. Also Arbeit während des laufenden Betriebs. Mal abgesehen davon, dass man besser abreissen und neu bauen würde, die ganze Aktion dem vergeblichen Liftung einer alten Dame gleicht, ist die Vorgehensweise doch bemerkenswert.
Alles was du dir vorstellen wirst darüber, ist wahrscheinlich mächtig untertrieben. Es ist in jedem Fall viel schlimmer. Es kommen hier keine Elektriker, Installateure, Maler, Maurer, Verputzer, hier arbeiten fünf, sechs Wanderarbeiter, die alles machen - und nichts können. Im Treppenhaus hat man erst mal die Wände und das Geländer gestrichen. Abdeckfolie und Malerkrepp hat man dafür nicht gebraucht. Aber vielleicht hat man sowieso vor, die Treppenstufen mit neuen Fliesen zu bekleben.
Man hat heute die Untergestelle für die Bühne neu gestrichen, das ganze Erdgeschoss riecht nach dieser wahrscheinlich im Rest der Welt verbotenen Farbe.
Dagegen scheint die Farbe, mit denen man die Dachziegel grün gespritzt hat nicht für aussen gedacht zu sein und ist auf jeden Fall wasserlöslich. Mal gespannt, wie die Fassade in einem Jahr ausssieht.
Jedenfalls gibt man sich Mühe, das ganze Haus mit neuer Elektrik zu versorgen und die Kabel kommen sogar in Aufputz-Kabelschächte. Das Schöne am Stromausfall ist das romantische Kerzenlicht.
19.10.2008
Yürgen, Wudang 19.10.08
Meine Nase läuft!
Entweder gestern Abend bei der Sitzerei auf den Treppenstufen vorm Tempel, oder heute morgen beim Kicken ordentlich geschwitzt und danach beim taiji abgekühlt und die Luft ist auch nicht mehr das, was sie vorgestern noch war -warm.
Am Nachmittag ging's wieder spazieren. Wenn wir gut trainieren, hat der Meister gesagt, dann geht er auch mit uns spazieren. Was diese Spaziergänge von einem Geländemarsch unterscheidet, ist nur, dass wir kein schweres Gepäck mitschleppen brauchen. Ansonsten wär mancher BW-Schleifer glücklich, seine Frolleins über solche Bergpfade scheuchen zu können. Bin mir vorgekommen wie der Geisenpeter. Und dabei tropfende Nase. Musste mir später im Qu-Supermarkt noch ne Rolle Klopapier kaufen, hätte sonst bis zur Abreise gereicht.
Als wir bei dem Walk so links oberhalb vom Zixioaogong rauskamen,tönten von dort die typischen laute einer Wushu Performance. Konnten aber nicht unsere Jungs sein und war auch nicht unser Sound. Also daher wehte der Wind! Eine Konkurrenztruppe präsentierte sich und wir sollten fern gehalten werden. Deshalb durften auch die Kleinen mit.
Anschließend sind wir im Tempel eingekehrt, nachdem die gegnerische Mannschaft verschwunden war, und haben uns dao yue - daoistische Musik angehört. Das bedeutet, uns wurde die Teilnahme an der Abendandacht gestattet. Wie das mit Meister Guan aussieht, kann sich leider nur Lilo vorstellen. Männlein rechts, die gegnerische Mannschaft links. Und vor die Kniebänkchen. Ich mein, das muss man denen lassen, die sind hier wenigstens gepolstert. Ich hab auch kein Problem, diese Hinknien Aufstehen Gymnastik mitzumachen. Meine Jüngste hat acht Jahre im Mädchenchor gesungen.
Abendmeditation im Drecksballsaal.
Seit gestern haben wir einen Neuzugang. Bisher ist er nur durch sein Aussehen, sein Auftreten und seine Aussagen auffällig geworden. Ab morgen will er am Training teilnehmen. Mal sehen wie er sich dabei anstellt. Dann mehr.
Entweder gestern Abend bei der Sitzerei auf den Treppenstufen vorm Tempel, oder heute morgen beim Kicken ordentlich geschwitzt und danach beim taiji abgekühlt und die Luft ist auch nicht mehr das, was sie vorgestern noch war -warm.
Am Nachmittag ging's wieder spazieren. Wenn wir gut trainieren, hat der Meister gesagt, dann geht er auch mit uns spazieren. Was diese Spaziergänge von einem Geländemarsch unterscheidet, ist nur, dass wir kein schweres Gepäck mitschleppen brauchen. Ansonsten wär mancher BW-Schleifer glücklich, seine Frolleins über solche Bergpfade scheuchen zu können. Bin mir vorgekommen wie der Geisenpeter. Und dabei tropfende Nase. Musste mir später im Qu-Supermarkt noch ne Rolle Klopapier kaufen, hätte sonst bis zur Abreise gereicht.
Als wir bei dem Walk so links oberhalb vom Zixioaogong rauskamen,tönten von dort die typischen laute einer Wushu Performance. Konnten aber nicht unsere Jungs sein und war auch nicht unser Sound. Also daher wehte der Wind! Eine Konkurrenztruppe präsentierte sich und wir sollten fern gehalten werden. Deshalb durften auch die Kleinen mit.
Anschließend sind wir im Tempel eingekehrt, nachdem die gegnerische Mannschaft verschwunden war, und haben uns dao yue - daoistische Musik angehört. Das bedeutet, uns wurde die Teilnahme an der Abendandacht gestattet. Wie das mit Meister Guan aussieht, kann sich leider nur Lilo vorstellen. Männlein rechts, die gegnerische Mannschaft links. Und vor die Kniebänkchen. Ich mein, das muss man denen lassen, die sind hier wenigstens gepolstert. Ich hab auch kein Problem, diese Hinknien Aufstehen Gymnastik mitzumachen. Meine Jüngste hat acht Jahre im Mädchenchor gesungen.
Abendmeditation im Drecksballsaal.
Seit gestern haben wir einen Neuzugang. Bisher ist er nur durch sein Aussehen, sein Auftreten und seine Aussagen auffällig geworden. Ab morgen will er am Training teilnehmen. Mal sehen wie er sich dabei anstellt. Dann mehr.
18.10.2008
Yürgen, Wudang 18.10.08
Was ne Uffreschung!
heute morgen hatten sich zum dem aufgeblasenen Bogen noch einige rote Ballons in Form chinesischer Lampions gesellt und aus einem LKW wurden große Trommeln ausgeladen.
Nach und nach wurde der Platz vor der Akademie mit Bussen und Lastwagen vollgeparkt. Inzwischen hatten wir auch erfahren, um was sich das Spektakel dreht. Ein berühmter chinesischer Regisseur (den Namen find ich noch raus) dreht einen Spielfilm über Wudang (oder in Wudang) und wird nun geehrt. Bei meinem morgendlichen Besuch im Tempel hatte ich schon bemerkenswert viele große Kisten vorgefunden, auf denen auch ein Roady schlief. Mitten im Hof steht ein großer Kamerakran, tonnenweise Scheinwerfer.
Das Vormittagstraining fand im Tempel statt, während draussen der Zinnober abgehalten wurde. Jede Menge Schaulustige und jede Menge Journalisten. Die Trommlergruppe übrigens absolut Fastnachtstauglich. Sollte man einladen.
Die ganze Akademie war im Tempel und belegte alle möglichen Plätze. Ich hatte den Eindruck, es ging darum, zu zeigen, wer hier der Herr im Haus ist. Jedenfalls nicht dieser bärtige Bursche mit Megaphon, der auf Kommando ein Schauspielerpärchen in dicken Pelzmänteln und Mützen die Treppe hochscheuchte. Mehr konnte ich von meinem Platz nicht sehen. Dann konnten wir auch die Treppe runter und dort entdeckte ich dann die schon lange vermisste Truppe der älteren Akademie-Mitglieder. Spielen den Chor.
Heute Nachmittag wieder Training as usual. Halbe Stunde Taiji-walk, eine Stunde Form üben, eine Stunde Striss (für Neueinsteiger = Strech = Dehnen bis der Arzt kommt). Ich weiß ja, dass es ganz gut ist, gelenkig zu bleiben aber mein fast 60jähriger Körper fragt immer wieder nach, ob das wirklich sein muss. Shifu meint ja. Na dann warte ich ab bis der so alt ist und steig ihm ins Kreuz. Mal sehen, was er dann sagt.
Hab mir im Tempel meinen guten weißen Kittel an der roten Farbe, mit der alles gestrichen, ist versaut. Muss ich versuchen rauszuwaschen. Meditation heute vorm Tempel.
Bis Morgen
heute morgen hatten sich zum dem aufgeblasenen Bogen noch einige rote Ballons in Form chinesischer Lampions gesellt und aus einem LKW wurden große Trommeln ausgeladen.
Nach und nach wurde der Platz vor der Akademie mit Bussen und Lastwagen vollgeparkt. Inzwischen hatten wir auch erfahren, um was sich das Spektakel dreht. Ein berühmter chinesischer Regisseur (den Namen find ich noch raus) dreht einen Spielfilm über Wudang (oder in Wudang) und wird nun geehrt. Bei meinem morgendlichen Besuch im Tempel hatte ich schon bemerkenswert viele große Kisten vorgefunden, auf denen auch ein Roady schlief. Mitten im Hof steht ein großer Kamerakran, tonnenweise Scheinwerfer.
Das Vormittagstraining fand im Tempel statt, während draussen der Zinnober abgehalten wurde. Jede Menge Schaulustige und jede Menge Journalisten. Die Trommlergruppe übrigens absolut Fastnachtstauglich. Sollte man einladen.
Die ganze Akademie war im Tempel und belegte alle möglichen Plätze. Ich hatte den Eindruck, es ging darum, zu zeigen, wer hier der Herr im Haus ist. Jedenfalls nicht dieser bärtige Bursche mit Megaphon, der auf Kommando ein Schauspielerpärchen in dicken Pelzmänteln und Mützen die Treppe hochscheuchte. Mehr konnte ich von meinem Platz nicht sehen. Dann konnten wir auch die Treppe runter und dort entdeckte ich dann die schon lange vermisste Truppe der älteren Akademie-Mitglieder. Spielen den Chor.
Heute Nachmittag wieder Training as usual. Halbe Stunde Taiji-walk, eine Stunde Form üben, eine Stunde Striss (für Neueinsteiger = Strech = Dehnen bis der Arzt kommt). Ich weiß ja, dass es ganz gut ist, gelenkig zu bleiben aber mein fast 60jähriger Körper fragt immer wieder nach, ob das wirklich sein muss. Shifu meint ja. Na dann warte ich ab bis der so alt ist und steig ihm ins Kreuz. Mal sehen, was er dann sagt.
Hab mir im Tempel meinen guten weißen Kittel an der roten Farbe, mit der alles gestrichen, ist versaut. Muss ich versuchen rauszuwaschen. Meditation heute vorm Tempel.
Bis Morgen
17.10.2008
Yürgen, Wudang 17.10.08
Dritter Drehtag - Location: das Tal des sorglosen Lebens. War ich da nicht gestern schon? War ich. Diesmal aber wieder mit dem Kameramann. Zum Glück müssen wir nicht dauernd eine Szene wiederholen. Wir machen was, er filmt drauflos und inzwischen weiß ich auch, wofür das ganze. Soll ne Werbe-CD werden, zum Verteilen im Ausland. Na prima.
So kann man auch in der Welt rumkommen. So bekommt man aber auch wenig Korrektur, weswegen ich doch hergekommen bin, den weiten Weg von Germany für eine viel zu kurze Zeit.
Am Nachmittag, nachdem mir der Meister mit übertriebener Gestik klargemacht hat, dass meine Bewegungen zu eng sind, noch immer, darf ich dann Taihe zeigen und bekomme darin Verbesserungen. Auch hier verlangt Shifu Guan mehr rund, mehr Kreis, mehr Raum. Fühlt sich ja dann auch besser an.
Zur abendlichen Meditation gehen wir diesmal vor den Zixiaogong, unseren Haustempel. Nur steht davor, seit wann eigentlich?, ein aufblasbares, aufgeblasenes rotes Bogentor, zu dessen Aufrechterhaltung ein Kompressor bläst; und das ist nicht schön für Meditation. Nachdem geklärt wurde, dass niemand so richtig erklären kann, warum das hier steht, ziehen wir wieder zurück zu den Betonklötzen in der Kurve.
Wow! schiebt sich gerade der abnehmende Mond tiefrot, wie ein chinesischer Lampion über die Bäume. Hilft nix, ich kann ohne einigermaßen hohes Kissen oder ähnliches nicht meditieren, da mach ich nen krummen Rücken nach einiger Zeit, da tun mir die Füße weh. Der Chef ist selbst garnicht mitgekommen, meditiert wohl woanders. Drei Meter neben mir sitzt Yaru und meditiert in ihr Handy und ich meditier mich zurück zur Akademie, lauf noch mal die 28er Form und schleich mich rauf in mein Zimmer, damit ich euch auf dem Laufenden halten kann.
So kann man auch in der Welt rumkommen. So bekommt man aber auch wenig Korrektur, weswegen ich doch hergekommen bin, den weiten Weg von Germany für eine viel zu kurze Zeit.
Am Nachmittag, nachdem mir der Meister mit übertriebener Gestik klargemacht hat, dass meine Bewegungen zu eng sind, noch immer, darf ich dann Taihe zeigen und bekomme darin Verbesserungen. Auch hier verlangt Shifu Guan mehr rund, mehr Kreis, mehr Raum. Fühlt sich ja dann auch besser an.
Zur abendlichen Meditation gehen wir diesmal vor den Zixiaogong, unseren Haustempel. Nur steht davor, seit wann eigentlich?, ein aufblasbares, aufgeblasenes rotes Bogentor, zu dessen Aufrechterhaltung ein Kompressor bläst; und das ist nicht schön für Meditation. Nachdem geklärt wurde, dass niemand so richtig erklären kann, warum das hier steht, ziehen wir wieder zurück zu den Betonklötzen in der Kurve.
Wow! schiebt sich gerade der abnehmende Mond tiefrot, wie ein chinesischer Lampion über die Bäume. Hilft nix, ich kann ohne einigermaßen hohes Kissen oder ähnliches nicht meditieren, da mach ich nen krummen Rücken nach einiger Zeit, da tun mir die Füße weh. Der Chef ist selbst garnicht mitgekommen, meditiert wohl woanders. Drei Meter neben mir sitzt Yaru und meditiert in ihr Handy und ich meditier mich zurück zur Akademie, lauf noch mal die 28er Form und schleich mich rauf in mein Zimmer, damit ich euch auf dem Laufenden halten kann.
16.10.2008
Yürgen, Wudang 16.10.08
Gestern, als wir auf dem Tianzhu waren, zogen langsam Wolken auf, die Täler waren in Dunst gehüllt. Himmel und Erde vermischten sich. Am späten Abend hörte ich das befürchtete Rauschen - Regen. Aber nur für wenige Minuten. Heute Morgen ist der Himmel wieder klar und wolkenlos. Donnerstags ist trainingsfrei. Ich werde im Tal des sorglosen Lebens wandern.
War das ein Tag!
Kurz nach neun hab ich mich aufgemacht und bin mit dem Bus runtergefahren zum Tal des sorglosen Lebens (xiaoyao = frei sein, locker), mit mir steigen Cheng Qiang (Frank) und Jiang Fu Rong aus. Müssen schon vorher am Nanyan eingestiegen sein. Sie wollen auch das Tal durchwandern, weil ich mir aber Zeit lassen will, schicke ich sie vor. Ich mache das dann auch erst mal alles ganz gemächlich, fotografiere vieles und steige wieder rauf zum Yu Xu Tempelchen, einem meiner Lieblingsplätze. (suche Sponsor, um dort die Klause wieder zu errichten und mindestens 6 Monate im Jahr dort leben zu können)
Das Tal ist wirklich wunderschön, es entzieht sich meiner Beschreibung. Auf einem Felsen gesessen, bisschen Kekse und Mandarinen gegessen, Einen Wasserfall zur Linken bewundert (Schwarzer Drachen Pool) weitergewandert, alleine, plötzlich begenet mir der junge Russe, der neben mir imBus gesessen hat. ist mit einer Gruppe hier aus St. Petersburg und Kasachstan, machen Qigong. Er ist zum ersten Mal in China und zum ersten Mal in seinem Leben in den Bergen. Wow und dann gleich Wudangshan. Er wird mich überholt haben als ich oben im Yu Xu saß.Hat nen strammen Schritt drauf. Dann kommt der nächste große Wasserfall (Weißer Drachen Pool), fast versteckt inmitten eines riesigen Felsendoms. Links davon gehts dann Treppen hoch. Musste ja so kommen, wenn man mit dem Bus 10 Minuten lang Serpentinen bergab fährt, muss man irgendwann wieder bergauf. Und es geht bergauf! Irgendwann nach ca. 1 Liter Wasserverlust höre ich den Wasserfall weit unter mir und der Weg gabelt sich. Rechts gehts deutlich wieder abwärts, links weiter bergauf. Ich mache einen kurzen Erkundungsgang nach rechts und entschließe mich, auf keinen Fall wieder runter und später erneut hochsteigen zu müssen.
Der Weg den ich nun gewählt habe, besteht aus mehreren betonierten Rampen, auf denen auch kleien Kettenfahrzeuge hoch kämen. Aber warum legt man soetwas an, wenn es im nichts endet. Na gut, da vor mir sind noch einige Spuren menschlicher Füße auszumachen. Ich folge dem Pfad der mich in des Bauern Wohnzimmer führt. Frau Bauer weist mir stumm mit dem Arm einen horizontalen Kreis beschreibend die Wegrichtung. Xiexie
Es geht weiter bergan, der schmale Weg gesäumt von einer kleinen Margeritenart, dann ist der Tempel nächst der Seilbahnstation zu sehen. Nun wird es Zeit, einen Entscheidung zu fällen, wie der Tag weitergehen soll. Ich rufe sofort meine multiplen Persönlichkeiten an den Konferenztisch und es gibt die folgenden Vorschläge:
1) In den nächsten Bus und heim
2) mit der Seilbahn hoch und weiter über den Golden Top zu Fuß zum Nanyan (also den Weg, den wir gestern hin gegangen sind)
3) statt mit der Seilbahn auch zu Fuß hoch (Vorschlag vom harten Heinrich, der aber sofort unter den Tisch fällt)
Entschieden wird: wenn es erst zwei Uhr ist gehts über den Golden Top, ist es schon drei Uhr, gehts in den Bus.
Wie ich quasi aus dem Nichts auf die Straße trete, wer schaut da gleich gegenüber verwundert aus der Nudelbude? - Cheng Qiang!
Lieber ortsunkundiger Leser; an dieser Straße befinden sich mindesten 50 Buden, in denen abwechselnd Schwerter und sonstige Andenken oder Nudeln verkauft werden. Aber ich komme genau da raus, wo die beiden eine Suppe zu sich nehmen - was ich dann auch tue - und wo man normalerweise garnicht rauszukommen hat. Denn eigentlich geht man doch oberhalb des Wasserfalls rechts runter ...
