29.12.2017

Der alte Jia

Oberhalb des Zixiaogong, dem Palast der Purpurnen Wolken, in den Wudang Bergen, befindet sich die Höhle des Prinzen - Taizidong. Dort lebt der alte Jia Yongxiang, auch Bienen Daoist genannt, weil sich über viele Jahre ein Bienenschwarm in einem alten Schrank auf seiner Terrasse eingenistet hat.
Dieser Beitrag ist ein kleines Lehrstück über Internet Informationen.
Es gibt irgendwo im Netz eine Webseite, die über Wudangshan berichtet, der Autor aber offenbar noch nie dort war. Es heißt über die Höhle des Prinzen, sie würde noch heute von den Bienen Daoisten (Plural!) genutzt. Als würde es eine Sekte der Bienen Daoisten geben.

Wir unterhielten uns heute über den alten Jia und es tauchte wie immer die Frage nach seinem Alter auf. Da ich einmal einen Artikel einer chinesischen Zeitung über ihn gefunden hatte, wusste ich, er ist nicht so alt, wie meist vorgegeben wird. Auch den chinesischen Mönchen gefällt es, von dem Hundertjährigen zu reden. Im Internet wird er oft schon auf mehr als hundert Jahre alt ausgegeben. Dabei schreiben die meisten wortwörtlich von einander ab.
Beispiel: "... he has been living as a hermit for about 30 years. It is unknown how many years he exactly is, but some people say that he is more than 100 years old." (http://zhendaopai.com/daoist-monk/)

Photo vom 19. Juni 2015


Nun, ich habe natürlich den Artikel vom Mai 2011 wieder gefunden und hier einige Auszüge, die ich für realistisch halte.

"The 76-year-old, wearing a well-worn Taoist hat and dark blue robe, laughs happily..."
Demnach ist der alte Jia jetzt ca. 82 oder 83 Jahre alt. 

"Jia was a farmer in Xiangyang, Hubei province, and was diagnosed with hepatitis, gastritis, pneumonia and an inflamed gall bladder more than 20 years ago.
At first he grew vegetables at the foot of the mountains and for a while lived in a small garden building."

"He moved to the cavern in the 1990s, where he could practice Taoism alone, doing meditation and chanting."

"Enjoying his simple life in the remote place, he has never left the area around the cavern for years. He gets up at 5 am, then does his daily morning prayer and meditation. After breakfast, he cleans the cavern, including the long stone path."

"Listening to the radio and reading are his only ways to keep in touch with the outside world.
"I subscribe to newspapers and magazines and read them every day, as I'm concerned about national affairs," he says."


Ich liebe den alten Jia und ich amüsiere mich auch gerne über die Übertreibungen, die anscheinend den Medien, auch den 'seriösen', innewohnend sind. Die Wirklichkeit, so wie sie ist, erscheint mir schon faszinierend genug. Den meisten Menschen wohl nicht. Sie müssen immer noch einen drauf setzen. Möge der alte Jia noch lange leben, damit man ihn bald schon als 200jährigen ausgeben kann.  

13.12.2017

Gefühle nach dem Kalender

Eigentlich ist es ja ein bißchen merkwürdig: wenn nur noch wenige dünne Kalenderblätter den Abreißer vom 24. Dezember trennen, so senkt sich jenes weihnachtliche Gefühl auf ihn hernieder, das ihr alle kennt. Er wird ein bißchen weich, er wird ein wenig träumerisch, und wenn der ganze Apparat des Einkaufs vorbeigeklappert ist, wenn all das Tosen und Wirken vorüber ist, dann saugt er doch an seiner Weihnachtszigarre und denkt sich dies und das und allerlei. Aber wie denn? Kann man denn seine Gefühle kommandieren –? Kann man denn – nach dem Kalender – seine Empfindungen regeln?

Man kanns nicht. Der Schnurriker Mynona erzählt einmal die Geschichte vom Schauspieler Nesselgrün, dem es plötzlich einfiel, sein ihm zustehendes Weihnachten im August zu feiern – und unter unendlichem Hallo geht denn diese deplacierte Festlichkeit auch vor sich. Aber wir haben doch gelacht, als wir das lasen. Könnten wir andern das auch? Es ist wohl nicht nur die Furcht, uns lächerlich zu machen – es muß noch etwas anderes sein.

Der Grund, dass wir wirklich – jeden Weihnachten – in jedem Jahr – immer aufs neue imstande sind, genau um den 25. Dezember herum die gleichen starken Gefühle zu hegen, liegt doch wohl darin, daß sie sich angesammelt haben. Es muß doch irgend etwas da sein, das tropfenweise anschwillt, das ganze Jahr hindurch.