Nun, es ist gerade mal zwei Uhr, die beiden fahren mit dem Bus zurück und ich mit der Kabinenbahn hoch. Was gibt es Besseres, als mit einer leckeren Nudelsuppe im Bauch allein in einer Kabine bei strahlendem Sonnenschein den Tianzhu hochzugondeln und dabei von Joh. Chr. Bach die Sinfonie für Doppelorchester in Es-Dur zu hören. Ich hätte auf den Bach verzichtet, wenn jemand bestimmtes an meiner Seite gesessen hätte. Aber "hätte"!
Ich hab mir dann das volle Programm gegeben, alle Tempel mit allen Verbeugungen und auch noch rauf zum goldenen Tempel ganz oben (s. Bericht von gestern), wo gerade eine Familie verzweifelt versuchte, ihren wohl verblödeten Sohn zum Kotau zu bewegen.War nix zu machen, wollte er nicht.
Ich hatte inzwischen soviel Pilgeradrenalin in mir, dass ich mich auch noch für den weiteren und beschwerlicheren Rückweg durch die drei Himmelstore entschied. Es wurde auch immer einsamer um mich rum, kaum noch wer unterwegs, bis ich gegen 17:00 Uhr am Nanyan wieder in den Schoß der menschlichen Gesellschaft sackte. Mit absolut müden Waden und einem geläuterten Herzen.
Fazit: einmal im Jahr kann man sich sowas antun, es gibt immer was zu büßen oder erbitten und ist letztlich gesünder, als nur ein paar Kerzen aufzustellen.
War das ein Tag!
Kurz nach neun hab ich mich aufgemacht und bin mit dem Bus runtergefahren zum Tal des sorglosen Lebens (xiaoyao = frei sein, locker), mit mir steigen Cheng Qiang (Frank) und Jiang Fu Rong aus. Müssen schon vorher am Nanyan eingestiegen sein. Sie wollen auch das Tal durchwandern, weil ich mir aber Zeit lassen will, schicke ich sie vor. Ich mache das dann auch erst mal alles ganz gemächlich, fotografiere vieles und steige wieder rauf zum Yu Xu Tempelchen, einem meiner Lieblingsplätze. (suche Sponsor, um dort die Klause wieder zu errichten und mindestens 6 Monate im Jahr dort leben zu können)
Das Tal ist wirklich wunderschön, es entzieht sich meiner Beschreibung. Auf einem Felsen gesessen, bisschen Kekse und Mandarinen gegessen, Einen Wasserfall zur Linken bewundert (Schwarzer Drachen Pool) weitergewandert, alleine, plötzlich begenet mir der junge Russe, der neben mir imBus gesessen hat. ist mit einer Gruppe hier aus St. Petersburg und Kasachstan, machen Qigong. Er ist zum ersten Mal in China und zum ersten Mal in seinem Leben in den Bergen. Wow und dann gleich Wudangshan. Er wird mich überholt haben als ich oben im Yu Xu saß.Hat nen strammen Schritt drauf. Dann kommt der nächste große Wasserfall (Weißer Drachen Pool), fast versteckt inmitten eines riesigen Felsendoms. Links davon gehts dann Treppen hoch. Musste ja so kommen, wenn man mit dem Bus 10 Minuten lang Serpentinen bergab fährt, muss man irgendwann wieder bergauf. Und es geht bergauf! Irgendwann nach ca. 1 Liter Wasserverlust höre ich den Wasserfall weit unter mir und der Weg gabelt sich. Rechts gehts deutlich wieder abwärts, links weiter bergauf. Ich mache einen kurzen Erkundungsgang nach rechts und entschließe mich, auf keinen Fall wieder runter und später erneut hochsteigen zu müssen.
Der Weg den ich nun gewählt habe, besteht aus mehreren betonierten Rampen, auf denen auch kleien Kettenfahrzeuge hoch kämen. Aber warum legt man soetwas an, wenn es im nichts endet. Na gut, da vor mir sind noch einige Spuren menschlicher Füße auszumachen. Ich folge dem Pfad der mich in des Bauern Wohnzimmer führt. Frau Bauer weist mir stumm mit dem Arm einen horizontalen Kreis beschreibend die Wegrichtung. Xiexie
Es geht weiter bergan, der schmale Weg gesäumt von einer kleinen Margeritenart, dann ist der Tempel nächst der Seilbahnstation zu sehen. Nun wird es Zeit, einen Entscheidung zu fällen, wie der Tag weitergehen soll. Ich rufe sofort meine multiplen Persönlichkeiten an den Konferenztisch und es gibt die folgenden Vorschläge:
1) In den nächsten Bus und heim
2) mit der Seilbahn hoch und weiter über den Golden Top zu Fuß zum Nanyan (also den Weg, den wir gestern hin gegangen sind)
3) statt mit der Seilbahn auch zu Fuß hoch (Vorschlag vom harten Heinrich, der aber sofort unter den Tisch fällt)
Entschieden wird: wenn es erst zwei Uhr ist gehts über den Golden Top, ist es schon drei Uhr, gehts in den Bus.
Wie ich quasi aus dem Nichts auf die Straße trete, wer schaut da gleich gegenüber verwundert aus der Nudelbude? - Cheng Qiang!
Lieber ortsunkundiger Leser; an dieser Straße befinden sich mindesten 50 Buden, in denen abwechselnd Schwerter und sonstige Andenken oder Nudeln verkauft werden. Aber ich komme genau da raus, wo die beiden eine Suppe zu sich nehmen - was ich dann auch tue - und wo man normalerweise garnicht rauszukommen hat. Denn eigentlich geht man doch oberhalb des Wasserfalls rechts runter ...
Nun, es ist gerade mal zwei Uhr, die beiden fahren mit dem Bus zurück und ich mit der Kabinenbahn hoch. Was gibt es Besseres, als mit einer leckeren Nudelsuppe im Bauch allein in einer Kabine bei strahlendem Sonnenschein den Tianzhu hochzugondeln und dabei von Joh. Chr. Bach die Sinfonie für Doppelorchester in Es-Dur zu hören. Ich hätte auf den Bach verzichtet, wenn jemand bestimmtes an meiner Seite gesessen hätte. Aber "hätte"!
Ich hab mir dann das volle Programm gegeben, alle Tempel mit allen Verbeugungen und auch noch rauf zum goldenen Tempel ganz oben (s. Bericht von gestern), wo gerade eine Familie verzweifelt versuchte, ihren wohl verblödeten Sohn zum Kotau zu bewegen.War nix zu machen, wollte er nicht.
Ich hatte inzwischen soviel Pilgeradrenalin in mir, dass ich mich auch noch für den weiteren und beschwerlicheren Rückweg durch die drei Himmelstore entschied. Es wurde auch immer einsamer um mich rum, kaum noch wer unterwegs, bis ich gegen 17:00 Uhr am Nanyan wieder in den Schoß der menschlichen Gesellschaft sackte. Mit absolut müden Waden und einem geläuterten Herzen.
Fazit: einmal im Jahr kann man sich sowas antun, es gibt immer was zu büßen oder erbitten und ist letztlich gesünder, als nur ein paar Kerzen aufzustellen.
15.10.2008
Yürgen, Wudang 15.10.08
Was ich gestern Abend nicht verstanden habe wohin es geht, war golden top. Meint den höchsten Berg hier, den Tianzhu, auf dessen Gipfel ein kleiner Tempel aus massivem Messing steht, das ursprünglich mal vergoldet war. Dorthin gehen bedeutet vom Nanyan aus, wohin wir mit dem Bus gefahren sind, vier Kilometer weit Treppen rauf und runter, aber vor allem rauf und zwar rund 1000 Meter Höhenunterschied dabei überwinden. Das dauert nicht lange, nur so zweieinhalb Stunden.
Zuerst gabs mal lecker Essen bei den Mönchen, dann Videoaufnahmen, mmh. Dazu kletterte Meister Guan auf einen kleinen Nebengipfel, wo er in luftiger Einsamkeit Meditieren, Taijiquan und Flöte spielte. Nacheinander.
Dann wurden wir mitgebrachten Ausländer auf Felsen und Vorsprünge drapiert und durften auch Meditation spielen. Nächste Location, wir machten zusammen mit dem ehrenwerten Shifu eine Qigong-Abfolge, die außer Dennis noch niemand von uns nie gemacht hatte. Muss wirklich eine Produktion für Pleiten, Pech und Pannen sein, denn als nächstes sollte ich dann neben jener Stele, auf der steht, dies sei der Gipfel von Wudangshan (was nicht stimmt, denn darauf steht ja der goldene Tempel), an der jeder Tourist sich fotografieren lässt, dort sollte ich dann für die Kamera Taihe vormachen. Ich hatte kein Lampenfieber, überhaupt nicht, ich war völlig gelassen, ach was sag ich, ich war selbstvergessen. Mein Körper absolvierte einen eintrainierten Bewegungsablauf, währen von meinen multiplen Persönlichkeiten gerade alle ausgeflogen waren. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich gehofft, wir könnten eventuell eine Kopie dieses Videos bekommen. Nun hoffe ich, dass zumindest diese Szene aus irgendeinem Grund nicht in die Kamera gepasst hat oder ansonsten das Projekt platzt, die Finanzierung ausfällt, der Sender Pleite macht... ich muss wohl ein ganzes Bündel Räucherstäbe im Tempel abbrennen.
Für den Rückweg hatte ich verabredet, mit der Seilbahn runter zu fahren und dann durch das Tal des sorglosen Lebens zu wandern und von dort mit dem Bus zurück zur Akademie zu kommen. Dann stand ich vor der Seilbahn und hatte nicht genug Geld dabei und hätte auch nicht glaubhaft machen können, ich sei noch ein Kind. Bin ich also statt dessen zu Fuß den Berg runter. War schon ein recht abenteuerlicher Weg, gelegentlich mit Stufen, doch meist einem ausgetrockneten Bachlauf ähnlicher. Der Weg, anfangs quasi direkt unterhalb der Seilbahn, entfernte sich von dieser immer mehr. Mir drängte sich der Verdacht auf, mal wieder eine wichtige Abzweigung übersehen zu haben, was ich in fremdem Gelände gerne mache. Ich gedachte der alten Pfadfinderregel, wenn man sich in der Wildnis verlaufen hat, geht man immer bergab. Im Tal ist immer ein Bach (wenn es genug Wasser gibt), dem folgt man, der mündet früher oder später in einen Fluss (oder versickert), der Fluss früher oder später ins Meer. Auf dem Weg dorthin ist die Chance groß, an einer menschlichen Siedlung vorbei zu kommen, sonst geht man weiter an der Küste entlang. Wudangshan liegt ca. 1700 km von der nächsten Küste entfernt.
Es kamen mir aber auch Menschen entgegen, Lastenträger. Auch einmal eine Großspedition mit acht Mulis und später dann eine Frau, die mich mit einem Schwall Worte überschüttete, von denen ich annahm, sie wollte wissen ob das überhaupt der richtige Weg sei, wie weit noch bis zur Spitze und ob die ganze Strecke in so einem miserablen Zustand sei. Sie redete auch weiter auf mich ein, nachdem ich ihr eindeutig zu verstehen gegeben hatte, dass ich kein Wort verstünde und selbst wenn, ich unfähig sei, darauf zu antworten, weswegen ich das alles dann auf Deutsch sagte. Damit war sie es zufrieden.
Nach anderthalb Stunden kam ich tatsächlich unten an der Seilbahn, an der Busstation an und jetzt war ich auch zu müde, noch weiter bergab und durch das Tal zu wandern. Steht für morgen auf dem Plan. Nächsten Bus genommen, Freunde gemacht. Außer mir waren alle Insassen Kollegen eines Betriebs aus Wuhan. Das erfuhr ich von einer Kollegin, die man irgendwann hinter mich platziert hatte und die etwas mehr englisch als ich chinesisch kann. Ja in Wuhan war ich auch schon mal, habe den gelben Fluss gesehen mit der großen Brücke und auch Kling Klang Klong - schallendes Gelächter aber alle habens verstanden.
Am Zixiaogong aus dem Bus gestiegen und treffe dort mit der restlichen Gruppe zusammen, die den gleichen Weg wie hin auch zurück genommen hatte.
Zuerst gabs mal lecker Essen bei den Mönchen, dann Videoaufnahmen, mmh. Dazu kletterte Meister Guan auf einen kleinen Nebengipfel, wo er in luftiger Einsamkeit Meditieren, Taijiquan und Flöte spielte. Nacheinander.
Dann wurden wir mitgebrachten Ausländer auf Felsen und Vorsprünge drapiert und durften auch Meditation spielen. Nächste Location, wir machten zusammen mit dem ehrenwerten Shifu eine Qigong-Abfolge, die außer Dennis noch niemand von uns nie gemacht hatte. Muss wirklich eine Produktion für Pleiten, Pech und Pannen sein, denn als nächstes sollte ich dann neben jener Stele, auf der steht, dies sei der Gipfel von Wudangshan (was nicht stimmt, denn darauf steht ja der goldene Tempel), an der jeder Tourist sich fotografieren lässt, dort sollte ich dann für die Kamera Taihe vormachen. Ich hatte kein Lampenfieber, überhaupt nicht, ich war völlig gelassen, ach was sag ich, ich war selbstvergessen. Mein Körper absolvierte einen eintrainierten Bewegungsablauf, währen von meinen multiplen Persönlichkeiten gerade alle ausgeflogen waren. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich gehofft, wir könnten eventuell eine Kopie dieses Videos bekommen. Nun hoffe ich, dass zumindest diese Szene aus irgendeinem Grund nicht in die Kamera gepasst hat oder ansonsten das Projekt platzt, die Finanzierung ausfällt, der Sender Pleite macht... ich muss wohl ein ganzes Bündel Räucherstäbe im Tempel abbrennen.
Für den Rückweg hatte ich verabredet, mit der Seilbahn runter zu fahren und dann durch das Tal des sorglosen Lebens zu wandern und von dort mit dem Bus zurück zur Akademie zu kommen. Dann stand ich vor der Seilbahn und hatte nicht genug Geld dabei und hätte auch nicht glaubhaft machen können, ich sei noch ein Kind. Bin ich also statt dessen zu Fuß den Berg runter. War schon ein recht abenteuerlicher Weg, gelegentlich mit Stufen, doch meist einem ausgetrockneten Bachlauf ähnlicher. Der Weg, anfangs quasi direkt unterhalb der Seilbahn, entfernte sich von dieser immer mehr. Mir drängte sich der Verdacht auf, mal wieder eine wichtige Abzweigung übersehen zu haben, was ich in fremdem Gelände gerne mache. Ich gedachte der alten Pfadfinderregel, wenn man sich in der Wildnis verlaufen hat, geht man immer bergab. Im Tal ist immer ein Bach (wenn es genug Wasser gibt), dem folgt man, der mündet früher oder später in einen Fluss (oder versickert), der Fluss früher oder später ins Meer. Auf dem Weg dorthin ist die Chance groß, an einer menschlichen Siedlung vorbei zu kommen, sonst geht man weiter an der Küste entlang. Wudangshan liegt ca. 1700 km von der nächsten Küste entfernt.
Es kamen mir aber auch Menschen entgegen, Lastenträger. Auch einmal eine Großspedition mit acht Mulis und später dann eine Frau, die mich mit einem Schwall Worte überschüttete, von denen ich annahm, sie wollte wissen ob das überhaupt der richtige Weg sei, wie weit noch bis zur Spitze und ob die ganze Strecke in so einem miserablen Zustand sei. Sie redete auch weiter auf mich ein, nachdem ich ihr eindeutig zu verstehen gegeben hatte, dass ich kein Wort verstünde und selbst wenn, ich unfähig sei, darauf zu antworten, weswegen ich das alles dann auf Deutsch sagte. Damit war sie es zufrieden.
Nach anderthalb Stunden kam ich tatsächlich unten an der Seilbahn, an der Busstation an und jetzt war ich auch zu müde, noch weiter bergab und durch das Tal zu wandern. Steht für morgen auf dem Plan. Nächsten Bus genommen, Freunde gemacht. Außer mir waren alle Insassen Kollegen eines Betriebs aus Wuhan. Das erfuhr ich von einer Kollegin, die man irgendwann hinter mich platziert hatte und die etwas mehr englisch als ich chinesisch kann. Ja in Wuhan war ich auch schon mal, habe den gelben Fluss gesehen mit der großen Brücke und auch Kling Klang Klong - schallendes Gelächter aber alle habens verstanden.
Am Zixiaogong aus dem Bus gestiegen und treffe dort mit der restlichen Gruppe zusammen, die den gleichen Weg wie hin auch zurück genommen hatte.
14.10.2008
Yürgen, Wudang 14.10.08
Heute war es einfach zu heiß für besondere Vorkommnisse.
Gestern hat mich ein Tier ins Auge gestochen - in den Augapfel. Hab ich was von, Tränen.
Der Meister sagt mir brav immer das, was ich auch meinen Schülern sage. Mehr rund, alles ist kreisförmig (ja was mach ich denn, wenn nicht Kreise? Zu kleine!) Knie nach außen halten usw.
Morgen darf ich dann der versammelten Mannschaft - die beachtlich geschrumpft ist seit unserer Ankunft - zeigen, was ich in der Woche gelernt habe.
Zusammenfassung: Meine Form wird besser, deutlich besser.
Trotz der Hitze durften wir am Nachmittag Fußball spielen. Langnasen gegen Schlitzaugen. Wir haben natürlich ungezählt hoch gewonnen, aber die Jungs haben gut gekämpft und gelegentlich auch mal Wushu eingesetzt. Danach habe ich darauf bestanden, im Schatten weiter üben zu können. Bin doch kein Brathendl.
Assis hatte die Idee, zur Meditation raus zu gehen und in der Kurve zum Zixioa uns auf die Betonblöcke zu setzen. Blick übers Tal auf den vollen Mond. Ich kann zwar mit kaltem Hintern nicht meditieren, aber es war auch so schön.
Im Zimmer mache ich mit wenig Hoffnung den Wassertemperaturtest und - heiß. Wunderbar, wenn man so verschwitzt ist. Jetzt würde ein dünnes chinesisches Bier den Abend so richtig abrunden. Viktoria hat mir 2 vom Pokerabend übrig gebliebene Flaschen vermacht, aber ich hab keinen Öffner, nie gelernt wie man das mit dem Bic-Feuerzeug macht und habe auch kein solches. Lilo ist weg, die immer alles dabei hat, Geli ist mit ihrem Taschenmesser auch nicht mehr hier. Während ich also mit der Flasche in der Hand kapselheberersatzsuchend durch das Zimmer wandere, klopft es an der Tür. Ungeduldig. Ich muss doch erst mal die Bierflasche loswerden. Natürlich Guan, der anscheinend einen Riecher dafür hat, im unpassenden Moment aufzutauchen. Viktoria hatte er auch neulich in der Garage beim kleinen Mann dabei erwischt, wie sie aus therapeutischen Gründen einen vom kleinen Mann selbst destillierten Schnaps getrunken hat. Guans Gardinenpredigt hätte beinah die heilsame Wirkung des Schnapses wieder zunichte gemacht.
Grund des diesmaligen Auftritts: Morgen zum Training in Uniform, wir gehen ich hab's nicht verstanden wohin und da gibts wieder Videoaufnahmen.
Die Bierflasche habe ich am Schließblech der Badezimmertür geöffnet. Prost
Gestern hat mich ein Tier ins Auge gestochen - in den Augapfel. Hab ich was von, Tränen.
Der Meister sagt mir brav immer das, was ich auch meinen Schülern sage. Mehr rund, alles ist kreisförmig (ja was mach ich denn, wenn nicht Kreise? Zu kleine!) Knie nach außen halten usw.
Morgen darf ich dann der versammelten Mannschaft - die beachtlich geschrumpft ist seit unserer Ankunft - zeigen, was ich in der Woche gelernt habe.
Zusammenfassung: Meine Form wird besser, deutlich besser.
Trotz der Hitze durften wir am Nachmittag Fußball spielen. Langnasen gegen Schlitzaugen. Wir haben natürlich ungezählt hoch gewonnen, aber die Jungs haben gut gekämpft und gelegentlich auch mal Wushu eingesetzt. Danach habe ich darauf bestanden, im Schatten weiter üben zu können. Bin doch kein Brathendl.
Assis hatte die Idee, zur Meditation raus zu gehen und in der Kurve zum Zixioa uns auf die Betonblöcke zu setzen. Blick übers Tal auf den vollen Mond. Ich kann zwar mit kaltem Hintern nicht meditieren, aber es war auch so schön.
Im Zimmer mache ich mit wenig Hoffnung den Wassertemperaturtest und - heiß. Wunderbar, wenn man so verschwitzt ist. Jetzt würde ein dünnes chinesisches Bier den Abend so richtig abrunden. Viktoria hat mir 2 vom Pokerabend übrig gebliebene Flaschen vermacht, aber ich hab keinen Öffner, nie gelernt wie man das mit dem Bic-Feuerzeug macht und habe auch kein solches. Lilo ist weg, die immer alles dabei hat, Geli ist mit ihrem Taschenmesser auch nicht mehr hier. Während ich also mit der Flasche in der Hand kapselheberersatzsuchend durch das Zimmer wandere, klopft es an der Tür. Ungeduldig. Ich muss doch erst mal die Bierflasche loswerden. Natürlich Guan, der anscheinend einen Riecher dafür hat, im unpassenden Moment aufzutauchen. Viktoria hatte er auch neulich in der Garage beim kleinen Mann dabei erwischt, wie sie aus therapeutischen Gründen einen vom kleinen Mann selbst destillierten Schnaps getrunken hat. Guans Gardinenpredigt hätte beinah die heilsame Wirkung des Schnapses wieder zunichte gemacht.
Grund des diesmaligen Auftritts: Morgen zum Training in Uniform, wir gehen ich hab's nicht verstanden wohin und da gibts wieder Videoaufnahmen.
Die Bierflasche habe ich am Schließblech der Badezimmertür geöffnet. Prost
13.10.2008
Yürgen, Wudang 13.10.08
Gestern abend, vor der Meditation gabs erst einen Spaziergang zum Zixiaogong, bisschen Mond gucken. Sofort ging eine riesige Diskussion los, die mit Tai Yang anfing und dann sehr rasch in ein Vokabular abrauschte, dem ich nur meine Phantasie entgegensetzen konnte. Dennis lauschte jedenfalls ganz aufmerksam und ich werde ihn mir noch mal zur Seite nehmen müssen, um wenigsten einen kleine Zusammenfassung zu bekommen.
Nach der Meditation stellte ich dann überraschend fest, aus der Leitung kommt heißes Wasser. So schnell war ich noch nie aus den Kleidern und dann konnte ich richtig ausgiebig und richtig heiß duschen. Zum Glück hatte ich schon vor zwei Tagen das Geheimnis des Abflusses gelöst.
Man hat hier, wie es modern ist, keine Duschwanne, sondern einen zur Mitte hin abschüssigen Boden, wo sich dann ein Abfluss befindet. Dennoch steht im Nu das Bad kniehoch unter Wasser. Ich werde nun versuchen in gewählten Worten dem geneigten Leser die Konstruktion zu erklären:
Zuoberst haben wir jenen Teller mit den Löchern, durch die das Wasser fließen soll. Man könnte es auch ein Sieb nennen. Unter diesem Sieb befindet sich in unserem Falle an einem kleinen, zentral befestigten Stift eine kleine Glocke oder umgekehrte Schüssel. Diese sitzt abschließend über dem Abflussrohr. Das Wasser kann also nicht in den Abfluss gelangen. Ich würde mich gerne einmal mit dem Menschen unterhalten, der diese Konstruktion gefertigt hat. Nach zweimaligem Lesen kommt mir das immer noch schwer verständlich vor, weswegen ich die kleine Zeichnung angefertigt habe, in der Hoffnung, damit deutlicher zu werden.
Da Geli heute wieder nach Hause fährt, hab ich mir den Vormittag frei genommen und bin mit ihr rauf zum alten Zhang, dem Bienen Daoist in der Taizitong, der Höhle des Prinzen. Der Alte war heute wenig gesprächig, wohl weil er drei Schüler da sitzen hatte, denen er irgendetwas erklärte. Erst dachte ich "Yijing" aber es muss sich um was anderes gehandelt haben.
Auf dem Rückweg konnten wir dann den Kampf Frettchen gegen Ratte beobachten. Die beiden wurden leider in der Vollendung ihres Dao durch ein Fahrzeug gestört, dessen Fahrer die Zeremonie aus nächster Nähe handygraphieren wollte. So floh das Frettchen in die Büsche und die Ratte blieb schwer verletzt auf der Straße liegen. Eine Straßenfegerin, die mit einem munteren Lied auf den Lippen des Weges kam, erlöste das Tier mit mehreren Schlägen ihres Besens und schließlich eines Stocks von seinem Leid.
Das Internet hat sich zurückgezogen in die weit entfernten Galaxien der wirklichen Welt. Wir hier im ersten der daoistischen Wunderländer unter dem Himmel leben in einer anderen Zeit. Auch wenn es längst schon über den go-to-bed-Punkt hinaus ist, an Schlaf ist nicht zu denken. Draußen ist es mondhell, warm (im Zimmer auch) und die Jungs üben seit Stunden die Choreografien der Performance, dazu läuft immer und immer wieder die gleiche Musik aus den schrankgroßen Boxen, Zhen Wu, im höchsten der höchsten Himmel, lächelt milde dazu.
Ansonsten verlief der Nachmittag wenig ereignisreich. Das "Striss"-Programm, Dehnübungen, fand bei dem guten Wetter draußen statt (tut mir für dich leid, Lilo). Ich weiß nicht wie das gehen soll: selbst wenn ich ein Bein ganz strecken könnte, wenn ich dabei mit einer Hand die Ferse umfassen soll, sind meine Arme dazu nicht lang genug.
Zum ersten Mal bei der Meditation nicht eingeschlafen, weil ich davor ne halbe Stunde genickt habe.
(das Internet ist wieder da)
Nach der Meditation stellte ich dann überraschend fest, aus der Leitung kommt heißes Wasser. So schnell war ich noch nie aus den Kleidern und dann konnte ich richtig ausgiebig und richtig heiß duschen. Zum Glück hatte ich schon vor zwei Tagen das Geheimnis des Abflusses gelöst.
Man hat hier, wie es modern ist, keine Duschwanne, sondern einen zur Mitte hin abschüssigen Boden, wo sich dann ein Abfluss befindet. Dennoch steht im Nu das Bad kniehoch unter Wasser. Ich werde nun versuchen in gewählten Worten dem geneigten Leser die Konstruktion zu erklären:
Zuoberst haben wir jenen Teller mit den Löchern, durch die das Wasser fließen soll. Man könnte es auch ein Sieb nennen. Unter diesem Sieb befindet sich in unserem Falle an einem kleinen, zentral befestigten Stift eine kleine Glocke oder umgekehrte Schüssel. Diese sitzt abschließend über dem Abflussrohr. Das Wasser kann also nicht in den Abfluss gelangen. Ich würde mich gerne einmal mit dem Menschen unterhalten, der diese Konstruktion gefertigt hat. Nach zweimaligem Lesen kommt mir das immer noch schwer verständlich vor, weswegen ich die kleine Zeichnung angefertigt habe, in der Hoffnung, damit deutlicher zu werden.
Da Geli heute wieder nach Hause fährt, hab ich mir den Vormittag frei genommen und bin mit ihr rauf zum alten Zhang, dem Bienen Daoist in der Taizitong, der Höhle des Prinzen. Der Alte war heute wenig gesprächig, wohl weil er drei Schüler da sitzen hatte, denen er irgendetwas erklärte. Erst dachte ich "Yijing" aber es muss sich um was anderes gehandelt haben.
Auf dem Rückweg konnten wir dann den Kampf Frettchen gegen Ratte beobachten. Die beiden wurden leider in der Vollendung ihres Dao durch ein Fahrzeug gestört, dessen Fahrer die Zeremonie aus nächster Nähe handygraphieren wollte. So floh das Frettchen in die Büsche und die Ratte blieb schwer verletzt auf der Straße liegen. Eine Straßenfegerin, die mit einem munteren Lied auf den Lippen des Weges kam, erlöste das Tier mit mehreren Schlägen ihres Besens und schließlich eines Stocks von seinem Leid.
Das Internet hat sich zurückgezogen in die weit entfernten Galaxien der wirklichen Welt. Wir hier im ersten der daoistischen Wunderländer unter dem Himmel leben in einer anderen Zeit. Auch wenn es längst schon über den go-to-bed-Punkt hinaus ist, an Schlaf ist nicht zu denken. Draußen ist es mondhell, warm (im Zimmer auch) und die Jungs üben seit Stunden die Choreografien der Performance, dazu läuft immer und immer wieder die gleiche Musik aus den schrankgroßen Boxen, Zhen Wu, im höchsten der höchsten Himmel, lächelt milde dazu.
Ansonsten verlief der Nachmittag wenig ereignisreich. Das "Striss"-Programm, Dehnübungen, fand bei dem guten Wetter draußen statt (tut mir für dich leid, Lilo). Ich weiß nicht wie das gehen soll: selbst wenn ich ein Bein ganz strecken könnte, wenn ich dabei mit einer Hand die Ferse umfassen soll, sind meine Arme dazu nicht lang genug.
Zum ersten Mal bei der Meditation nicht eingeschlafen, weil ich davor ne halbe Stunde genickt habe.
(das Internet ist wieder da)
12.10.2008
Yürgen, Wudang 12.10.08
Die Sonne scheint!
Viktoria ist natürlich etwas sauer, da sie morgen abreist, aber natürlich kann sie sich auch für heute freuen und immerhin wird das ihr letzter Eindruck von Wudangshan sein.
Es gibt noch eine Episode nachzutragen:
Wir hatten verabredet, am Dienstag um 10 Uhr in Xiangfan abgeholt zu werden. Also saßen wir erwartungsvoll nach dem ersten richtig chinesischen Frühstück in der Hotelhalle rum und warteten. Als um 11:00 Uhr noch niemand aufgetaucht war, schaltete ich dann doch mal mein Handy ein und siehe da, eine sms von Lilo. Oha! wir sollten unbedingt bei ihr anrufen sobald wir in Xiangfan angekommen seien. Das war gestern.
Sofort die Nummer gewählt, sogar Anschluß und Lilo anscheinend erleichtert:"Ja wo steckt ihr denn?" Na was hatte sie denn erwartet? Jetzt klärte sich, verständlicherweise wollte man in Wudang erst abfahren zur Abholung, wenn sicher sei, die abzuholenden Personen seine auch dort. "Ja, wir sind hier, wir warten, bis bald."
Wir hatten demnach noch mindesten zwei Stunden Zeit und konnten auf einen Erkundungsstreifzug durch die nähere Nachbarschaft ziehen. Ein Markt für Schuhe, alles Markenartikel für kleines Geld. Ein Lebensmittelmarkt im nächsten Hof, eine wunderschöne Kalligrafie an einer Hauswand, sozusagen direkt über den Mülltonnen; China eben.
Nach zwei Stunden waren wir wieder zurück: 13:00 Uhr. 14:00 Uhr. 15:00 Uhr Anfrage bei Lilo, ja die sind abgefahren. Mehrere Versuche, Grace auf ihrem Handy zu erreichen; erfolglos. 16:00 Uhr Katastrophenphantasien! Nochmal Lilo angerufen, Panik geschoben. Eine junge Frau mit Handy am Ohr betritt die Hotellobby:" Yes I can see him now." Das muss Grace sein, es ist Grace, aber inzwischen war Geli auf die Idee gekommen, sich den Bahnhof mal anzusehen. Hatte extra ihr Handy mitgenommen, aber ich bekomme keinen Anschluß. Laufe rüber. Du kommst in einen chinesischen Bahnhof nur rein, wenn du eine Fahrkarte hast, aber Geli hat es geschafft, ohne ein Wort Chinesisch zu können, zu erklären, dass sie sich das Gebäude mal gerne anschauen wolle. Ich sehe sie da drinnen und dem Himmel sei Dank bewegt sie sich Richtung Ausgang. Die Fahrt kann endlich losgehen.
Wir kommen gerade rechtzeitig in Wudangshan an, um mit dem letzten Bus noch hoch zu fahren. Es ist nicht mehr genug Zeit, statt dem einfachen Ticket ein 1Jahresticket zu kaufen. Will Grace dann am nächsten Tag für uns erledigen.
Hat sie dann aber vergessen. "Sorry, I forget." Inzwischen wissen wir, dass es sich dabei um ihre Lieblingsfloskel handelt. Nach drei Tagen erklärt sie uns, wir müssten selbst runterfahren, denn inzwischen (wahrscheinlich extra für uns) wird ein Foto in das Ticket eingescannt.
Dann meint der Wachhabende am Drehkreuz auch noch, nachdem er sich sehr lange und aufmerksam diese merkwürdigen Tickets mit Foto angeschaut hat, wir sind anscheinend die ersten mit dieser Neuerung, wir müssten aber auch noch mal neuen Eintritt zahlen, denn wir hätten nun das Gelände verlassen und würden mit dem Jahresticket (was eigentlich nur eine Erweiterung des eigentlichen Tickets ist) quasi neu einreisen. So ginge das aber nicht.
Ich habe es geschafft, ganz ruhig und unaufgeregt zu erklären, dass es am Einreisetag zu spät gewesen sei für das Prozedere. Wir dürfen passieren und kommen zu spät zum Training. Freundliche Ermahnung von Shifu Guan, immer Bescheid zu sagen wohin man gehe / fahre / reise und wann man gedenke zurück zu sein. Wird alles ins Klassenbuch eingetragen. Ordnung muss sein im Chaos.
Das Vormittagstraining im Tempel wurde wieder einmal von einer Videokamera irgendeines der vielen chinesischen Fernsehgesellschaften bestimmt. Sowas läuft wahrscheinlich unter Pleiten Pech und Pannen. Wie Langnasen Wushu spielen.
Für den Nachmittag wurde dann folgendes Programm bekannt gegeben: halbe Stunde Fußball, dann gehen wir irgendwo hin, wenn ichs richtig verstanden habe zu den Gräbern rechts vom Zixiaogong meditieren und dann Training.
Soeben wurde mein Zimmer aufgemöbelt. Erst brachten die Jungs einen langen, niedrigen Tisch, den sie vors Fenster stellten, dann den dazugehörigen Hocker, auf den Tisch. Den hab ich natürlich gleich runter genommen, wurde aber sofort eines Besseren belehrt. Man setzt sich auf den Tisch und der Hocker auf dem Tisch ist der richtige Tisch. Per Gestik die Erklärung der Funktion. Drauf sitzen, trinken und die Landschaft genießen.
Also wir sind an den Gräbern vorbeigezogen ein Trampelpfad durch den Wald. Irgendwo in dieser Wildnis musste der Meister mit einigen der chinesischen Schülern unbedingt unreife Kiwis ernten, die an alle verteilt wurden. Anschließend gings noch ein Stück weiter, auf einen Felsen hochgeklettert und Landschaft genießen. Ich hab da mal nichts gesagt, dass ich das auch von meinem neuen Tisch vorm Fenster auch kann und der Anblick war auch wirklich grandios.
Zurück und rein in den Tempel - vorher unbedingt die Hosen sauber machen - ach guckt mal, da ist gerade Kungfu Show. Der Nachwuchs zeigte dem erlauchten Publikum, was er demnächst alles noch besser kann. Aber holla - der nächste Auftritt Großmeister Guan Yongxin zeigt,ich vermute, die Sanfeng Shiba Taiji_Form.
So und nun geh ich zu meinem Meditationsnickerchen. Ich sitz ja gerne, aber nach so einem Tag, ob Training oder Wandertag, da bin müde. Zu müde, um mit geschlossenen Augen wach zu bleiben.
Bis morgen
Viktoria ist natürlich etwas sauer, da sie morgen abreist, aber natürlich kann sie sich auch für heute freuen und immerhin wird das ihr letzter Eindruck von Wudangshan sein.
Es gibt noch eine Episode nachzutragen:
Wir hatten verabredet, am Dienstag um 10 Uhr in Xiangfan abgeholt zu werden. Also saßen wir erwartungsvoll nach dem ersten richtig chinesischen Frühstück in der Hotelhalle rum und warteten. Als um 11:00 Uhr noch niemand aufgetaucht war, schaltete ich dann doch mal mein Handy ein und siehe da, eine sms von Lilo. Oha! wir sollten unbedingt bei ihr anrufen sobald wir in Xiangfan angekommen seien. Das war gestern.
Sofort die Nummer gewählt, sogar Anschluß und Lilo anscheinend erleichtert:"Ja wo steckt ihr denn?" Na was hatte sie denn erwartet? Jetzt klärte sich, verständlicherweise wollte man in Wudang erst abfahren zur Abholung, wenn sicher sei, die abzuholenden Personen seine auch dort. "Ja, wir sind hier, wir warten, bis bald."
Wir hatten demnach noch mindesten zwei Stunden Zeit und konnten auf einen Erkundungsstreifzug durch die nähere Nachbarschaft ziehen. Ein Markt für Schuhe, alles Markenartikel für kleines Geld. Ein Lebensmittelmarkt im nächsten Hof, eine wunderschöne Kalligrafie an einer Hauswand, sozusagen direkt über den Mülltonnen; China eben.