Schließlich ist doch der Kalender etwas ganz Äußerliches, Relatives, wir sind in gewisser Hinsicht mit ihm verwachsen – aber die Zeit ist nicht in uns, wir sind in der Zeit. Und das kleine Blättchen, das den Vierundzwanzigsten anzeigt, ist kein Grund, es ist ein Signal und ein Anlaß.

Ich habe immer das Gefühl, als ob wir jede Woche im Jahr weihnachtliche Empfindungen genug aufbrächten – aber gute Kaufleute, die wir sind, legen wir sie ›in kleinen Posten‹ zurück, bis es sich einmal lohnt. Im Dezember ist dann das Maß meist voll.

Ist es nicht schließlich mit jedem Gedenktag so –? Warum sollen wir gerade am neunzehnten an sie denken, und warum nicht einen Tag später –? ›Heute vor einem Jahr – -‹ ach Gott, entweder wir empfinden immer, dass sie auf der Welt ist – oder wir empfindens am neunzehnten auch nur konventionell. Gefühle nach dem Kalender –: das geht nur, wenn der Kalender sie ins Rollen bringt.

Gefühle nach dem Kalender ... Wir haben alle nur keine Zeit, um gut zu sein, wie? Wir haben nur alle keine Zeit. Und müssen tausend- und tausendmal herunterschlucken und herunterdrücken und sind vielleicht im Grunde alle froh, allweihnachtlich einen Anlaß gefunden zu haben, den gestauten Sentiments freien Lauf zu lassen. Wer erst nach dem Kalenderblatt sieht, sich vor den Kopf schlägt und »Ach, richtig!« ruft – dem ist nicht zu helfen.


Vielleicht hat diese neue – ehemals große – Zeit manches am deutschen Weihnachtsfeste geändert. Ich weiß nicht, obs innerlich geworden ist. Es täte uns so not – nicht aus Gründen der Religion, die jedermanns Privatsache ist – sondern aus Gründen der Kultur. Diesem Volk schlägt ein Herz, aber es liegen so viel Kompressen darauf.

Reißt sie ab. Wagt einmal (was besonders dem Norddeutschen schwer und sauer fällt), wagt einmal, geradeaus zu empfinden. Und wenn euch das Fest nach all dem, was geschehen ist, doppelt lieb, aber doppelt schwierig erscheint, dann denkt daran, wie ihr es im Feld gefeiert habt, und wo – und denkt daran, wie es ein Halt gewesen ist gegen die Lasten des äußern und innern Feindes, und wie schon das Datum, wie schon der Kalender Trost war in verdammt schwarzen Tagen. Und – weil wir hier gerade alle versammelt sind – denkt schließlich und zu guter Letzt – auch an etwas anderes.

Nach dem Kalender fühlen ... Aber habt ihr einmal geliebt ... ? Die Damen sehen in ihren Schoß, und die Herren lächeln so unmerklich, dass ich von meiner Kanzel her Mühe habe, es zu erkennen. Also ihr habt geliebt, und ihr – ich sehe keinen an – liebt noch. Nun, ihr Herren, und wenn sie Geburstag hat? Nun, ihr Herren, und wenn der Tag auf dem Kalender steht, an dem ihr sie zum erstenmal geküßt habt –? Nun?

Ihr feiert das. Was im ganzen Jahr künstlich oder zufällig zurückgedämmt war – er bricht – wenns eine richtige Liebe ist – elementar an solchem Tage hervor aus tiefen Quellen. Der Tag, dieser dumme Tag, der doch gleich allen anderen sein sollte, ist geheiligt und festlich und feierlich und freundlich – und ihr denkt und fühlt: sie – und nur sie. Nach dem Kalender ... ?

Nicht nach dem Kalender. Ihr tragt alle den Kalender in euch. Es ist ja nicht das Datum oder die bewußte Empfindung, heute müsse man nun ... Es ist, wenn ihr überhaupt wißt, was ein Festtag ist, was Weihnachten ist: euer Herz.

Laßt uns einmal von dem Festtags-›Rummel‹ absehen, der in einer großen Stadt unvermeidlich ist. Laßt uns einmal daran denken, wie Weihnachten gefeiert werden kann, unter wenigen Menschen, die sich verstehen. Das ist kein Ansichtskarten-Weihnachten. Das ist nicht das Weihnachten des vierundzwanzigsten Dezembers allein – es ist das Weihnachten der Seele. Gibt es das –?