Nach zwei Stunden waren wir wieder zurück: 13:00 Uhr. 14:00 Uhr. 15:00 Uhr Anfrage bei Lilo, ja die sind abgefahren. Mehrere Versuche, Grace auf ihrem Handy zu erreichen; erfolglos. 16:00 Uhr Katastrophenphantasien! Nochmal Lilo angerufen, Panik geschoben. Eine junge Frau mit Handy am Ohr betritt die Hotellobby:" Yes I can see him now." Das muss Grace sein, es ist Grace, aber inzwischen war Geli auf die Idee gekommen, sich den Bahnhof mal anzusehen. Hatte extra ihr Handy mitgenommen, aber ich bekomme keinen Anschluß. Laufe rüber. Du kommst in einen chinesischen Bahnhof nur rein, wenn du eine Fahrkarte hast, aber Geli hat es geschafft, ohne ein Wort Chinesisch zu können, zu erklären, dass sie sich das Gebäude mal gerne anschauen wolle. Ich sehe sie da drinnen und dem Himmel sei Dank bewegt sie sich Richtung Ausgang. Die Fahrt kann endlich losgehen.
Wir kommen gerade rechtzeitig in Wudangshan an, um mit dem letzten Bus noch hoch zu fahren. Es ist nicht mehr genug Zeit, statt dem einfachen Ticket ein 1Jahresticket zu kaufen. Will Grace dann am nächsten Tag für uns erledigen.
Hat sie dann aber vergessen. "Sorry, I forget." Inzwischen wissen wir, dass es sich dabei um ihre Lieblingsfloskel handelt. Nach drei Tagen erklärt sie uns, wir müssten selbst runterfahren, denn inzwischen (wahrscheinlich extra für uns) wird ein Foto in das Ticket eingescannt.
Dann meint der Wachhabende am Drehkreuz auch noch, nachdem er sich sehr lange und aufmerksam diese merkwürdigen Tickets mit Foto angeschaut hat, wir sind anscheinend die ersten mit dieser Neuerung, wir müssten aber auch noch mal neuen Eintritt zahlen, denn wir hätten nun das Gelände verlassen und würden mit dem Jahresticket (was eigentlich nur eine Erweiterung des eigentlichen Tickets ist) quasi neu einreisen. So ginge das aber nicht.
Ich habe es geschafft, ganz ruhig und unaufgeregt zu erklären, dass es am Einreisetag zu spät gewesen sei für das Prozedere. Wir dürfen passieren und kommen zu spät zum Training. Freundliche Ermahnung von Shifu Guan, immer Bescheid zu sagen wohin man gehe / fahre / reise und wann man gedenke zurück zu sein. Wird alles ins Klassenbuch eingetragen. Ordnung muss sein im Chaos.
Das Vormittagstraining im Tempel wurde wieder einmal von einer Videokamera irgendeines der vielen chinesischen Fernsehgesellschaften bestimmt. Sowas läuft wahrscheinlich unter Pleiten Pech und Pannen. Wie Langnasen Wushu spielen.
Für den Nachmittag wurde dann folgendes Programm bekannt gegeben: halbe Stunde Fußball, dann gehen wir irgendwo hin, wenn ichs richtig verstanden habe zu den Gräbern rechts vom Zixiaogong meditieren und dann Training.
Soeben wurde mein Zimmer aufgemöbelt. Erst brachten die Jungs einen langen, niedrigen Tisch, den sie vors Fenster stellten, dann den dazugehörigen Hocker, auf den Tisch. Den hab ich natürlich gleich runter genommen, wurde aber sofort eines Besseren belehrt. Man setzt sich auf den Tisch und der Hocker auf dem Tisch ist der richtige Tisch. Per Gestik die Erklärung der Funktion. Drauf sitzen, trinken und die Landschaft genießen.
Also wir sind an den Gräbern vorbeigezogen ein Trampelpfad durch den Wald. Irgendwo in dieser Wildnis musste der Meister mit einigen der chinesischen Schülern unbedingt unreife Kiwis ernten, die an alle verteilt wurden. Anschließend gings noch ein Stück weiter, auf einen Felsen hochgeklettert und Landschaft genießen. Ich hab da mal nichts gesagt, dass ich das auch von meinem neuen Tisch vorm Fenster auch kann und der Anblick war auch wirklich grandios.
Zurück und rein in den Tempel - vorher unbedingt die Hosen sauber machen - ach guckt mal, da ist gerade Kungfu Show. Der Nachwuchs zeigte dem erlauchten Publikum, was er demnächst alles noch besser kann. Aber holla - der nächste Auftritt Großmeister Guan Yongxin zeigt,ich vermute, die Sanfeng Shiba Taiji_Form.
So und nun geh ich zu meinem Meditationsnickerchen. Ich sitz ja gerne, aber nach so einem Tag, ob Training oder Wandertag, da bin müde. Zu müde, um mit geschlossenen Augen wach zu bleiben.
Bis morgen
11.10.2008
Yürgen in Wudangshan
11.10.08
also gut, dann übernehme ich ab heute und ich werde einen Deibel tun und versuchen, Lilos genialen Schreibstil zu kopieren. Da verweise ich doch lieber an Bettina, die als "Warrior Woman" derzeit einen Park in Shanghai unsicher macht und sauber darüber berichtet, gelegentlich ablästert.
Meine Hoffnung, nach Lilos Abreise würde sich das Wetter bessern, wurde enttäuscht. Dass es aber schon Mitte Oktober Schnee geben könnte... nicht in diesem Jahr, es ist viel zu warm - draußen - wenn man trainiert!
Drinnen, in diesen wunderschön hergerichteten Zimmern, wirklich, es sieht edel aus (ist es aber nicht, denn an jeder Ecke sieht man den Pfusch und in Deutschland bekämen die Handwerker nicht einen Cent- aber bin ich hier von der Bauaufsicht? Nein!) drinnen ist es immer kühl bis kalt. So wie das Wasser. Eben war ich wieder einmal dieser haptischen Täuschung erlegen. Finger unters kalte, fließende Wasser gehalten und als es zwei Grad wärmer wurde, geglaubt, es wäre schon heiß und wollte mich unter die Dusche stellen. Das kam dann einem Kneippschen Guss näher, aber einmal nass, hab ich mich dann auch gewaschen.
So eine Täuschung gibt es hier auch als Tee. Ein bitter schmeckender Wildtee, der angeblich nur in den Wudangbergen wächst, lässt pures Wasser nach seinem Genuss süss schmecken. Jeder ist überrascht, wie sehr süss.
Gut, zum Programm. Ich bin diesmal hergekommen, um nichts neues zu lernen. Ich möchte nur alles bisher gelernte überprüfen und verbessern lassen. Nun bekomme ich äußerst spärliche Korrekturen in meinem täglichen Formsegment, welches ich dann zwanzig Mal wiederholen darf. Falls dahinter System steckt um mich an eine neue Form zu locken, muss ich passen. Kein Bedarf. Dann hab ich eben neben den elenden Kicks und Dehnungen eine ruhige und entspannende Zeit hier. Kann ich brauchen.
Abends, hat der Chef beschlossen, gibt's seit gestern Meditation. Dazu werden in dem von Lilo schon zur Genüge beschriebenen Ballsaal dicke Turnmatten ausgelegt. Man muss eben nicht auf dem kalten Boden hocken. Dann gibt es ein paar kurze Vorübungen und dann mindestens halbe Stunde sitzen, dann kann, wer will, gehen. Da ich gestern ohne Kissen auf meinen Sitzhöckern balancierend immer wieder in eine leichte Schlaftrance fiel, aus der ich dann ruckartig erwachte, war esbei mir auch mit einer halben Stunde gut. Der Meister thronte auf dem restlichen Mattenhaufen gut ein Meter über dem Erdboden in tiefer Versenkung. Auch noch nach einer Stunde, habe ich mir sagen lassen.
Gute Nacht.
also gut, dann übernehme ich ab heute und ich werde einen Deibel tun und versuchen, Lilos genialen Schreibstil zu kopieren. Da verweise ich doch lieber an Bettina, die als "Warrior Woman" derzeit einen Park in Shanghai unsicher macht und sauber darüber berichtet, gelegentlich ablästert.
Meine Hoffnung, nach Lilos Abreise würde sich das Wetter bessern, wurde enttäuscht. Dass es aber schon Mitte Oktober Schnee geben könnte... nicht in diesem Jahr, es ist viel zu warm - draußen - wenn man trainiert!
Drinnen, in diesen wunderschön hergerichteten Zimmern, wirklich, es sieht edel aus (ist es aber nicht, denn an jeder Ecke sieht man den Pfusch und in Deutschland bekämen die Handwerker nicht einen Cent- aber bin ich hier von der Bauaufsicht? Nein!) drinnen ist es immer kühl bis kalt. So wie das Wasser. Eben war ich wieder einmal dieser haptischen Täuschung erlegen. Finger unters kalte, fließende Wasser gehalten und als es zwei Grad wärmer wurde, geglaubt, es wäre schon heiß und wollte mich unter die Dusche stellen. Das kam dann einem Kneippschen Guss näher, aber einmal nass, hab ich mich dann auch gewaschen.
So eine Täuschung gibt es hier auch als Tee. Ein bitter schmeckender Wildtee, der angeblich nur in den Wudangbergen wächst, lässt pures Wasser nach seinem Genuss süss schmecken. Jeder ist überrascht, wie sehr süss.
Gut, zum Programm. Ich bin diesmal hergekommen, um nichts neues zu lernen. Ich möchte nur alles bisher gelernte überprüfen und verbessern lassen. Nun bekomme ich äußerst spärliche Korrekturen in meinem täglichen Formsegment, welches ich dann zwanzig Mal wiederholen darf. Falls dahinter System steckt um mich an eine neue Form zu locken, muss ich passen. Kein Bedarf. Dann hab ich eben neben den elenden Kicks und Dehnungen eine ruhige und entspannende Zeit hier. Kann ich brauchen.
Abends, hat der Chef beschlossen, gibt's seit gestern Meditation. Dazu werden in dem von Lilo schon zur Genüge beschriebenen Ballsaal dicke Turnmatten ausgelegt. Man muss eben nicht auf dem kalten Boden hocken. Dann gibt es ein paar kurze Vorübungen und dann mindestens halbe Stunde sitzen, dann kann, wer will, gehen. Da ich gestern ohne Kissen auf meinen Sitzhöckern balancierend immer wieder in eine leichte Schlaftrance fiel, aus der ich dann ruckartig erwachte, war esbei mir auch mit einer halben Stunde gut. Der Meister thronte auf dem restlichen Mattenhaufen gut ein Meter über dem Erdboden in tiefer Versenkung. Auch noch nach einer Stunde, habe ich mir sagen lassen.
Gute Nacht.
Lilo in Wudangshan, die Letzte
06.10.08
Obwohl wir im Moment wunderbares ruhiges Herbstwetter haben und ich morgens mit einem fantastischen Blick in die Berge erfreut werde, ist doch nicht zu leugnen, dass der Winter nicht mehr weit ist. Hier kann es bereits Mitte Oktober den ersten Schnee geben. Hoffentlich erst, wenn ich weg bin, denn darauf bin ich nun wirklich nicht eingestellt und Youkis Winterkleidung
dürften mir beim besten Willen nicht passen (die Kekse...). Morgens ist es so empfindlich frisch, dass ich meine Tracht gerne noch mit einer Weste und einer Jacke versehe, was der strenge Meister nicht gern sieht. Gefällt ihm gar nicht. Wir sollen alle schön einheitlich rumlaufen und er läuft ja auch bei jedem Wetter immer nur im weißen Kostüm mit T-Shirt drunter herum. Ich habe ihn tatsächlich noch nie mit Jacke gesehen. Seine Mitspieler tragen wenigstens hin und wieder mal eine schwarze Jacke - auch das Einheitskluft der Schule - legen die aber sofort ab, wenn es richtig losgeht. In einem unbeobachteten Moment frage ich Zhang Zen, ob ihm das nichts ausmacht, bei der Kälte mit den dünnen Klamotten. Er grinst, blickt sich kurz um, dann zeigt er mir sein Geheimnis: nix Qi - Ski-Unterwäsche ist sein Geheimnis!
Während wir unbedarften Schüler uns bei Kälte also einfach warm anziehen, steht der wetterfeste Meister vor uns, seine Verachtung für uns Weicheier nur sehr schlecht verbergend. Wir üben halt noch.
Nachmittags ist es meist schon viel kuscheliger, da kommen wir dann schon ordentlich gewandet, besonders wenn ein Tempelbesuch in Aussicht steht. Im Moment sind die Feierlichkeiten zu Ehren von Zheng Wus Geburtstag in vollem Gange. Da wollen wir natürlich die Innung nicht blamieren.
Heute Abend fehlte Guan beim Abendtraining. Wichtige Geschäfte? Nein, liegtim Bett, erkältet hat er sich, der Ärmste! Da wünschen wir doch gute Besserung und empfehlen, sich waaaarm anzuziehen.
Nach dem Training begegnet mir Grace im Treppenhaus, offensichtlich aus der Gemeinschaftsdusche kommend, mit allerliebstem Duschhäubchen auf dem Kopf, Häschenpantoffeln und rosanem Pyjama. Routinemäßig lasse ich sie auch heute wieder wissen, dass meine Dusche nicht funktioniert. Routinemäßig antwortet sie mir, dass die Duschen nur abends heißes Wasser abgeben. Routinemäßig sage ich ihr, dass nicht nur abends kein heißes Wasser geht, sondern vielmehr den lieben langen Tag gar keins. Sie verspricht mir, sich das anzukucken. Das tut sie jeden Tag. Wir sind ein eingespieltes Team.
Über solche Petitessen rege ich mich ja gar nicht auf, ich hause hier um ein vielfaches besser, als ich je zu hoffen gewagt hatte. Eine innere Stimme - wohl von Erfahrung geprägt - hatte mich sofort bei Einzug aufgefordert, mir eine Waschschüssel und einen Wasserkocher zu besorgen. Und so wasche ich mittags meine Haare und morgens mich, und wenn ich selbst gerade mal gar kein Wasser habe, dann wird halt bei den Nachbarn welches besorgt - als Viktorias Dusche noch nicht funktionierte, aber meine dafür noch, hatte ich ihr Dusch-Asyl gewährt - wir sind doch alle eine große Familie.
Im Prinzip funktioniert ja alles ...na ja, "bestens" ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck...vielleicht eher: "erwartungsgemäß"? Es sind ja immerhin eine ganze Menge Baustellen aufgemacht worden und es musste vielleicht manches doch etwas schneller gehen als es gut war. Öfter stehen die Versorgungsschächte offen, weil irgendwelche Arbeiten durchgeführt werden müssen (kein Wasser, kein Strom, kein beides...) und ich werfe dann da schon so manchen besorgten Blick hinein. Vielleicht ist einfach alles noch nicht so ganz im Einklang, so "yin-yang-mäßig". Aber bei der Umgebung wird das bestimmt von ganz allein...
07.10.08
Eigentlich ist ja heute der 09.09. nach dem chinesischen Mondkalender. Zheng Wus Geburtstag. Nun zeigt sich, warum wir in den letzten Tagen so intensiv Konfirmanden-Unterricht erhalten haben. Um 8.30 h zieht die gesamte Schülerschar Richtung Zixiaogong, auf dem Weg dorthin noch schnell bei Frau Qu Halt gemacht und ihre Bestände an Räucherwerk und Knallmaterial
aufgekauft. Vor Einzug in den Tempel werden erst einmal die Kracher gezündet, so zur Einstimmung, dann vor jedem Räucherofen Halt gemacht und Räucherstäbchen - oder besser Stäbe - angezündet und Geisterpapier abgefackelt. Vor dem Haupttempel von Zheng Wu dann große Aufstellung, die Erwachsenen in einer Dreierreihe in der Mitte, links und rechts davon die Kleinen. Zhangzen und Guan stehen vorn und fordern neben zwei anderen aus meiner Klasse auch mich auf, einen Räucherstab zu entzünden und zu opfern. Ich fühle mich geehrt und als alle Schüler dann hinterher noch ihren Kotau machen, bin ich doch sehr dankbar, dass diese Zeremonie durch den Unterricht der letzten Tage nicht mehr rein gymnastischen Charakter hat.
Ich habe zwar immer ein etwas befremdetes Gefühl, wenn Menschen unseres Kulturkreises sich eine fremde, möglichst exotische Religion aufpappen, allerdings fühle ich mich von der daoistischen Philosophie und dem Leben hier im Kloster einfach angesprochen, auch wenn ich weit davon entfernt bin, wirklich etwas zu verstehen. Aber jede Reise beginnt ja bekanntlich mit einem ersten Schritt und es spricht auch für das freundliche Wesen der Menschen hier, mich, die Fremde, ohne große Fragen bei dem Fest mit einzubeziehen und teilhaben zu lassen, ohne sich zu fragen, ob ich dessen überhaupt würdig bin, die erforderlichen Reifeprüfungen abgelegt habe und Kirchensteuer bezahle.
Guan blüht regelrecht auf, wenn er spürt, dass seine Schüler nicht nur aus sportlichen Gründen hierherkommen, sondern auch Fragen über die Hintergründe stellen. Und das tun Dennis und ich sehr gern. Ich bin gottfroh, dass endlich jemand da ist, der - wenn auch nur in's Englische - übersetzen kann, damit Guans Ausführungen nicht völlig versanden. Wäre schade, denn er weiß
wirklich sehr viel. Sobald er anfängt zu erzählen, bildet sich eine interessiert Menschentraube im Tempel um ihn, weil er mit soviel Feuer berichtet, dass man kaum weitergehen kann. Das motiviert mich ganz gewaltig, meine chinesischen Sprachkenntnisse doch mal über das "Ich-Tarzan-Du-Jane"-Niveau herauszubringen. Für meine täglichen Geplänkel
mit Frau Qu reicht es zwar, für eine Unterhaltung, die über die Feststellung "schönes Wetter heute" hinausgeht, aber leider nicht. Ich kann zwar so "MaMa-HuHu" lesen und schreiben (besonders, wenn ich meinen Rechner mit Internet im Hintergrund habe...), aber reden und verstehen...na ja...
Guan hatte mir einen Zettel in die Hand gedrückt, in dem meine Schwertform in Pinyin und Wunglish aufgeschrieben steht. Da ich damit so gut wie gar nichts anfangen kann, habe ich ihn um die Liste in Schriftzeichen gebeten. Sein skeptischer Blick hat mich dazu gebracht, das ganze mit Feuereifer zu übersetzen (und dabei noch ein paar Fehler in allen Sprachen (!) auszumerzen). Die Datei habe ich ihm dann zügig übermittelt. Das fand er ganz klasse und hat das dann auch den Mitschülern weitergetratscht. Und hatte auch gleich eine Idee: jeder soll doch bitte seinen Lernzettel in seine Landessprache übersetzen! Totenstille. Manche haben Formen mit 108 Bewegungen. Und mehr. Meine hatte gerade mal 36. Und ich habe alle möglichen kleinen elektronischen Helferlein. Ohne das, nur mit Wörterbuch, stelle ich mir so eine Übersetzung ganz schön aufwändig vor. Egal, die Vorlage steht. Habe ich da ein gezischtes "deutsche Streberin" gehört?...nein, kann nicht sein, auf englisch gibt es ja gar kein "Streberin"...
09.10.08
Nun sitze ich hier auf dem gastlichen Flughafen zu Xiangfan - die endlich renovierten Toiletten heben den Level kaum - und warte auf meinen Flug nach Beijing. Ein letztes Mal gut chinesisch essen. Wie am Anfang meiner Reise bestelle mich mein Lieblings-Standardgericht, scharfe Nudelsuppe mit Rindfleisch. Das bestelle ich immer, weil ich es einigermaßen aussprechen
kann. Dann übergießt mich die Bedienung immer mit einem Wortschwall, schaut mich irgendwann erwartungsvoll an, ich sage dann "ja" und harre der Dinge, die da kommen. Eigentlich immer etwas anderes, gelegentlich scharfe Nudelsuppe mit Rindfleisch, auf jeden Fall immer lecker. Meine chinesischen Sprachkenntnisse haben sich leider nicht wesentlich verbessert, allein die Dialoge mit den Elfen zwecks Öffnung meiner defekten Tür und Erbetteln von Klopapier liefen am Ende recht geschmeidig. Mein Chinesisch-Buch habe ich in der ganzen Zeit nur ein einziges Mal in die Hand genommen, nämlich als ich
es zwecks Umzug eingepackt habe. Allerdings habe ich etwas viel wertvolleres gelernt: ein wenig "International" zu sprechen. So schlägt sich meine Freundin Elli schon seit vielen Jahren bar jeder fundierter Fremdsprachenkenntnisse durch die Welt und genießt dafür meine uneingeschränkte Bewunderung. Nach einem Monat Babylon glaube ich, ich habe zumindest die Ansätze dieser Kunst verstanden.
Die letzten Tage waren ziemlich lebhaft, auch wenn es wenig berichtenswertes hierüber gibt. Am Dienstag sind meine Freunde Yürgen und Gerlinde nach einigen Irrungen und Wirrungen endlich eingetroffen, da gab es natürlich erst einmal viel zu erzählen. Bestimmt ein merkwürdiges Gefühl, wenn man Leute aus Geschichten kennt und diese dann persönlich kennen lernt. Wie menschgewordene Romanfiguren. Nun können die beiden vor Ort feststellen, ob meine Beschreibungen von Aziz und Youki, Jen und Simon, Tanja, Viktoria und Dennis zutreffend sind. Guan und Zhong kennt ja jeder. Gestern sind alle außer Viktoria, Dennis und Tanja nach Shiyan zum shoppen gereist. Da wir uns auf dem Berg wieder einmal auf zwei Tage Stromausfall freuen dürfen, werden sie dort auch bleiben. Recht haben sie. So erspare ich mir große Abschiedsszenen und da bin ich auch heilfroh drum. In den letzten Wochen sind sie mir doch alle sehr ans Herz gewachsen, jeder auf seine eigene, manchmal etwas schräge Art. Aber leicht schräg bin ich unbestätigten Gerüchten zufolge ja selbst.
Gestern hatten Jen und ich noch ein bisschen Aufregung. Jen kam morgens leichenblass zu mir: ein Fernsehteam würde kommen und Guan habe sie dazu verdonnert, eine der Hauptrollen zu spielen. Und ich die Zweite. Prima. Von meinem Ärger darüber, dass Guan es nicht für nötig befunden hat, mir auch mal etwas zu sagen, einmal abgesehen, bleibe ich relativ locker. Ist mir doch egal, ob sich ein Millionenpublikum mein ungelenkes Schwert-Gestochere anschaut: hier kennt mich doch kein Mensch. Da finde ich das allmittwöchliche Vortunen vor meiner Klasse viel unangenehmer - die haben zumindest eine Ahnung von dem, was ich eigentlich tun sollte. Nach meiner Abschiedsvorstellung vor meiner Klasse geht's also im Eiltempo mit Jen und Guan zum Tempel, Yürgen, der unbedachterweise Tracht angelegt hat, um umsonst rein zu kommen, wird gleich mit verhaftet, wir zeigen den Fernsehleuten was wir können und jetzt weiß die ganze Welt (zumindest die chinesische, wenigstens die der Provinz Hubei), dass es da auf dem Wudang Shan einen Purpurwolkentempel gibt, wo auch Ausländer in merkwürdigen
Kleidern merkwürdige Bewegungen, von denen sie behaupten, es wäre Taiji, machen dürfen.
Ein Monat Trainingslager...bin ich froh, dass es vorbei ist und ich wieder heim zu warmer Dusche, genießbarem Bier und verlässlicher Stromversorgung komme? Eigentlich habe ich den Komfort nicht wirklich vermisst. Ich habe soviel bekommen, dass ich mir über einen möglichen Mangel überhaupt keine Gedanken gemacht habe. Natürlich gab es Momente, wo ich frierend in meinem klammen, kalten Zimmer versucht habe, meine gelegentlich leicht überlasteten Muskeln und Sehnen wieder schmerzfrei zu bekommen und mich dann schon gefragt habe, warum ich mir das antue. Momente, in denen der Wunsch nach
einer heißen Badewanne mit einem Glas Rotwein in der Hand, vielleicht leiser Musik im Hintergrund fast übermächtig wurde. Auf der anderen Seite hat dieser kleine Ausstieg aus dem Alltag, der mir jetzt in meiner Vorstellung
hier auf dem Flughafen von Xiangfan absolut unwirklich vorkommt, viele Dinge wieder in's rechte Licht gerückt. Fragen, was denn tatsächlich so wichtig ist, dass ich auf keinen Fall darauf verzichten möchte, haben neue Antworten gefunden. Eine wichtige Antwort jedenfalls: in dem alten Knochensack steckt noch jede Menge Leben!
Als Guan und Zhong sich verabschiedet haben, war die Frage nicht, ob ich wiederkomme, sondern ganz selbstverständlich nur, wann. Und da haben sie völlig Recht. Auf Wiedersehen, Wudang Shan!
...und wenn ihr wollt, koennt ihr euch auch naechstes Jahr wieder einklinken
bei "Neues aus Wudang Shan"
viele Gruesse
Lilo

Obwohl wir im Moment wunderbares ruhiges Herbstwetter haben und ich morgens mit einem fantastischen Blick in die Berge erfreut werde, ist doch nicht zu leugnen, dass der Winter nicht mehr weit ist. Hier kann es bereits Mitte Oktober den ersten Schnee geben. Hoffentlich erst, wenn ich weg bin, denn darauf bin ich nun wirklich nicht eingestellt und Youkis Winterkleidung
dürften mir beim besten Willen nicht passen (die Kekse...). Morgens ist es so empfindlich frisch, dass ich meine Tracht gerne noch mit einer Weste und einer Jacke versehe, was der strenge Meister nicht gern sieht. Gefällt ihm gar nicht. Wir sollen alle schön einheitlich rumlaufen und er läuft ja auch bei jedem Wetter immer nur im weißen Kostüm mit T-Shirt drunter herum. Ich habe ihn tatsächlich noch nie mit Jacke gesehen. Seine Mitspieler tragen wenigstens hin und wieder mal eine schwarze Jacke - auch das Einheitskluft der Schule - legen die aber sofort ab, wenn es richtig losgeht. In einem unbeobachteten Moment frage ich Zhang Zen, ob ihm das nichts ausmacht, bei der Kälte mit den dünnen Klamotten. Er grinst, blickt sich kurz um, dann zeigt er mir sein Geheimnis: nix Qi - Ski-Unterwäsche ist sein Geheimnis!
Während wir unbedarften Schüler uns bei Kälte also einfach warm anziehen, steht der wetterfeste Meister vor uns, seine Verachtung für uns Weicheier nur sehr schlecht verbergend. Wir üben halt noch.
Nachmittags ist es meist schon viel kuscheliger, da kommen wir dann schon ordentlich gewandet, besonders wenn ein Tempelbesuch in Aussicht steht. Im Moment sind die Feierlichkeiten zu Ehren von Zheng Wus Geburtstag in vollem Gange. Da wollen wir natürlich die Innung nicht blamieren.
Heute Abend fehlte Guan beim Abendtraining. Wichtige Geschäfte? Nein, liegtim Bett, erkältet hat er sich, der Ärmste! Da wünschen wir doch gute Besserung und empfehlen, sich waaaarm anzuziehen.
Nach dem Training begegnet mir Grace im Treppenhaus, offensichtlich aus der Gemeinschaftsdusche kommend, mit allerliebstem Duschhäubchen auf dem Kopf, Häschenpantoffeln und rosanem Pyjama. Routinemäßig lasse ich sie auch heute wieder wissen, dass meine Dusche nicht funktioniert. Routinemäßig antwortet sie mir, dass die Duschen nur abends heißes Wasser abgeben. Routinemäßig sage ich ihr, dass nicht nur abends kein heißes Wasser geht, sondern vielmehr den lieben langen Tag gar keins. Sie verspricht mir, sich das anzukucken. Das tut sie jeden Tag. Wir sind ein eingespieltes Team.
Über solche Petitessen rege ich mich ja gar nicht auf, ich hause hier um ein vielfaches besser, als ich je zu hoffen gewagt hatte. Eine innere Stimme - wohl von Erfahrung geprägt - hatte mich sofort bei Einzug aufgefordert, mir eine Waschschüssel und einen Wasserkocher zu besorgen. Und so wasche ich mittags meine Haare und morgens mich, und wenn ich selbst gerade mal gar kein Wasser habe, dann wird halt bei den Nachbarn welches besorgt - als Viktorias Dusche noch nicht funktionierte, aber meine dafür noch, hatte ich ihr Dusch-Asyl gewährt - wir sind doch alle eine große Familie.
Im Prinzip funktioniert ja alles ...na ja, "bestens" ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck...vielleicht eher: "erwartungsgemäß"? Es sind ja immerhin eine ganze Menge Baustellen aufgemacht worden und es musste vielleicht manches doch etwas schneller gehen als es gut war. Öfter stehen die Versorgungsschächte offen, weil irgendwelche Arbeiten durchgeführt werden müssen (kein Wasser, kein Strom, kein beides...) und ich werfe dann da schon so manchen besorgten Blick hinein. Vielleicht ist einfach alles noch nicht so ganz im Einklang, so "yin-yang-mäßig". Aber bei der Umgebung wird das bestimmt von ganz allein...
07.10.08
Eigentlich ist ja heute der 09.09. nach dem chinesischen Mondkalender. Zheng Wus Geburtstag. Nun zeigt sich, warum wir in den letzten Tagen so intensiv Konfirmanden-Unterricht erhalten haben. Um 8.30 h zieht die gesamte Schülerschar Richtung Zixiaogong, auf dem Weg dorthin noch schnell bei Frau Qu Halt gemacht und ihre Bestände an Räucherwerk und Knallmaterial
aufgekauft. Vor Einzug in den Tempel werden erst einmal die Kracher gezündet, so zur Einstimmung, dann vor jedem Räucherofen Halt gemacht und Räucherstäbchen - oder besser Stäbe - angezündet und Geisterpapier abgefackelt. Vor dem Haupttempel von Zheng Wu dann große Aufstellung, die Erwachsenen in einer Dreierreihe in der Mitte, links und rechts davon die Kleinen. Zhangzen und Guan stehen vorn und fordern neben zwei anderen aus meiner Klasse auch mich auf, einen Räucherstab zu entzünden und zu opfern. Ich fühle mich geehrt und als alle Schüler dann hinterher noch ihren Kotau machen, bin ich doch sehr dankbar, dass diese Zeremonie durch den Unterricht der letzten Tage nicht mehr rein gymnastischen Charakter hat.
Ich habe zwar immer ein etwas befremdetes Gefühl, wenn Menschen unseres Kulturkreises sich eine fremde, möglichst exotische Religion aufpappen, allerdings fühle ich mich von der daoistischen Philosophie und dem Leben hier im Kloster einfach angesprochen, auch wenn ich weit davon entfernt bin, wirklich etwas zu verstehen. Aber jede Reise beginnt ja bekanntlich mit einem ersten Schritt und es spricht auch für das freundliche Wesen der Menschen hier, mich, die Fremde, ohne große Fragen bei dem Fest mit einzubeziehen und teilhaben zu lassen, ohne sich zu fragen, ob ich dessen überhaupt würdig bin, die erforderlichen Reifeprüfungen abgelegt habe und Kirchensteuer bezahle.
Guan blüht regelrecht auf, wenn er spürt, dass seine Schüler nicht nur aus sportlichen Gründen hierherkommen, sondern auch Fragen über die Hintergründe stellen. Und das tun Dennis und ich sehr gern. Ich bin gottfroh, dass endlich jemand da ist, der - wenn auch nur in's Englische - übersetzen kann, damit Guans Ausführungen nicht völlig versanden. Wäre schade, denn er weiß
wirklich sehr viel. Sobald er anfängt zu erzählen, bildet sich eine interessiert Menschentraube im Tempel um ihn, weil er mit soviel Feuer berichtet, dass man kaum weitergehen kann. Das motiviert mich ganz gewaltig, meine chinesischen Sprachkenntnisse doch mal über das "Ich-Tarzan-Du-Jane"-Niveau herauszubringen. Für meine täglichen Geplänkel
mit Frau Qu reicht es zwar, für eine Unterhaltung, die über die Feststellung "schönes Wetter heute" hinausgeht, aber leider nicht. Ich kann zwar so "MaMa-HuHu" lesen und schreiben (besonders, wenn ich meinen Rechner mit Internet im Hintergrund habe...), aber reden und verstehen...na ja...
Guan hatte mir einen Zettel in die Hand gedrückt, in dem meine Schwertform in Pinyin und Wunglish aufgeschrieben steht. Da ich damit so gut wie gar nichts anfangen kann, habe ich ihn um die Liste in Schriftzeichen gebeten. Sein skeptischer Blick hat mich dazu gebracht, das ganze mit Feuereifer zu übersetzen (und dabei noch ein paar Fehler in allen Sprachen (!) auszumerzen). Die Datei habe ich ihm dann zügig übermittelt. Das fand er ganz klasse und hat das dann auch den Mitschülern weitergetratscht. Und hatte auch gleich eine Idee: jeder soll doch bitte seinen Lernzettel in seine Landessprache übersetzen! Totenstille. Manche haben Formen mit 108 Bewegungen. Und mehr. Meine hatte gerade mal 36. Und ich habe alle möglichen kleinen elektronischen Helferlein. Ohne das, nur mit Wörterbuch, stelle ich mir so eine Übersetzung ganz schön aufwändig vor. Egal, die Vorlage steht. Habe ich da ein gezischtes "deutsche Streberin" gehört?...nein, kann nicht sein, auf englisch gibt es ja gar kein "Streberin"...
09.10.08
Nun sitze ich hier auf dem gastlichen Flughafen zu Xiangfan - die endlich renovierten Toiletten heben den Level kaum - und warte auf meinen Flug nach Beijing. Ein letztes Mal gut chinesisch essen. Wie am Anfang meiner Reise bestelle mich mein Lieblings-Standardgericht, scharfe Nudelsuppe mit Rindfleisch. Das bestelle ich immer, weil ich es einigermaßen aussprechen
kann. Dann übergießt mich die Bedienung immer mit einem Wortschwall, schaut mich irgendwann erwartungsvoll an, ich sage dann "ja" und harre der Dinge, die da kommen. Eigentlich immer etwas anderes, gelegentlich scharfe Nudelsuppe mit Rindfleisch, auf jeden Fall immer lecker. Meine chinesischen Sprachkenntnisse haben sich leider nicht wesentlich verbessert, allein die Dialoge mit den Elfen zwecks Öffnung meiner defekten Tür und Erbetteln von Klopapier liefen am Ende recht geschmeidig. Mein Chinesisch-Buch habe ich in der ganzen Zeit nur ein einziges Mal in die Hand genommen, nämlich als ich
es zwecks Umzug eingepackt habe. Allerdings habe ich etwas viel wertvolleres gelernt: ein wenig "International" zu sprechen. So schlägt sich meine Freundin Elli schon seit vielen Jahren bar jeder fundierter Fremdsprachenkenntnisse durch die Welt und genießt dafür meine uneingeschränkte Bewunderung. Nach einem Monat Babylon glaube ich, ich habe zumindest die Ansätze dieser Kunst verstanden.
Die letzten Tage waren ziemlich lebhaft, auch wenn es wenig berichtenswertes hierüber gibt. Am Dienstag sind meine Freunde Yürgen und Gerlinde nach einigen Irrungen und Wirrungen endlich eingetroffen, da gab es natürlich erst einmal viel zu erzählen. Bestimmt ein merkwürdiges Gefühl, wenn man Leute aus Geschichten kennt und diese dann persönlich kennen lernt. Wie menschgewordene Romanfiguren. Nun können die beiden vor Ort feststellen, ob meine Beschreibungen von Aziz und Youki, Jen und Simon, Tanja, Viktoria und Dennis zutreffend sind. Guan und Zhong kennt ja jeder. Gestern sind alle außer Viktoria, Dennis und Tanja nach Shiyan zum shoppen gereist. Da wir uns auf dem Berg wieder einmal auf zwei Tage Stromausfall freuen dürfen, werden sie dort auch bleiben. Recht haben sie. So erspare ich mir große Abschiedsszenen und da bin ich auch heilfroh drum. In den letzten Wochen sind sie mir doch alle sehr ans Herz gewachsen, jeder auf seine eigene, manchmal etwas schräge Art. Aber leicht schräg bin ich unbestätigten Gerüchten zufolge ja selbst.
Gestern hatten Jen und ich noch ein bisschen Aufregung. Jen kam morgens leichenblass zu mir: ein Fernsehteam würde kommen und Guan habe sie dazu verdonnert, eine der Hauptrollen zu spielen. Und ich die Zweite. Prima. Von meinem Ärger darüber, dass Guan es nicht für nötig befunden hat, mir auch mal etwas zu sagen, einmal abgesehen, bleibe ich relativ locker. Ist mir doch egal, ob sich ein Millionenpublikum mein ungelenkes Schwert-Gestochere anschaut: hier kennt mich doch kein Mensch. Da finde ich das allmittwöchliche Vortunen vor meiner Klasse viel unangenehmer - die haben zumindest eine Ahnung von dem, was ich eigentlich tun sollte. Nach meiner Abschiedsvorstellung vor meiner Klasse geht's also im Eiltempo mit Jen und Guan zum Tempel, Yürgen, der unbedachterweise Tracht angelegt hat, um umsonst rein zu kommen, wird gleich mit verhaftet, wir zeigen den Fernsehleuten was wir können und jetzt weiß die ganze Welt (zumindest die chinesische, wenigstens die der Provinz Hubei), dass es da auf dem Wudang Shan einen Purpurwolkentempel gibt, wo auch Ausländer in merkwürdigen
Kleidern merkwürdige Bewegungen, von denen sie behaupten, es wäre Taiji, machen dürfen.