Es soll es geben. Und gibt es auch, wenn ihr nur wollt. Grüßt, ihr Herren, die Damen, küßt ihnen leise die Hand (bitte in meinem Auftrag) und sagt ihnen, man könne sogar seine Gefühle nach dem Kalender regeln: zum Geburtstag, zum Gedenktag – und zu Weihnachten.

Aber man muß welche haben.


Peter Panter (Kurt Tucholsky)

Berliner Tageblatt, 24.12.1919, Nr. 616.

29.11.2017

Die traditionellen chinesischen Kampfkünste im 20 Jahrhundert

Mit der Gründung der Volksrepublik China 1949 durch Mao Zidong wurden alle traditionellen Wert, Künste und Philosophien als feudalistisch angesehen und verpönt, teilweise offiziell verboten.
In den frühen 50er Jahren aber schon musste Mao erkennen, dass in dem riesigen Land eine gesundheitliche Versorgung einzig durch westliche Medizin nicht möglich war, schon allein weil die Mediziner fehlten. So wurden einerseits meist junge Leute als sogenannte Barfussdoktor ausgebildet, die mit einer einfachen Ausstattung traditionellen Heilwissens, Kräuterkunde und einfacher Akupunktur über Land zogen. Andererseits ließ Mao von einigen linientreuen Kampfkünstlern eine vereinfachte Form des Taijiquan entwickeln, die im Westen auch als Peking-Form bekannt wurde. Diese Form wurde in allen Schulen, Universitäten, im Militär und auch in den Fabriken verbreitet. Es war aber nur noch Volksgymnastik und hatte mit ursprünglischem Taijiquan nicht viel gemeinsam. In späteren Jahren wurden auch weitere Formen entwickelt, die vorwiegend für Wettkämpfe gedacht waren.



1966 schwankte Maos Macht, als Stabilisator rief er die Kulturrevolution aus. Er richtete seinen Aufruf besonders an die junge Generation und zielte dahin, alle Tradition der chinesischen Kultur zu vernichten. Ein radikalisierter Mob, Rote Garde genannt, zerstörte Tempel und historische Gebäude, marodierte durch die Provinzen, misshandelte, quälte und tötete Menschen, die im Verdacht standen, der nun verhassten Tradition in irgend einer Weise noch anzuhängen. So kamen auch alle Kampfkünste, Gesundheitsübungen und die klassische chinesische Medizin in Verruf. Ihre Vertreter konnten nur im geheimen weiter praktizieren, ständig unter Lebensgefahr. Auch die Zentren Buddhistischer und Daoistischer Kultur gerieten unter Beschuss. Shaolin und Wudangshan, die beiden Hochburgen der Kampfkünste, wurden geschlossen, verwaisten und waren dem Verfall anheim gegeben. Wenn es ihnen möglich war, flohen die Gong Fu Meister nach Taiwan oder ins Ausland. Wem dieser Weg verschlossen war, verbarg sich im Volk und verhielt sich still. So wurden die traditionellen Kampfkünste in den Westen getragen und fanden langsam Anhänger. Nachdem sich in China die Roten Garden ausgetobt hatten und die Parolen der Kulturrevolution kein Gehör mehr fanden, wandelte sich in der Volksrepublik auch die Einstellung zu Gong Fu und Qigong. Letztere wurden nun als Gesundheitsübungen gepriesen und im ganzen Land verbreitet. Was bis dahin nur in Klöstern oder Familienclans überliefert war, sollte nun allen zugänglich werden. Aus Gong Fu wurde Wushu, die Kampftechniken wurde versportlicht, auf das Niveau von Showveranstaltungen zurecht gestutzt, alle anderen Aspekte wurden daraus verbannt. Aber langsam setzte sich wieder die alte Kultur durch, Wissen, das schon verloren geglaubt war, kam aus dem Exil zurück ins Mutterland. So können wir heute wieder auf einen reichhaltigen Schatz der chinesischen Kultur zugreifen. Das Spektrum hat sich letztlich erweitert und es sind auch Einflüsse aus dem Westen in die Künste eingeflossen. Wichtig ist, dass es lebendig bleibt und nicht in musealer Trockenheit verstaubt.

28.11.2017

Die Nacht des Metall Affen 庚申夜


Nach daoistischer Vorstellung existieren Drei Dämonen (san shi 三尸, wörtlich: drei Körper) im Menschen, mitunter „die drei Würmer“ genannt. Alle 60 Tage, in der Nacht des Metall Affen (geng shen ri 庚申日) - dem Rhythmus des Mondkalenders folgend - verlassen die drei Dämonen den schlafenden Körper und reisen zum Himmel, um dort den Göttern über die Sünden der Person zu berichten. Danach wird die Lebensspanne des Menschen neu berechnet.