Ein Monat Trainingslager...bin ich froh, dass es vorbei ist und ich wieder heim zu warmer Dusche, genießbarem Bier und verlässlicher Stromversorgung komme? Eigentlich habe ich den Komfort nicht wirklich vermisst. Ich habe soviel bekommen, dass ich mir über einen möglichen Mangel überhaupt keine Gedanken gemacht habe. Natürlich gab es Momente, wo ich frierend in meinem klammen, kalten Zimmer versucht habe, meine gelegentlich leicht überlasteten Muskeln und Sehnen wieder schmerzfrei zu bekommen und mich dann schon gefragt habe, warum ich mir das antue. Momente, in denen der Wunsch nach
einer heißen Badewanne mit einem Glas Rotwein in der Hand, vielleicht leiser Musik im Hintergrund fast übermächtig wurde. Auf der anderen Seite hat dieser kleine Ausstieg aus dem Alltag, der mir jetzt in meiner Vorstellung
hier auf dem Flughafen von Xiangfan absolut unwirklich vorkommt, viele Dinge wieder in's rechte Licht gerückt. Fragen, was denn tatsächlich so wichtig ist, dass ich auf keinen Fall darauf verzichten möchte, haben neue Antworten gefunden. Eine wichtige Antwort jedenfalls: in dem alten Knochensack steckt noch jede Menge Leben!
Als Guan und Zhong sich verabschiedet haben, war die Frage nicht, ob ich wiederkomme, sondern ganz selbstverständlich nur, wann. Und da haben sie völlig Recht. Auf Wiedersehen, Wudang Shan!
...und wenn ihr wollt, koennt ihr euch auch naechstes Jahr wieder einklinken
bei "Neues aus Wudang Shan"
viele Gruesse
Lilo

10.10.2008
Lilo in Wudangshan, die 8.
02.10.08
Nach einem ausgedehnten Pokerabend, an dem auch das eine oder andere Tröpfchen Bier geflossen ist, wuchte ich mich mühsam um 7.00 h aus dem Bett, dankbar dafür, dass ich um 8.30 h zum Training antreten darf. Ich stelle mir das relativ locker vor, eigentlich habe ich ja frei und Guan weiß das ja auch. Bestimmt weiß er das...
8.20 h. Ich kann Guan schon unten hören. Und sehen. Wedelt schon voller Tatendrang mit der Rosshaar-Peitsche. Arme Viktoria. Aber ich werde auch ein wenig üben, die Geschichte von gestern sitzt noch gar nicht, also nehme ich mein Schwert mit.
Wir kommen an und Guan schickt uns erst einmal warmlaufen. Kann nicht schaden, also trabe ich locker los. Mache ich ja auch sonst am Sonntag. Aber dann: Kicks! Das volle Programm! Och nee, ich habe Wochenende - Muskelregenerationstag! Guan hat zwar kein Schwert dabei, ich fürchte, das wird ihn aber nicht daran hindern, mich gnadenlos zu knechten und zu korrigieren. Und so kommt es dann auch. Ich habe in der Nacht fast nicht geschlafen und meine Konzentrationsfähigkeit ist nahe dem Gefrierpunkt. Genau der richtige Tag für ein intensives Einzeltraining. Guan lässt das alles ziemlich kalt, immer wieder muss ich die Form laufen, habe immer häufiger Aussetzer, es klappt überhaupt nichts, selbst Teile, die ich schon längst abgehakt habe...mit kommen fast Tränen. Vor Zorn. Irgendwann lässt Guan endlich von mir ab, tröstet mich ein bisschen. Das klappt schon noch.
Heute Nachmittag.
Auch über das Nachmittagstraining wollen wir lieber ein Mäntelchen des Schweigens hüllen. Ich bitte schließlich Guan, mich das böse Form-Teil kurz mit der Kamera abfilmen zu lassen, damit ich mir's heute Abend anschauen und dann das Notebook unter's Kopfkissen legen kann. Obwohl er so etwas überhaupt nicht schätzt, ist er einverstanden. Er spürt wohl meine Verzweiflung. Simon, der das Drama verfolgt, bemerkt mitfühlend "it is one of these days...es ist einer dieser Tage...". Kennen Alle.
Am Abend, als ich dann die Datei übertrage, stelle ich fest, dass die Wiedergabe ruckt, nur 3 Sekunden laufen, dann bleibt das Bild stehen. Das Original auf dem Chip habe ich selbstverständlich schon gelöscht.
Dieser Tag wird aus dem Kalender gestrichen!
03.10.08
Als um 5.00 h der Wecker aufmunternd klingelt, haue ich nur kurz und trocken drauf. Heute nicht! Zum ersten Mal, seitdem ich hier bin. Auch beim nächsten Versuch um 6.00 h schaffe ich den Aufsprung nicht. Also kein Frühstück, lieber ein paar Kekse und Kaffee im Bett. Hatte ja auch kein echtes Wochenende...wenig motiviert schleiche ich um 8.30 h zum Vormittagstraining. Guan hat wohl auch null Bock auf Maloche, spaziert lieber zum Zixiaogong und übt mit uns Kotau vor Zheng Wu. Auch recht. Also: Frauen übersteigen mit dem rechten Bein die kniehohe Türschwelle des Tempels, Männer machen das mit links. Beim Kotau werden zunächst die Hände zum "Bao Qian Li" geformt, das heißt, dass die rechte Faust (bei Frauen, bei Männern umgekehrt) die linke umfasst, der rechte Daumen wird in die linke Faust gesteckt, so dass das ganze mit viel Fantasie wie das Yin-Yang-Symbol aussieht, wenn man draufschaut. Die Bedeutung ist in etwa folgende (wenn ich alles richtig verstanden habe): Die geschlossene Faust stellt die Sonne, also Yang, dar. Die offene Hand ist der Mond, in dem Fall also Yin. Somit bedeutet das Handzeichen soviel wie "Einklang von Yin und Yang". Die Schriftzeichen von Sonne und Mond ergeben zusammengesetzt das Wort "Ming" - was "hell und strahlend" bedeutet. Auch dies eine Bezeichnung dieser Handhaltung. Erste Verbeugung im Stehen. Dann auf die Knie. Frauen legen nun die linke Hand mit Handfläche nach unten auf der Kniebank ab, dann die rechte Hand auf die linke. Männer machen es umgekehrt. Dreimal mit der Stirn bis zu den Händen beugen. Aufstehen. Ming. Im Stehen verbeugen, und wieder hinknien, insgesamt dreimal, abschließende Verbeugung im Stehen. Ist das auch endlich mal geklärt.
Danach dann doch ein bisschen Training. Bevor es losgeht, kommt Guan kurz zu mir: angesichts des gestrigen Desasters heute keine neue Bewegung. Da lege ich auch keinen gesteigerten Wert drauf. Ich hole Luft, setze an und...es läuft! Einfach so! Der Knoten ist über Nacht heimlich geplatzt. Keine Ahnung, warum ich mich gestern so blutarm angestellt habe, die Bewegung ist tatsächlich so einfach, wie Guan gesagt hat; einfach nur fließen lassen. Was mir gestern wie reiner Hohn erschien, ist jetzt völlig klar. Das war bestimmt Zheng Wus kleines Dankeschön für meinen Kotau. Das ist das schöne: es funktioniert auch, wenn man nicht dran glaubt...
04.10.08
Heute Morgen begrüßen wir einen neuen chinesischen Schüler. Das geht so: Guan bittet den Schüler vor die versammelte Mannschaft neben sich. Dann muss der Neue sich vorstellen und ein paar Worte an die Klasse richten. Dann sagt jeder seinen Namen und begrüßt den Neuen. Anschließender Applaus. So ähnlich muss es wohl bei den anonymen Alkoholikern zugehen, schießt es mir durch den Kopf. Wir sind ja auch irgendwie alle süchtig. Bis auf die Namen vielleicht. Sonst wär's ja nicht anonym...
Guan schaut sich das Ergebnis meiner gestrigen Bemühungen an. Er ist begeistert. Das äußert sich darin, dass er nicht meckert, sondern einfach kommentarlos sein Schwert packt und mir die nächste Bewegung zeigt. Zur Belohnung. Und weil ich so artig hinterherturne, zeigt er mir gerade noch den Rest der Form. Das ist ja wirklich nicht mehr viel - morgen könnte ich durch sein! Und habe dann noch etwas Zeit für all' die tausend Kleinigkeiten, wie "den Zeigefinger noch 3 Milimeter nach links", "die Klinge noch 4 Grad weiter nach oben richten", "das Ohrläppchen im 45°-Winkel zur Ferse" und so weiter...vielleicht noch ein bisschen "Kreise" üben...es gibt immer was zu tun. Und ich weiß genau: der Tag, an dem Guan nichts mehr zu kritisieren hat, ist der, an dem er glaubt, dass eine Korrektur reine Zeitverschwendung ist, weil ich einfach am Ende meiner Möglichkeiten bin - möge er also noch lange an mir herumnörgeln!
Ein schwarzer Tag in der Akademie: als ich mich nach dem Mittagessen zwecks Verdauungsglotzen aus dem Fenster hänge, beobachte ich das Training der lettischen Gruppe. Sie trainieren mit dem Langstock, offensichtlich irgendeine Form, die sie von zu Hause mitgebracht haben und die hier korrigiert wird. Wohl für eine Vorführung, es sind Partnerbewegungen mit mehreren Beteiligten, es scheppert ordentlich, macht natürlich schon etwas her. Träge schaue ich von oben zu. Plötzlich tut sich etwas. Hektik auf dem Spielfeld, Yi Ming rennt in's Haus. Da ich nicht richtig hingeschaut habe, habe natürlich nichts mitgekriegt. Dennis, der Arzt aus unserer Gruppe geht zu den Letten. Offensichtlich hat sich jemand verletzt. Der Verwalter fährt das Dao-Mobil aus der Garage, lädt den Letten und Yi Ming ein. Die Stimmung ist schon weniger aufgeregt, offensichtlich nichts Schlimmes. Nun will ich es natürlich auch wissen, es ist eh' Zeit für's Training. Ich frage Dennis, der mir bestätigt, dass sich der Anführer der Letten beim Stocktraining eine Platzwunde in's Gesicht eingefangen hat. Dennis ist sehr zurückhaltend in seinen Äußerungen und neigt auch nicht zum Lästern. Wenn er allerdings sagt, dass - hätte der gute Mann nicht so furchtbar vom Leder gezogen und Show gemacht - das bestimmt nicht passiert wäre, wird da wohl was dran sein. Das rundet mein Bild ab. Nach 2 Stunden kommt das Dao-Mobil zurück, der Lette sehr dramatisch verklebt aber heroisch lächelnd. Was für ein Mann...wenn er Glück hat, gibt es 'ne Narbe, die er dann stolz als Kriegsverletzung aus Wudang präsentieren kann...
Für meine lästerlichen Gedanken, die einer aufrechten Wudang-Kriegerin einfach unwürdig sind, werde ich prompt bestraft.
Heute steht wieder das allseits beliebte Extrem-Srishing an. Guan fordert uns zu einer Partner-Übung auf, bei es darum geht, Rücken an Rücken den Partner an den Armen über's Kreuz zu ziehen. Viktoria setzt an, ich spüre nur noch einen stechenden Schmerz in der Schulter, dann nur noch schwarz. Offensichtlich hat sich in dem schmalen Nerven-Kanälchen irgendetwas eingeklemmt, es tut höllisch weh und das lasse ich meine Umwelt auch wissen. Nein, ich schreie nicht und heule auch nicht, verliere nur schlagartig alle Farbe aus dem Gesicht, wie Jen später beeindruckt erzählt. Guan kommt angerannt, redet auf mich ein, ich kann ihn nur leider nicht hören, weil das Blut so in den Ohren rauscht. Der Kreislauf ist völlig abgekippt vor Schmerz. Nun ist auch Dennis, der Mann des Tages, da und fängt an, Akupunkturpunkte zu drücken, einer unter der Nase ist besonders schmerzhaft aber wirkungsvoll, ich höre jetzt endlich, was Guan will: ich soll den Arm heben. Würde ich ja gerne. Geht aber nicht. Dennis schleppt mich zum Rand des Spielfelds, behandelt mich noch ein wenig, bis alles wieder rund läuft, dann zurück zur Truppe. Weiter im Programm. Bin ja nicht aus Zucker. Besonders nicht, wenn alle kucken.
Was hatten wir noch? Ja, einer unserer besonders gelenkigen Mitstreiter ist bei dem Versuch, eine Brücke von oben mit geradem Rücken zu schlagen (für Laien: das geht nicht!) trotz Hilfestellung voll auf dem Kopf gelandet. Das sah so urkomisch aus, dass wir uns alle ein Lachen nicht verkneifen konnte, was natürlich wieder einmal eine Standpauke nach sich zog.
Dann mussten wir ein Wettrennen veranstalten, bei dem unser Neuer, der mit dem glitschigen Untergrund natürlich noch nicht so vertraut ist, volle Länge hingeschlagen ist. Ja, Dennis hatte heute alle Hände voll zu tun mit der Betreuung. Und Guan war bestimmt gottfroh, dass dieser verhexte Tage ohne Schwerverletzte zu Ende gegangen ist. Hat sich dann auch vergewissert, dass alle unfallfrei in's Bett gekommen sind.
Soviel fuer heute - ich wuensche eine schoene Woche
Nach einem ausgedehnten Pokerabend, an dem auch das eine oder andere Tröpfchen Bier geflossen ist, wuchte ich mich mühsam um 7.00 h aus dem Bett, dankbar dafür, dass ich um 8.30 h zum Training antreten darf. Ich stelle mir das relativ locker vor, eigentlich habe ich ja frei und Guan weiß das ja auch. Bestimmt weiß er das...
8.20 h. Ich kann Guan schon unten hören. Und sehen. Wedelt schon voller Tatendrang mit der Rosshaar-Peitsche. Arme Viktoria. Aber ich werde auch ein wenig üben, die Geschichte von gestern sitzt noch gar nicht, also nehme ich mein Schwert mit.
Wir kommen an und Guan schickt uns erst einmal warmlaufen. Kann nicht schaden, also trabe ich locker los. Mache ich ja auch sonst am Sonntag. Aber dann: Kicks! Das volle Programm! Och nee, ich habe Wochenende - Muskelregenerationstag! Guan hat zwar kein Schwert dabei, ich fürchte, das wird ihn aber nicht daran hindern, mich gnadenlos zu knechten und zu korrigieren. Und so kommt es dann auch. Ich habe in der Nacht fast nicht geschlafen und meine Konzentrationsfähigkeit ist nahe dem Gefrierpunkt. Genau der richtige Tag für ein intensives Einzeltraining. Guan lässt das alles ziemlich kalt, immer wieder muss ich die Form laufen, habe immer häufiger Aussetzer, es klappt überhaupt nichts, selbst Teile, die ich schon längst abgehakt habe...mit kommen fast Tränen. Vor Zorn. Irgendwann lässt Guan endlich von mir ab, tröstet mich ein bisschen. Das klappt schon noch.
Heute Nachmittag.
Auch über das Nachmittagstraining wollen wir lieber ein Mäntelchen des Schweigens hüllen. Ich bitte schließlich Guan, mich das böse Form-Teil kurz mit der Kamera abfilmen zu lassen, damit ich mir's heute Abend anschauen und dann das Notebook unter's Kopfkissen legen kann. Obwohl er so etwas überhaupt nicht schätzt, ist er einverstanden. Er spürt wohl meine Verzweiflung. Simon, der das Drama verfolgt, bemerkt mitfühlend "it is one of these days...es ist einer dieser Tage...". Kennen Alle.
Am Abend, als ich dann die Datei übertrage, stelle ich fest, dass die Wiedergabe ruckt, nur 3 Sekunden laufen, dann bleibt das Bild stehen. Das Original auf dem Chip habe ich selbstverständlich schon gelöscht.
Dieser Tag wird aus dem Kalender gestrichen!
03.10.08
Als um 5.00 h der Wecker aufmunternd klingelt, haue ich nur kurz und trocken drauf. Heute nicht! Zum ersten Mal, seitdem ich hier bin. Auch beim nächsten Versuch um 6.00 h schaffe ich den Aufsprung nicht. Also kein Frühstück, lieber ein paar Kekse und Kaffee im Bett. Hatte ja auch kein echtes Wochenende...wenig motiviert schleiche ich um 8.30 h zum Vormittagstraining. Guan hat wohl auch null Bock auf Maloche, spaziert lieber zum Zixiaogong und übt mit uns Kotau vor Zheng Wu. Auch recht. Also: Frauen übersteigen mit dem rechten Bein die kniehohe Türschwelle des Tempels, Männer machen das mit links. Beim Kotau werden zunächst die Hände zum "Bao Qian Li" geformt, das heißt, dass die rechte Faust (bei Frauen, bei Männern umgekehrt) die linke umfasst, der rechte Daumen wird in die linke Faust gesteckt, so dass das ganze mit viel Fantasie wie das Yin-Yang-Symbol aussieht, wenn man draufschaut. Die Bedeutung ist in etwa folgende (wenn ich alles richtig verstanden habe): Die geschlossene Faust stellt die Sonne, also Yang, dar. Die offene Hand ist der Mond, in dem Fall also Yin. Somit bedeutet das Handzeichen soviel wie "Einklang von Yin und Yang". Die Schriftzeichen von Sonne und Mond ergeben zusammengesetzt das Wort "Ming" - was "hell und strahlend" bedeutet. Auch dies eine Bezeichnung dieser Handhaltung. Erste Verbeugung im Stehen. Dann auf die Knie. Frauen legen nun die linke Hand mit Handfläche nach unten auf der Kniebank ab, dann die rechte Hand auf die linke. Männer machen es umgekehrt. Dreimal mit der Stirn bis zu den Händen beugen. Aufstehen. Ming. Im Stehen verbeugen, und wieder hinknien, insgesamt dreimal, abschließende Verbeugung im Stehen. Ist das auch endlich mal geklärt.
Danach dann doch ein bisschen Training. Bevor es losgeht, kommt Guan kurz zu mir: angesichts des gestrigen Desasters heute keine neue Bewegung. Da lege ich auch keinen gesteigerten Wert drauf. Ich hole Luft, setze an und...es läuft! Einfach so! Der Knoten ist über Nacht heimlich geplatzt. Keine Ahnung, warum ich mich gestern so blutarm angestellt habe, die Bewegung ist tatsächlich so einfach, wie Guan gesagt hat; einfach nur fließen lassen. Was mir gestern wie reiner Hohn erschien, ist jetzt völlig klar. Das war bestimmt Zheng Wus kleines Dankeschön für meinen Kotau. Das ist das schöne: es funktioniert auch, wenn man nicht dran glaubt...
04.10.08
Heute Morgen begrüßen wir einen neuen chinesischen Schüler. Das geht so: Guan bittet den Schüler vor die versammelte Mannschaft neben sich. Dann muss der Neue sich vorstellen und ein paar Worte an die Klasse richten. Dann sagt jeder seinen Namen und begrüßt den Neuen. Anschließender Applaus. So ähnlich muss es wohl bei den anonymen Alkoholikern zugehen, schießt es mir durch den Kopf. Wir sind ja auch irgendwie alle süchtig. Bis auf die Namen vielleicht. Sonst wär's ja nicht anonym...
Guan schaut sich das Ergebnis meiner gestrigen Bemühungen an. Er ist begeistert. Das äußert sich darin, dass er nicht meckert, sondern einfach kommentarlos sein Schwert packt und mir die nächste Bewegung zeigt. Zur Belohnung. Und weil ich so artig hinterherturne, zeigt er mir gerade noch den Rest der Form. Das ist ja wirklich nicht mehr viel - morgen könnte ich durch sein! Und habe dann noch etwas Zeit für all' die tausend Kleinigkeiten, wie "den Zeigefinger noch 3 Milimeter nach links", "die Klinge noch 4 Grad weiter nach oben richten", "das Ohrläppchen im 45°-Winkel zur Ferse" und so weiter...vielleicht noch ein bisschen "Kreise" üben...es gibt immer was zu tun. Und ich weiß genau: der Tag, an dem Guan nichts mehr zu kritisieren hat, ist der, an dem er glaubt, dass eine Korrektur reine Zeitverschwendung ist, weil ich einfach am Ende meiner Möglichkeiten bin - möge er also noch lange an mir herumnörgeln!
Ein schwarzer Tag in der Akademie: als ich mich nach dem Mittagessen zwecks Verdauungsglotzen aus dem Fenster hänge, beobachte ich das Training der lettischen Gruppe. Sie trainieren mit dem Langstock, offensichtlich irgendeine Form, die sie von zu Hause mitgebracht haben und die hier korrigiert wird. Wohl für eine Vorführung, es sind Partnerbewegungen mit mehreren Beteiligten, es scheppert ordentlich, macht natürlich schon etwas her. Träge schaue ich von oben zu. Plötzlich tut sich etwas. Hektik auf dem Spielfeld, Yi Ming rennt in's Haus. Da ich nicht richtig hingeschaut habe, habe natürlich nichts mitgekriegt. Dennis, der Arzt aus unserer Gruppe geht zu den Letten. Offensichtlich hat sich jemand verletzt. Der Verwalter fährt das Dao-Mobil aus der Garage, lädt den Letten und Yi Ming ein. Die Stimmung ist schon weniger aufgeregt, offensichtlich nichts Schlimmes. Nun will ich es natürlich auch wissen, es ist eh' Zeit für's Training. Ich frage Dennis, der mir bestätigt, dass sich der Anführer der Letten beim Stocktraining eine Platzwunde in's Gesicht eingefangen hat. Dennis ist sehr zurückhaltend in seinen Äußerungen und neigt auch nicht zum Lästern. Wenn er allerdings sagt, dass - hätte der gute Mann nicht so furchtbar vom Leder gezogen und Show gemacht - das bestimmt nicht passiert wäre, wird da wohl was dran sein. Das rundet mein Bild ab. Nach 2 Stunden kommt das Dao-Mobil zurück, der Lette sehr dramatisch verklebt aber heroisch lächelnd. Was für ein Mann...wenn er Glück hat, gibt es 'ne Narbe, die er dann stolz als Kriegsverletzung aus Wudang präsentieren kann...
Für meine lästerlichen Gedanken, die einer aufrechten Wudang-Kriegerin einfach unwürdig sind, werde ich prompt bestraft.
Heute steht wieder das allseits beliebte Extrem-Srishing an. Guan fordert uns zu einer Partner-Übung auf, bei es darum geht, Rücken an Rücken den Partner an den Armen über's Kreuz zu ziehen. Viktoria setzt an, ich spüre nur noch einen stechenden Schmerz in der Schulter, dann nur noch schwarz. Offensichtlich hat sich in dem schmalen Nerven-Kanälchen irgendetwas eingeklemmt, es tut höllisch weh und das lasse ich meine Umwelt auch wissen. Nein, ich schreie nicht und heule auch nicht, verliere nur schlagartig alle Farbe aus dem Gesicht, wie Jen später beeindruckt erzählt. Guan kommt angerannt, redet auf mich ein, ich kann ihn nur leider nicht hören, weil das Blut so in den Ohren rauscht. Der Kreislauf ist völlig abgekippt vor Schmerz. Nun ist auch Dennis, der Mann des Tages, da und fängt an, Akupunkturpunkte zu drücken, einer unter der Nase ist besonders schmerzhaft aber wirkungsvoll, ich höre jetzt endlich, was Guan will: ich soll den Arm heben. Würde ich ja gerne. Geht aber nicht. Dennis schleppt mich zum Rand des Spielfelds, behandelt mich noch ein wenig, bis alles wieder rund läuft, dann zurück zur Truppe. Weiter im Programm. Bin ja nicht aus Zucker. Besonders nicht, wenn alle kucken.
Was hatten wir noch? Ja, einer unserer besonders gelenkigen Mitstreiter ist bei dem Versuch, eine Brücke von oben mit geradem Rücken zu schlagen (für Laien: das geht nicht!) trotz Hilfestellung voll auf dem Kopf gelandet. Das sah so urkomisch aus, dass wir uns alle ein Lachen nicht verkneifen konnte, was natürlich wieder einmal eine Standpauke nach sich zog.
Dann mussten wir ein Wettrennen veranstalten, bei dem unser Neuer, der mit dem glitschigen Untergrund natürlich noch nicht so vertraut ist, volle Länge hingeschlagen ist. Ja, Dennis hatte heute alle Hände voll zu tun mit der Betreuung. Und Guan war bestimmt gottfroh, dass dieser verhexte Tage ohne Schwerverletzte zu Ende gegangen ist. Hat sich dann auch vergewissert, dass alle unfallfrei in's Bett gekommen sind.
Soviel fuer heute - ich wuensche eine schoene Woche
Lilo in Wudangshan, die 7.
30.09.08
Gestern beim Nachmittagstraining die ganz große Überraschung: Grace huscht auf den Spielplatz: bitte nach dem Unterricht ohne schuldhaftes Zögern Gepäck zusammenraffen und umziehen! Ich fasse es nicht - nach 3 Wochen Dasein als Grotten-Olm in einem feuchten, klammen Zimmer (aber immerhin mit Dusche!) mit Felsenblick und nicht funktionierendem elektronischen
Türschließer (was zu einem sehr innigen Verhältnis zu den Elfen geführt hat) darf ich wieder an's Tageslicht! So schnell habe ich noch nie gepackt, in 15 Minuten bin ich abmarschbereit, Viktoria und Grace helfen mir, mein Geraffel rüber in die Akademie zu schleppen und ich darf mein neues, noch jungfräuliches Zimmer beziehen. Ich bin die erste Gästin. Alles ganz neu.
Zimmer 410 in der Daoistischen Wushu-Akademie zu Wudang Shan - von mir persönlich eingeweiht! Irgendwo werde ich an einer unauffälligen Stelle meinen Namen hineinritzen. Auf ewig mein. Ich bin so dankbar, endlich in ein trockenes Nest zu steigen und die Aussicht, morgen früh mit Blick in die Berge zu erwachen (na ja, vielleicht auch nicht, um 5.00 h ist es natürlich noch stockfinster), dass ich die winzigen baulichen Mängelchen gnädig übersehe. Nun kommen endlich auch die Kleinigkeiten zum Einsatz, die im Gästehaus völlig überflüssig waren, wie meine hochsaugfähigen papierdünnen Super-Trecking-Handtücher, der Schwamm, das Putzmittel...glücklicherweise habe ich mir in einem hellen Moment noch schnell das Klopapier aus dem Gästehaus geschnappt. Tassen gibt es auch keine, Grace bietet mir zwar großzügig ihre eigene an, aber ich habe ja mein chinesisches Tee-Transportgefäß, dass ich sonst immer zum Training mitschleppe, nun dient es halt als Tee-, Kaffee- und Bierglas.
Beflügelt schwebe ich zum Abendtraining. Guan hatte in einem unbedachten Moment geäußert, dass ich die Form in 4 Tagen - zumindest dem Aufbau nach - gelernt haben werde. Ich hatte nach seiner ersten Ansage überhaupt nicht damit gerechnet, während meines Aufenthalts fertig zu werden, vielleicht bin ich ja doch nicht so talentfrei, wie ich mich nach Guans Kommentaren meist fühle...
Ich schaue kurz Viktoria zu, die sich für eine absolut exotische Waffenform entschieden hat: Fu Chen - die für Wudang typische Rosshaar-Peitsche. Guan ist zunächst verblüfft, diese Gattung ist normalerweise überhaupt nicht gefragt. Es reizt ihn aber offensichtlich, auch das einmal zu unterrichten.Er führt kurz vor, sehr beeindruckend, sehr schnelle Drehungen und Wirbel - er schaut Viktoria an: Nachmachen! Der Blick ist Gold wert. Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Strenger Blick von Guan: "Practice" - Üb' gefälligst! Ja, schon gut...
Viktoria hatte mir erzählt, dass sie zu Hause Shaolin-KungFu trainiert. Nun denkt sie daran, dass sie sich wg. des Alters langsam etwas Ruhigeres sucht, da sie wohl nicht mehr ewig die hohen Sprünge und Tritte machen kann. So ist sie auf Wudang gekommen. Sie ist 44. Ein Jahr älter als ich. Mit Interesse nehme ich zur Kenntnis, dass ich mich demnach schon vor Jahren auf's Kampfkunst-Altenteil begeben habe.
Das lasse ich einfach mal so da stehen.
Nach dem Training weiht Guan Viktoria in die Trainingszeiten ein, erwähnt auch das Morgentraining um 6.00 h. Und dass er da "nicht immer" dabei ist. Weil er da meditiert. Ohne rot zu werden. Er erzählt weiter, wie so der Tagesablauf ist, wir plaudern noch ein wenig. Ich bin langsam müde und verabschiede mich. "Ich gehe jetzt hoch. Meditieren." Irritiert schaut Guan mir hinterher.
Als ich mit Viktoria in's Haus gehe, schwärmt sie: d a s ist es, plant schon ihre Wudang-Zukunft - klarer Fall von Wudang Fieber. Hatte ich mir schon gedacht.
01.10.08
Beim gestrigen Morgentraining wusste Guan uns die Zeit damit zu vertreiben, dass er uns zu verschärften Pratzen-Training animiert hat. Ich trainiere mit Viktoria zusammen und stelle schnell den feinen Unterschied zwischen meinem bisherigen Weichei-Training und der Shaolin-Variante fest. Ich lerne einiges und mit schmerzenden Knochen beschließe ich, den Vorstand für den Ankauf solcher Dinger zu begeistern. Ohne gezieltes Schlag- und Tritt-Training wird das nichts und so gebe ich alles, wenn es auch nicht viel ist. Erst als Zhang Zen seitliche Tritte aus der Hüfte ansagt, winken wir beide ab: das Alter...
Nach dem Training beordert uns Guan für 15.30 h in den unteren Ballsaal. Wiemeist gibt es auf die Frage wieso? Weshalb?Warum? nur die Antwort: "Bringt was zu Schreiben mit!" Aha. Als wir auflaufen, führt er uns in den "Schulsaal". Dort erhalten die Schüler ihren Schulunterricht. Den gibt es aber nur bei schlechtem Wetter. Heute ist tolles Wetter, deshalb sind die Schüler draußen. Und wir drinnen. Und harren gespannt der Dinge, die da kommen. Guan baut sich vor der Tafel auf, räuspert sich kurz, dann geht es los: "Was Sie schon immer über Atmung und Qi wissen wollten, aber nie zu fragen wagten"...wahrscheinlich. Zumindest sind das die wenigen Brocken, die ich verstanden habe. Guan hält den Unterricht ausschließlich auf Chinesisch, was den Kreis der verständigen Zuhörer ziemlich einschränkt. Zur Verdeutlichung malt er Bilder und Zahlen auf die Tafel, die allerdings nicht unbedingt zur Erhellung beitragen. Zwanglos haben beim Platznehmen in dem Schulraum drei Sprachgruppen zueinander gefunden, die jeweils zusammen sitzen: eine chinesische, eine russische und eine englische. Die Gruppen beginnen, untereinander zu diskutieren, um wenigstens ein bisschen was zu begreifen. Dummerweise sitze ich in der russischen Sprachgruppe, was meinem Verständnis nicht gerade dienlich ist.
Gelangweilt schaue ich mich um, mein Blick trifft auf Yaorou, die offensichtlich dabei ist, ihr Zeichentalent zu schulen. Zhang Zen ist gar nicht erst erschienen, hatte wohl einen wichtigen Termin...Stimmung wie in meiner Schulzeit, fast jeder schwätzt mit seinem Nachbarn oder blickt sehnsüchtig nach draußen, wo es - im Gegensatz zu dem kühlen Schulraum - kuschelig warm ist. Ich warte darauf, dass irgendjemand Papierflieger faltet und durch die Klasse schickt oder Papierkügelchen mit einem aus einer Kuli-Hülle gebauten Blasrohr auf den Lehrer schießt...aber dafür sind wir dann doch zu feige.
Der Versuch, in dem 40iger-Jahre-Mobiliar eine bequeme Position zu finden ist aussichtslos, da die Bestuhlung und die Pulte halt für Kindergrößen gedacht sind. Unauffällig mache ich ein paar Fotos der Szenerie...bloß nicht erwischen lassen, sonst gibt es bestimmt einen Eintrag in's Klassenbuch, oder - noch schlimmer - ich muss nachsitzen!
Am Ende der zweistündigen Veranstaltung fasst Youki für die Englisch-Sprechenden den Inhalt in drei Sätzen zusammen. Ich werde wohl doch das Werk von Altmeister Wang, dem Lehrer von Guan, selbst lesen müssen.
Heute ist chinesischer Nationalfeiertag, eingebettet in die "Golden Week", in der die Chinesen arbeitsfrei haben und sich auf Wanderschaft begeben. Fast das ganze Land ist auf Reisen, die Busse werden unzählige Touristen ausspucken, so dass heute nicht unbedingt der günstigste Tag ist, um einen der umliegenden Tempel zu besichtigen. Bevor wir in's "Wochenende" entlassen werden, hat sich Guan noch etwas Nettes ausgedacht, nach kurzem Aufwärmtraining ruft er die Truppe zusammen: Vorführen! Jeder das, was er in der letzten Woche gelernt hat. Und der Rest soll aufmerksam beobachten und hinterher dem Delinquenten mitteilen, was auffällig und verbesserungswürdig ist. Toll. Ich liebe solche Aktionen sehr, glücklicherweise bin ich gleich als zweite dran, huddele die Form lieblos durch, was von dem kritischen Publikum natürlich entsprechend gewürdigt wird. Ist mir völlig egal, Hauptsache, ich habe es hinter mir. Danach ist natürlich keine Entspannung angesagt, da Guan jeden einzelnen zur Manöverkritik auffordert, da muss man sich schon mal schnell was aus den Fingern saugen.
Die "Prüfung" gefällt Guan so sehr, dass er uns verspricht, dies nun jeden Mittwoch durchzuziehen. Xiexie, Shifu.
Nun möchte ich schnell in die Stadt, normalerweise ist der Nachmittag ja frei. Heute hat der Chef-Animateur unseres ganz besonderen Robinson-Clubs aber noch einen Plan: um 15.30 h alle antreten - wir basteln zusammen Jiaozi. Dies sind gefüllte Teigtaschen, die ich sehr liebe, hier aber ziemlich selten (eigentlich gar nicht, um genau zu sein) bekomme, weil es sich zum einen eher um eine Spezialität aus dem Norden handelt und zum anderen die Herstellung ziemlich aufwändig ist. Schade, dass es gerade heute sein muss, aber Guan ist da gnadenlos. Da Viktoria morgen keinen freien Tag hat und mich gebeten hat, bei ihrem Einzeltraining zu übersetzen - ihr Wunglish sitzt noch nicht so richtig -, können wir den Ausflug nach Laoying auch nicht verschieben. Erst nachdem wir hoch und heilig versprochen haben, rechtzeitig wieder in der Akademie zu sein, werden wir in Gnaden entlassen.
Wir schlagen uns durch die Horden von Touristen hinunter in's Tal, meine Spekulation, dass um die Mittagszeit wohl noch nicht so viele Leute auf dem Weg nach unten sind, ist nicht ganz aufgegangen. Nach fast einer Stunde Fahrt in dem reichlich vollen Bus kommen wir aber dennoch glücklich an und laufen die paar Meter in den Ort. Erste Station: Schwertladen. Nach ein paar Anläufen fällt mir doch endlich wieder ein, welcher Laden Lins Tante gehört.Ich habe die ausschließlich chinesisch gedruckte Visitenkarte in der Hand, die hilft beim Wiedererkennen aber nicht wirklich weiter. Allerdings hellt sich die Miene des Ladenbesitzers auf, als er mich anhand der Karte als Kundin erkennt. Ich wappne mich, ich weiß, dass ich jetzt handeln muss und ich weiß auch, dass ich das nicht kann. Ich greife zielsicher zu den Damast-Schwertern, sortiere gleich zwei aus, die mangelhaft verarbeitet sind, halte das Auserwählte dem Mann hin: "Duoshao qian? - was kostet das?" Er nennt den erwarteten Preis, 880 Yuan. Ich hole tief Luft: "vor zwei Wochen habe ich hier schon zwei Schwerter gekauft und ein Freund von mir hatfür dieses Schwert 550 Yuan bezahlt!" Er schaut mich an. O.K. 550 Kuai. Ich bin fassungslos. Ich war auf endlose Diskussionen eingestellt, zumal Lins Tante ziemlich hartleibig beim Handeln war. Verwirrt zücke ich den Geldbeutel, habe ich das wirklich richtig verstanden? Jaja, wir sind ja schließlich alte Freunde, das passt schon. Etwas nachdenklich verlasse ich den Laden, bin aber glücklich, dieses Schwert in den Händen zu halten und hoffe, mit ein wenig Muskeltraining damit auch üben zu können.
Im Supermarkt erstehen wir noch ein paar überlebenswichtige Dinge. Viktoria hat sich in eine himmelblaue Waschschüssel verliebt, in deren Mitte zwei allerliebste pausbäckige Engelchen mit einem Hundebaby spielen. Ich kann ihre Begeisterung verstehen und bestärke sie "ja, die musst du kaufen, so etwas darf in keinem Haushalt fehlen". Ich selbst entdecke eine niedliche herzförmige Wärmflasche mit aufgedruckten Erdbeeren und Kätzchen drauf, die muss natürlich mit. Weil mir meine Haarsträhnen beim Training ständig in's Gesicht fallen, suche ich nach Haarspangen und entdecke wunderschöne "Hello-Kitty"-Klippse. Und welche mit Totenköpfen drauf. Mit unseren Schätzen bepackt machen wir uns wieder auf den Heimweg.