Um die Dämonen auszutricksen, sollte man in der Nacht des Metall Affen nicht schlafen. Einfach, nicht wahr. Die Daoisten nutzen statt dessen die Zeit zur Meditation. Auf diese Weise wollen sie die drei Dämonen beruhigen und im Laufe der Zeit verschwinden lassen. Gewöhnliche Leute meditieren nicht in dieser Nacht, aber halten sich mit Geschichten, Liedern und Tänzen wach.


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12.11.2017

Natürliches Duschgel selber machen

Zur Herstellung deines eigenen Duschgels benötigst du lediglich ein Stück Naturseife (alternativ funktioniert auch jede andere Pflegeseife) und Wasser. Dazu kommen folgende Utensilien:
  • Scharfes Messer oder Küchenreibe 
  • Hoher Topf 
  • Schneebesen 
  • Trichter 
  • Außerdem wird noch ein Behälter zum Abfüllen des Gels benötigt. 
In der Vergangenheit habe ich einfach eine Glasflasche mit Bügelverschluss verwendet. Wenn dir das Risiko von Glasbruch in der Dusche zu hoch ist, eignen sich auch gebrauchte Plastikflaschen von alten Duschgels oder Shampoos. Damit lässt sich das Gel besonders leicht dosieren. Für dieses Rezept kannst du Seifen aus dem Bioladen, Supermarkt, der Parfümerie oder am besten selbstgemachte Naturseifen verwenden. Beachte jedoch, dass jede Seife anders ist und du das optimale Verhältnis von Wasser zu Seife durch Probieren selbst herausfinden musst. Ich habe verschiedene Seifen ausprobiert und mein Lieblings-Gel habe ich mit einer bunten Mischung selbstgesiedeter Seifenreste erhalten. 
Hierfür benötigte ich ungefähr 200 g Seife und 500 ml Wasser. Für ein Duschgel mit einer Seife aus dem Supermarkt benötigte ich 100 g Seife und 700 ml Wasser. Beginne am besten mit weniger Wasser, verdünnen kannst du später immer noch. 
Zur Herstellung gehst du so vor: Zerkleinere ungefähr 100 g Seife. Weiche Stücke kannst du mit einem Messer in kleine Scheiben schneiden, bei härteren Seifen hilft eine Küchenreibe. Die Seife in einen hohen Topf mit 500 ml Wasser geben und unter konstantem Rühren kurz aufkochen. Die Seifenstücke sollten sich schnell auflösen und dabei stark schäumen. Nachdem sich die Seife aufgelöst hat, ist das Ergebnis noch sehr flüssig. Beim Abkühlen (dabei immer mal wieder umrühren) ändert sich die Konsistenz und es wird Gel-artig. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass die Konsistenz gleich beim ersten Versuch perfekt ist. Eine Nacht lang stehen lassen und am nächsten Tag erneut kräftig durchrühren. Mit Zugabe von Wasser oder Seife kannst du die Konsistenz jetzt nochmal nachjustieren, falls das Ergebnis noch zu flüssig oder zu fest ist. Wenn du mit der Konsistenz zufrieden bist, fülle das fertige Gel in deine Flaschen ab. Dabei solltest du sie aber nur zu zwei Dritteln befüllen. Es ist durchaus möglich, dass sich das Gel weiter verfestigt. Wenn dem so ist, gib unter der Dusche einfach etwas heißes Wasser mit in die Flache und schüttele sie. Vergiss nicht, dir bei der Herstellung zu notieren, wie viel Wasser und Seife du letztendlich verwendet hast. So kannst du das Rezept mit deiner Lieblingsseife ohne erneutes Experimentieren immer wieder nachkochen. 

Um ein besonders cremiges Duschgel zu erhalten, kannst du mit einem Mixer mit Rührbesen die fertige Masse mindestens eine Minute lang ausgiebig durchschlagen. Varianten für noch mehr Pflege Wenn du an Stelle von Wasser einen starken Kräutertee verwendest, z.B. aus Kamillenblüten, Salbei, Lindenblüten oder Thymian, erhält das fertige Duschbad noch mehr Pflegeeigenschaften durch die enthaltenen ätherischen Öle. Die meisten Heilkräuter haben eine leicht entzündungshemmende Wirkung und helfen so bei vielen Hautproblemen. Für noch mehr Hautpflege kannst du auch ein bis zwei Esslöffel Kokosöl, Olivenöl oder auch Mandelöl zum Duschgel geben, bevor du es mit dem Mixer durchschlägst. Das Öl verteilt sich sehr fein im Pflegeduschbad und sorgt später für ein wunderbares Hautgefühl. Ideal, wenn deine Haut durch Seife zur Austrocknung neigt.