Auf dem Berg werden wir bereits erwartet, schnell das Zeug verrümpelt und antreten zum Jaozi machen. Mein bizarrer Haarschmuck wird bewundert, ich trage natürlich die Hello-Kitty-Spangen zusammen mit den Totenköpfen. Yin und Yang. Wie im echten Leben.
Im Ballsaal wurden die Tischtennisplatten mal wieder umfunktioniert, die eine Hälfte mit Plastik abgeklebt, die andere mit Zeitungen ausgelegt. Teig und Füllung sind bereit, es kann losgehen. Zhang Zen ist schon voller Tatendrang, er hat sich an den Teig-Tisch gestellt und fängt schon einmal an, Würste zu formen und mit dem Hackmesser in kleine Portionen zu schneiden. Das sieht schon mal richtig professionell aus. Unser Klassenkamerad Dou stellt sich neben ihn und fängt an, aus den kleinen Teigstücken mit einem kleinen dicken Holzstab runde Läppchen auszurollen. Das macht er offensichtlich auch nicht zum ersten Mal. Wir anderen stehen erst einmal unschlüssig in der Gegend herum, ich fotografiere lieber erstmal und kucke, was weiter passiert. Nachdem einige Teiglappen fertig sind, schnappen sich diese ein paar chinesische Mitschüler und fangen mit dem Befüllen und Formen an. Mittlerweile hat Guan ein paar riesige Dämpfbehälter aus der Küche angeschleppt und diese auf die Tischtennisplatte gewuchtet. Nun geht es richtig los. Jeder fängt an, Taschen zu bauen, nach eigener Landessitte. Da gibt es Plinis, Tortelinis, Maultäschle (die aussehen, als hätten sie einen Verkehrsunfall erlitten, die stammen natürlich von mir), kleine Säckchen...ein junger Mann zeigt mir, wie es richtig geht: die Füllung in die Mitte, zusammenfalten, oben zudrücken, an beiden Seiten einschlagen, dann die eine Hand zu einer lockeren Faust ballen, die Teigtasche so auf die offene Faust legen, dass die Füllung in der Öffnung hängt und die zusammengelegten Teigstücke auf dem gekrümmten Zeigefinger liegen, die gerade Kante zeigt zum Daumen. Nun mit der anderen Hand flachdrücken. Fertig.
Wir sind mit Feuereifer bei der Sache, sind mittlerweile alle voller Mehlstaub, es wird viel gelacht und Guans mutmaßlicher Plan, die Mitglieder unserer Gruppe einander näher zu bringen, ist voll aufgegangen. Bei solchen Aktionen sind die Sprachbarrieren schnell überwunden, wir verstehen uns ohne Worte, helfen einander und endlich mischen sich die Gruppen auch einmal. Guan achtet sehr darauf, dass sich niemand ausklinkt. Ob sich alle vorher die Hände gewaschen haben? Wen interessiert das...
Viele Grüße aus dem Grand-Hotel
Gestern beim Nachmittagstraining die ganz große Überraschung: Grace huscht auf den Spielplatz: bitte nach dem Unterricht ohne schuldhaftes Zögern Gepäck zusammenraffen und umziehen! Ich fasse es nicht - nach 3 Wochen Dasein als Grotten-Olm in einem feuchten, klammen Zimmer (aber immerhin mit Dusche!) mit Felsenblick und nicht funktionierendem elektronischen
Türschließer (was zu einem sehr innigen Verhältnis zu den Elfen geführt hat) darf ich wieder an's Tageslicht! So schnell habe ich noch nie gepackt, in 15 Minuten bin ich abmarschbereit, Viktoria und Grace helfen mir, mein Geraffel rüber in die Akademie zu schleppen und ich darf mein neues, noch jungfräuliches Zimmer beziehen. Ich bin die erste Gästin. Alles ganz neu.
Zimmer 410 in der Daoistischen Wushu-Akademie zu Wudang Shan - von mir persönlich eingeweiht! Irgendwo werde ich an einer unauffälligen Stelle meinen Namen hineinritzen. Auf ewig mein. Ich bin so dankbar, endlich in ein trockenes Nest zu steigen und die Aussicht, morgen früh mit Blick in die Berge zu erwachen (na ja, vielleicht auch nicht, um 5.00 h ist es natürlich noch stockfinster), dass ich die winzigen baulichen Mängelchen gnädig übersehe. Nun kommen endlich auch die Kleinigkeiten zum Einsatz, die im Gästehaus völlig überflüssig waren, wie meine hochsaugfähigen papierdünnen Super-Trecking-Handtücher, der Schwamm, das Putzmittel...glücklicherweise habe ich mir in einem hellen Moment noch schnell das Klopapier aus dem Gästehaus geschnappt. Tassen gibt es auch keine, Grace bietet mir zwar großzügig ihre eigene an, aber ich habe ja mein chinesisches Tee-Transportgefäß, dass ich sonst immer zum Training mitschleppe, nun dient es halt als Tee-, Kaffee- und Bierglas.
Beflügelt schwebe ich zum Abendtraining. Guan hatte in einem unbedachten Moment geäußert, dass ich die Form in 4 Tagen - zumindest dem Aufbau nach - gelernt haben werde. Ich hatte nach seiner ersten Ansage überhaupt nicht damit gerechnet, während meines Aufenthalts fertig zu werden, vielleicht bin ich ja doch nicht so talentfrei, wie ich mich nach Guans Kommentaren meist fühle...
Ich schaue kurz Viktoria zu, die sich für eine absolut exotische Waffenform entschieden hat: Fu Chen - die für Wudang typische Rosshaar-Peitsche. Guan ist zunächst verblüfft, diese Gattung ist normalerweise überhaupt nicht gefragt. Es reizt ihn aber offensichtlich, auch das einmal zu unterrichten.Er führt kurz vor, sehr beeindruckend, sehr schnelle Drehungen und Wirbel - er schaut Viktoria an: Nachmachen! Der Blick ist Gold wert. Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Strenger Blick von Guan: "Practice" - Üb' gefälligst! Ja, schon gut...
Viktoria hatte mir erzählt, dass sie zu Hause Shaolin-KungFu trainiert. Nun denkt sie daran, dass sie sich wg. des Alters langsam etwas Ruhigeres sucht, da sie wohl nicht mehr ewig die hohen Sprünge und Tritte machen kann. So ist sie auf Wudang gekommen. Sie ist 44. Ein Jahr älter als ich. Mit Interesse nehme ich zur Kenntnis, dass ich mich demnach schon vor Jahren auf's Kampfkunst-Altenteil begeben habe.
Das lasse ich einfach mal so da stehen.
Nach dem Training weiht Guan Viktoria in die Trainingszeiten ein, erwähnt auch das Morgentraining um 6.00 h. Und dass er da "nicht immer" dabei ist. Weil er da meditiert. Ohne rot zu werden. Er erzählt weiter, wie so der Tagesablauf ist, wir plaudern noch ein wenig. Ich bin langsam müde und verabschiede mich. "Ich gehe jetzt hoch. Meditieren." Irritiert schaut Guan mir hinterher.
Als ich mit Viktoria in's Haus gehe, schwärmt sie: d a s ist es, plant schon ihre Wudang-Zukunft - klarer Fall von Wudang Fieber. Hatte ich mir schon gedacht.
01.10.08
Beim gestrigen Morgentraining wusste Guan uns die Zeit damit zu vertreiben, dass er uns zu verschärften Pratzen-Training animiert hat. Ich trainiere mit Viktoria zusammen und stelle schnell den feinen Unterschied zwischen meinem bisherigen Weichei-Training und der Shaolin-Variante fest. Ich lerne einiges und mit schmerzenden Knochen beschließe ich, den Vorstand für den Ankauf solcher Dinger zu begeistern. Ohne gezieltes Schlag- und Tritt-Training wird das nichts und so gebe ich alles, wenn es auch nicht viel ist. Erst als Zhang Zen seitliche Tritte aus der Hüfte ansagt, winken wir beide ab: das Alter...
Nach dem Training beordert uns Guan für 15.30 h in den unteren Ballsaal. Wiemeist gibt es auf die Frage wieso? Weshalb?Warum? nur die Antwort: "Bringt was zu Schreiben mit!" Aha. Als wir auflaufen, führt er uns in den "Schulsaal". Dort erhalten die Schüler ihren Schulunterricht. Den gibt es aber nur bei schlechtem Wetter. Heute ist tolles Wetter, deshalb sind die Schüler draußen. Und wir drinnen. Und harren gespannt der Dinge, die da kommen. Guan baut sich vor der Tafel auf, räuspert sich kurz, dann geht es los: "Was Sie schon immer über Atmung und Qi wissen wollten, aber nie zu fragen wagten"...wahrscheinlich. Zumindest sind das die wenigen Brocken, die ich verstanden habe. Guan hält den Unterricht ausschließlich auf Chinesisch, was den Kreis der verständigen Zuhörer ziemlich einschränkt. Zur Verdeutlichung malt er Bilder und Zahlen auf die Tafel, die allerdings nicht unbedingt zur Erhellung beitragen. Zwanglos haben beim Platznehmen in dem Schulraum drei Sprachgruppen zueinander gefunden, die jeweils zusammen sitzen: eine chinesische, eine russische und eine englische. Die Gruppen beginnen, untereinander zu diskutieren, um wenigstens ein bisschen was zu begreifen. Dummerweise sitze ich in der russischen Sprachgruppe, was meinem Verständnis nicht gerade dienlich ist.
Gelangweilt schaue ich mich um, mein Blick trifft auf Yaorou, die offensichtlich dabei ist, ihr Zeichentalent zu schulen. Zhang Zen ist gar nicht erst erschienen, hatte wohl einen wichtigen Termin...Stimmung wie in meiner Schulzeit, fast jeder schwätzt mit seinem Nachbarn oder blickt sehnsüchtig nach draußen, wo es - im Gegensatz zu dem kühlen Schulraum - kuschelig warm ist. Ich warte darauf, dass irgendjemand Papierflieger faltet und durch die Klasse schickt oder Papierkügelchen mit einem aus einer Kuli-Hülle gebauten Blasrohr auf den Lehrer schießt...aber dafür sind wir dann doch zu feige.
Der Versuch, in dem 40iger-Jahre-Mobiliar eine bequeme Position zu finden ist aussichtslos, da die Bestuhlung und die Pulte halt für Kindergrößen gedacht sind. Unauffällig mache ich ein paar Fotos der Szenerie...bloß nicht erwischen lassen, sonst gibt es bestimmt einen Eintrag in's Klassenbuch, oder - noch schlimmer - ich muss nachsitzen!
Am Ende der zweistündigen Veranstaltung fasst Youki für die Englisch-Sprechenden den Inhalt in drei Sätzen zusammen. Ich werde wohl doch das Werk von Altmeister Wang, dem Lehrer von Guan, selbst lesen müssen.
Heute ist chinesischer Nationalfeiertag, eingebettet in die "Golden Week", in der die Chinesen arbeitsfrei haben und sich auf Wanderschaft begeben. Fast das ganze Land ist auf Reisen, die Busse werden unzählige Touristen ausspucken, so dass heute nicht unbedingt der günstigste Tag ist, um einen der umliegenden Tempel zu besichtigen. Bevor wir in's "Wochenende" entlassen werden, hat sich Guan noch etwas Nettes ausgedacht, nach kurzem Aufwärmtraining ruft er die Truppe zusammen: Vorführen! Jeder das, was er in der letzten Woche gelernt hat. Und der Rest soll aufmerksam beobachten und hinterher dem Delinquenten mitteilen, was auffällig und verbesserungswürdig ist. Toll. Ich liebe solche Aktionen sehr, glücklicherweise bin ich gleich als zweite dran, huddele die Form lieblos durch, was von dem kritischen Publikum natürlich entsprechend gewürdigt wird. Ist mir völlig egal, Hauptsache, ich habe es hinter mir. Danach ist natürlich keine Entspannung angesagt, da Guan jeden einzelnen zur Manöverkritik auffordert, da muss man sich schon mal schnell was aus den Fingern saugen.
Die "Prüfung" gefällt Guan so sehr, dass er uns verspricht, dies nun jeden Mittwoch durchzuziehen. Xiexie, Shifu.
Nun möchte ich schnell in die Stadt, normalerweise ist der Nachmittag ja frei. Heute hat der Chef-Animateur unseres ganz besonderen Robinson-Clubs aber noch einen Plan: um 15.30 h alle antreten - wir basteln zusammen Jiaozi. Dies sind gefüllte Teigtaschen, die ich sehr liebe, hier aber ziemlich selten (eigentlich gar nicht, um genau zu sein) bekomme, weil es sich zum einen eher um eine Spezialität aus dem Norden handelt und zum anderen die Herstellung ziemlich aufwändig ist. Schade, dass es gerade heute sein muss, aber Guan ist da gnadenlos. Da Viktoria morgen keinen freien Tag hat und mich gebeten hat, bei ihrem Einzeltraining zu übersetzen - ihr Wunglish sitzt noch nicht so richtig -, können wir den Ausflug nach Laoying auch nicht verschieben. Erst nachdem wir hoch und heilig versprochen haben, rechtzeitig wieder in der Akademie zu sein, werden wir in Gnaden entlassen.
Wir schlagen uns durch die Horden von Touristen hinunter in's Tal, meine Spekulation, dass um die Mittagszeit wohl noch nicht so viele Leute auf dem Weg nach unten sind, ist nicht ganz aufgegangen. Nach fast einer Stunde Fahrt in dem reichlich vollen Bus kommen wir aber dennoch glücklich an und laufen die paar Meter in den Ort. Erste Station: Schwertladen. Nach ein paar Anläufen fällt mir doch endlich wieder ein, welcher Laden Lins Tante gehört.Ich habe die ausschließlich chinesisch gedruckte Visitenkarte in der Hand, die hilft beim Wiedererkennen aber nicht wirklich weiter. Allerdings hellt sich die Miene des Ladenbesitzers auf, als er mich anhand der Karte als Kundin erkennt. Ich wappne mich, ich weiß, dass ich jetzt handeln muss und ich weiß auch, dass ich das nicht kann. Ich greife zielsicher zu den Damast-Schwertern, sortiere gleich zwei aus, die mangelhaft verarbeitet sind, halte das Auserwählte dem Mann hin: "Duoshao qian? - was kostet das?" Er nennt den erwarteten Preis, 880 Yuan. Ich hole tief Luft: "vor zwei Wochen habe ich hier schon zwei Schwerter gekauft und ein Freund von mir hatfür dieses Schwert 550 Yuan bezahlt!" Er schaut mich an. O.K. 550 Kuai. Ich bin fassungslos. Ich war auf endlose Diskussionen eingestellt, zumal Lins Tante ziemlich hartleibig beim Handeln war. Verwirrt zücke ich den Geldbeutel, habe ich das wirklich richtig verstanden? Jaja, wir sind ja schließlich alte Freunde, das passt schon. Etwas nachdenklich verlasse ich den Laden, bin aber glücklich, dieses Schwert in den Händen zu halten und hoffe, mit ein wenig Muskeltraining damit auch üben zu können.
Im Supermarkt erstehen wir noch ein paar überlebenswichtige Dinge. Viktoria hat sich in eine himmelblaue Waschschüssel verliebt, in deren Mitte zwei allerliebste pausbäckige Engelchen mit einem Hundebaby spielen. Ich kann ihre Begeisterung verstehen und bestärke sie "ja, die musst du kaufen, so etwas darf in keinem Haushalt fehlen". Ich selbst entdecke eine niedliche herzförmige Wärmflasche mit aufgedruckten Erdbeeren und Kätzchen drauf, die muss natürlich mit. Weil mir meine Haarsträhnen beim Training ständig in's Gesicht fallen, suche ich nach Haarspangen und entdecke wunderschöne "Hello-Kitty"-Klippse. Und welche mit Totenköpfen drauf. Mit unseren Schätzen bepackt machen wir uns wieder auf den Heimweg.
Auf dem Berg werden wir bereits erwartet, schnell das Zeug verrümpelt und antreten zum Jaozi machen. Mein bizarrer Haarschmuck wird bewundert, ich trage natürlich die Hello-Kitty-Spangen zusammen mit den Totenköpfen. Yin und Yang. Wie im echten Leben.
Im Ballsaal wurden die Tischtennisplatten mal wieder umfunktioniert, die eine Hälfte mit Plastik abgeklebt, die andere mit Zeitungen ausgelegt. Teig und Füllung sind bereit, es kann losgehen. Zhang Zen ist schon voller Tatendrang, er hat sich an den Teig-Tisch gestellt und fängt schon einmal an, Würste zu formen und mit dem Hackmesser in kleine Portionen zu schneiden. Das sieht schon mal richtig professionell aus. Unser Klassenkamerad Dou stellt sich neben ihn und fängt an, aus den kleinen Teigstücken mit einem kleinen dicken Holzstab runde Läppchen auszurollen. Das macht er offensichtlich auch nicht zum ersten Mal. Wir anderen stehen erst einmal unschlüssig in der Gegend herum, ich fotografiere lieber erstmal und kucke, was weiter passiert. Nachdem einige Teiglappen fertig sind, schnappen sich diese ein paar chinesische Mitschüler und fangen mit dem Befüllen und Formen an. Mittlerweile hat Guan ein paar riesige Dämpfbehälter aus der Küche angeschleppt und diese auf die Tischtennisplatte gewuchtet. Nun geht es richtig los. Jeder fängt an, Taschen zu bauen, nach eigener Landessitte. Da gibt es Plinis, Tortelinis, Maultäschle (die aussehen, als hätten sie einen Verkehrsunfall erlitten, die stammen natürlich von mir), kleine Säckchen...ein junger Mann zeigt mir, wie es richtig geht: die Füllung in die Mitte, zusammenfalten, oben zudrücken, an beiden Seiten einschlagen, dann die eine Hand zu einer lockeren Faust ballen, die Teigtasche so auf die offene Faust legen, dass die Füllung in der Öffnung hängt und die zusammengelegten Teigstücke auf dem gekrümmten Zeigefinger liegen, die gerade Kante zeigt zum Daumen. Nun mit der anderen Hand flachdrücken. Fertig.
Wir sind mit Feuereifer bei der Sache, sind mittlerweile alle voller Mehlstaub, es wird viel gelacht und Guans mutmaßlicher Plan, die Mitglieder unserer Gruppe einander näher zu bringen, ist voll aufgegangen. Bei solchen Aktionen sind die Sprachbarrieren schnell überwunden, wir verstehen uns ohne Worte, helfen einander und endlich mischen sich die Gruppen auch einmal. Guan achtet sehr darauf, dass sich niemand ausklinkt. Ob sich alle vorher die Hände gewaschen haben? Wen interessiert das...
Viele Grüße aus dem Grand-Hotel
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