Quelle: https://www.smarticular.net/natuerliches-duschgel-selbermachen-das-einfachste-rezept/?utm_source=smarticular.net+-+Top+Tipps&utm_campaign=76bbef2a25-EMAIL_CAMPAIGN_2017_11_12&utm_medium=email&utm_term=0_d524dfebe2-76bbef2a25-273618925
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05.11.2017

Wie das Qi in den Körper kommt

Im Augenblick unserer Zeugung entsteht das Yuan- oder Erb-Qi. Es lagert im Bereich der Nieren und verbraucht sich im Laufe des Lebens. Yuan-Qi kann nicht erneuert werden. Während der embryonalen Phase baut sich langsam das Qi im Körper auf und reguliert unsere Entwicklung. Ich werde diesem Prozess einen eigenen Beitrag widmen.

Nach der Geburt beginnt der folgend beschrieben Qi-Kreislauf. Wir verbrauchen Energie, für Wachstum und Entwicklung, bei der Bewegung, dem Denken und Fühlen, oder einfach gesagt: um zu leben. Wir gewinnen Qi primär aus Atmung und Nahrung.

Im Körper wird das Feinstoffliche der Nahrung (Gu Qi) im Magen freigesetzt, über die Milz zur Lunge geführt, wo es mit dem Feinstofflichen der Atmung (Da Qi) das Zong Qi bildet. Von diesem geht ein Teil direkt über das Herz ins Blut und wird so im ganzen Körper verteilt. Der andere Teil wird mit einer Prise Yuan-Qi aus den Nieren verfeinert und bildet das Wahre- oder Zhen-Qi. Der größte Teil des Zhen-Qi zirkuliert in den Leitbahnen und durch die Organe im Inneren des Körpers. Es wird Ying-Qi genannt. Der verbleibende Teil bewegt sich als Schutz- oder Wei-Qi an der Oberfläche des Körpers um schädigende Einflüsse abzuwehren. Nimmt das Wei-Qi ab, zieht es sich in den Körper zurück. Der Mensch empfindet diesen Vorgang als Müdigkeit. Er sollte sich in einen sicheren Bereich zurückziehen und schlafen, während das Wei-Qi auf seinem Weg durch die Organe gestärkt wird und an die Körperoberfläche zurückkehrt. Es tritt durch die Augen nach außen, weshalb wir dann die Augen öffnen und ausgeschlafen sind.


Während wir einatmen, betritt das Qi die Nieren und wird von dort an die Leber gereicht. In der Zeit zwischen ein- und ausatmen übernimmt die Milz das Qi der Nahrung. Wenn wir wieder ausatmen, tritt das Qi aus dem Herzen und begibt sich zur Lunge. Können die Nieren das Qi nicht halten, steigt es wieder nach oben und staut im oberen Brustraum. Es ist die häufige Ursache von chronischem Asthma.

Das Qi und die Essenz der Nieren sind verantwortlich für die Entwicklung des Gehirns und seiner Funktionen einschließlich des Gehörs, für den Zu- stand der Knochenstruktur, die Funktion des Knochenmarks, die sexuellen Funktionen, Sie erzeugen die geistigen Funktionen der Willenskraft und der Furcht.In gesundem Gleichgewicht sorgen sie für ein angemessenes Voran- gehen und Zurückhalten.

Der Zustand der Essenz bestimmt den Zustand der Nieren-Funktionen.

Ist die Essenz üppig und reichlich vorhanden, dann ist die Niere stark. Da- raus resultiert große Vitalität, sexuelle Kraft und Fruchtbarkeit. Wenn die Essenz schwach ist, dann ist auch die Niere schwach. Dann mangelt es an Vitalität und der Prozess des Alterns mit all seinen Erscheinungsformen tritt ein.

Das Altern ist auf ein physiologisches Schwächerwerden der Essenz im Laufe des Lebens zurückzuführen. Im Verlauf der Jahre verliert der Mensch immer mehr Nieren-Qi und -Essenz. Da die Essenz des Yuan-Qi nicht erneuert werden kann, verblasst das Lebenslicht, es geht zu Ende.

Ab der Lebensmitte entwickeln Menschen Anzeichen und Symptome des Alterns. Zu ihnen zählen Vergesslichkeit, schwächerer Haarwuchs und Er- grauen der Haare, Nachlassen der Sexualität und Unfruchtbarkeit, die Knochendichte nimmt ab, was die Gefahr für Brüche erhöht. Das Risiko, krank und arbeitsunfähig zu werden, nimmt im fortgeschrittenen Alter zu, dennoch ist eine schlechte Gesundheit keine unumgängliche Konsequenz des Alterns.
Hier eröffnet sich ein tieferer Sinn des Qigong: durch regelmäßiges Üben die Essenzen in gute Kondition zu bringen und zu erhalten und sparsam zu verbrauchen. Ein langes Leben in körperlich und geistig guter Qualität ist das Ziel. Mit einer gesunden Lebensführung, einer ausgewogenen Diät, körperlicher Aktivität, gepaart mit ausreichenden Ruhephasen, einem regelmäßigen und dem Alter angemessenen Sexualleben und vor allem einem angstfreien Dasein sollte dieses Ziel mühelos erreichbar sein.


aus meinem Buch "Der Zwölfteilige Brokat - und alles andere" ISBN 978-3735784841

21.10.2017

Doppeltes Yang

Am neunten Tag des neunten Monats nach dem Mondkalender feiert man in China das Fest der doppelten Neun. Es heißt auch Chong Yang Fest. Das bedeutet doppeltes Yang. In der Yin-und-Yang-Theorie werden den beiden polaren Kräften auch Zahlen zugeordnet. Gerade Zahlen sind Yin, ungerade Zahlen sind Yang. Am 9.9. kommen die beiden höchsten Yang-Zahlen zusammen. Daher der Name. Wenn das Yang am größten wird, wechselt es über in Yin.

Chong Yang ist ein bedeutendes Fest in China seit alters her. Als Fest der goldenen Zeit des Herbstes hat es Ähnlichkeit mit dem Erntedankfest. So gehen die Menschen hinaus und genießen die letzte Farbenfreude der Natur, ehe es in den Winter geht. Schon vor über 2000 Jahren in der westlichen Han-Dynastie zogen die Menschen vor die Tore der Hauptstadt Chan'an auf eine Plattform, um die Schönheit der Natur zu betrachten. Daraus hat sich der Brauch entwickelt, zum Chong Yang-Fest auf eine Anhöhe zu steigen.


Was aber machen die Menschen, die in der Ebene leben, weitab von allen Bergen und Erhebungen? Sie machen ein Picknick und essen einen besonderen Kuchen. Das chinesische Wort für Kuchen ist Gao 糕, aber gao 高 heißt auch "hoch" . So wird das Essen eines Kuchens zum Ersatz für das Ersteigen eines Bergs.
(aus Yürgen Oster „Der Zwölfteilige Brokat - und alles andere“ BoD 2014)

Man führt Chrysanthemen mit sich oder stellt sie im Haus auf um die Luft zu reinigen und vor Krankheit bedingenden Einflüssen zu schützen. Da 99 ein hohes Alter bedeutet, wurde im modernen China das Chong Yang Fest zum Tag der Senioren umgewidmet.

In Wudangshan ist der 9.9. das Fest von Zhen Wus Erleuchtung. Nachdem der Prinz 42 Jahre seiner Selbstkultivierung gewidmet hatte, aber sich selbst noch nicht aufgeben konnte, kam ihm eine Gottheit zur Hilfe. In Gestalt einer schönen jungen Frau versuchte sie, ihn zu verführen. Er aber stieß sie so heftig zurück, dass sie in den Abgrund stürzte. Erschrocken sprang er ihr hinterher, ohne an sich selbst zu denken. In diesem Moment erlangte er Erleuchtung. Fünf Drachen stiegen aus der Tiefe auf und trugen ihn auf den höchsten Gipfel der Wudang Berge. Dort wurde er vom Herrscher des Himmels erwartet und zu einem Unsterblichen erklärt. (Kurzversion der Geschichte)



Dieses Jahr fällt der 9.9. des chinesischen Mondkalenders auf den 28. Oktober. Dazu feiern wir in Berlin mit Taiji Quan aus der Wudang Tradition. Weitere Info hier

08.10.2017

Warum ich nicht mehr in Eile bin

Bei meinen Übungen, dem Seidenfaden Qigong zum Beispiel oder auch schon bei einfachen Dehnübungen, zähle ich. Früher habe ich auch beim Zhan Zhuang gezählt, meine Atemzüge. Inzwischen nehme ich den Timer meines Smartphones. Aber dennoch, ich zähle oft.

Vor allem wenn die Bewegungen recht langsam, bedächtig ausgeführt werden, rennt der Geist spätestens ab vier oder fünf voraus. Er ist dann im Hintergrund des aktiven Zählens schon bei acht oder neun bevor ich von vier nach fünf gezählt habe. Der Geist ist schnell. Ihm scheint die Realität zu langsam zu sein. Es gibt aus allen Kulturen kleine Geschichten, wo zum Beispiel die Grete zum Markt geht, mit einem Korb Eiern auf dem Kopf. Und sie denkt sich dabei, dass sie vom Erlös ein Huhn kaufen könnte, dann gebe es mehr Eier, später noch einen Hahn, dann hätte sie bald eine kleine Hühnerfarm, verdiene genug Geld und könne sich den schönsten Burschen aussuchen. Vor Freude hüpft sie hoch und der Korb fällt zu Boden. Selbst ohne den negativen Ausgang der Geschichte sehen wir, wie schnell der Geist ein Universum erschaffen kann.

Alle Ereignisse brauchen ihre Zeit und sie haben ihre Zeit. Im Taiji Quan lernen wir, die Bewegung entstehen zu lassen, ihr nicht im Weg zu sein und sie auch nicht durch eigenes Handeln überflüssig zu machen. Denn alles was wir tun, kann nicht von alleine passieren. Es braucht vielleicht ein wenig länger, aber es ist dann mühelos. Es nimmt seinen Weg, wie Wasser bergab fließt. Von selbst, natürlich, ohne Absicht, ohne Ziel, einfach seiner Natur folgend.

Ich habe davon gelernt, lebe ruhig, warte ab, eile nicht. Alles erscheint von selbst, vergeht von selbst, wie soll ich die Welt in die Hand nehmen und ihre Entwicklung beschleunigen können. Warum soll ich hetzen, wenn ich doch nicht früher ankommen kann, weil es kein Ankommen gibt.


Es ist noch nicht lange her, da habe ich geglaubt, mich im Vermitteln der Künste nun beeilen zu müssen. Ich werde nicht jünger und die mir zur Verfügung stehende Zeit wird weniger. Aber die Leute können nicht schneller lernen. Alles braucht seine Zeit und alles hat seine Zeit. In Eile bin ich innerlich stets der Gegenwart voraus, bin nicht hier, bin nicht jetzt. Es ist nur der Geist, der unruhige, der voraus eilt. Ich bin hier, glaube aber dem Geist. Es gibt einen schönen alten Text, das Xin Xin Ming, die Schrift vom Vertrauen in den Geist. Gilt als der erste Text im Zen. Es meint aber nicht den unruhigen Geist, den hin und her springenden, den zweifelnden, abwägenden, leugnenden Geist, sondern den tieferen, himmlischen, wissenden Geist, der dem kindischen zu Grunde liegt. Durch die Bindung an die Substanz jedoch verliert er die Orientierung. Zurückkehren zum Ursprung, zum eigentlichen Wesen schenkt Vertrauen. Was soll man fürchten, was verlangen?

Stell dir die beiden als Menschen vor. Der eine rennt geschäftig hin und her, voller Ideen, die er gleich wieder verwirft, durch neue ersetzt, aufbaut und einreisst, zögert, zweifelt, auf alles eine Antwort hat, die er gleich auch widerlegen kann.
Der andere sitzt derweil an seinem Platz, genießt den Augenblick, atmet ruhig und gleichmäßig, stellt keine Fragen und braucht keine Antworten. Er ist genügsam und einfach, braucht nichts und hat alles.

Wen würdest du um Rat fragen?

Statt also weiter dem Affen Zucker zu geben, sollten wir mit dem Weisen Tee trinken - und abwarten. Je ruhiger und langsamer ich werde, desto mehr Zeit habe ich. So wie ich meine materiellen Güter, die Erscheinungen, reduziert habe, so reduziere ich nun meine Aktivitäten, die Ereignisse. Dabei geschieht so viel, dass ich kaum noch mitkomme. Aber ich bin nicht mehr in Eile.

02.10.2017

Nature for your health


Mehr als 50% der Menschen leben heute in städtischen Gebieten. Bis 2050 wird dieser Anteil 70% betragen. Urbanisierung ist mit einer erhöhten psychischen Erkrankung verbunden, aber es ist noch nicht klar, warum. Durch ein kontrolliertes Experiment haben wir untersucht, ob die Naturerfahrung die Rumination beeinflussen würde (Wiederholungsgedanke auf negative Aspekte des Selbst - Grübeln), ein bekannter Risikofaktor für psychische Erkrankungen. Teilnehmer, die auf einem 90-minütigen Spaziergang durch eine natürliche Umgebung gingen, berichteten über ein geringes Maß an Rumination und zeigten eine reduzierte neuronale Aktivität in einem Bereich des Gehirns, der mit dem Risiko einer psychischen Erkrankung verbunden war, verglichen mit denen, die durch eine städtische Umgebung gingen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass zugängliche Naturgebiete für die psychische Gesundheit in unserer schnell urbanisierenden Welt lebenswichtig sein können.

 

Urbanisierung hat viele Vorteile, aber es ist auch mit einer erhöhten psychischen Erkrankung, einschließlich Depressionen verbunden. Es wurde vorgeschlagen, dass eine verminderte Naturerfahrung dazu beitragen kann, die Verbindung zwischen Urbanisierung und Geisteskrankheit zu erklären. Dieser Vorschlag wird durch einen wachsenden Zahl von Korrelations- und Experimentalnachweisen unterstützt, der eine weitere Frage aufwirft: Welche Mechanismen verknüpfen die Naturerfahrung mit der Entwicklung der Geisteskrankheit? Ein solcher Mechanismus könnte der Einfluss der Naturbelastung auf die Rumination sein, ein maladaptives Muster des selbstreferentiellen Denkens, das mit einem erhöhten Risiko für Depressionen und andere psychische Erkrankungen verbunden ist. Wir zeigen an gesunden Teilnehmern, dass ein kurzes Naturerlebnis, ein 90-minütiger Spaziergang in einer natürlichen Umgebung, sowohl die selbst gemeldete Rumination als auch die neuronale Aktivität in der subgenitorischen präfrontalen Kortex (sgPFC) verringert, während ein 90-minütiger Spaziergang in einer städtischen Umgebung keine solchen Effekte auf selbst gemeldete rumination oder neuronale Aktivität hat. In anderen Studien wurde das sgPFC mit einem selbstfokussierten Verhaltensabzug verbunden, der mit der Rumination sowohl in depressiven als auch in gesunden Individuen verbunden war. Diese Studie zeigt einen Weg, durch den die Naturerfahrung das geistige Wohlbefinden verbessern kann und darauf hindeutet, dass zugängliche Naturgebiete innerhalb städtischer Kontexte eine wichtige Ressource für die psychische Gesundheit in unserer schnell urbanisierenden Welt sein können.
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08.09.2017

Umzug


Die Schule von Zhong Xue Yong lag immer nahe dem Zixiao Gong, dem Palast der Purpurwolken. Seit ich regelmäßig nach Wudangshan reise, hat er drei verschiedene Gebäude genutzt, nicht mitgerechnet die Interimslösung unten in der Stadt. Zuletzt war er im „Policehotel“ neben dem großen Tian Lu, einem Gebäude, das zu der Polizeistation gehört.
Vor zwei Jahren legte sich die Polizei zwei Hunde zu und baute große Zwinger für die Tiere. Da war das sommerliche Training schon mit dem kontinuierlichen Geräusch eines Betonmixers begleitet und ich hatte den Eindruck, dass die Zeit der Schule an diesem Platz vorbei sei. Auch wurde der Tourismusbetrieb um den Zixiao Gong ständig intensiver. Mitunter war kaum Training im Tempel möglich, weil die Gruppen ohne Rücksicht zu nehmen, quer über den Platz wanderten. Aber wo sollten wir hin?
Ich entdeckte den Lao Jun Tang, einen Tempel mit Klosterzellen in verlassenem und verfallendem Zustand. Aber derzeit gibt es keine Genehmigung für Renovierungen, geschweige denn Umbau. Das Gebiet, das wir unter Wudangshan verstehen ist ungefähr so groß wie Köln. 400 Quadratkilometer mit 72 Gipfeln, die 1994 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Damit sind Veränderungen eingeschränkt. 
Nun gibt es wohl einen neuen Chef bei der Polizei und der will keine Kampfkunstschule dort haben. Jetzt müssen wir umziehen. 
Zhong Xueyong hat ein Gebäude gefunden am Wulong Gong, dem Palast der Fünf Drachen. Das ist der älteste Tempel im Wudang Gebirge.


Er liegt weit ab von den Hauptstrecken der Touristen. Schwierig zu erreichen und sonst keine Attraktionen in der Umgebung. Um die zehn Kilometer Wanderweg entfernt vom Nanyan Tempel und ebenfalls zehn Kilometer in die andere Richtung zur Stadt Laoying.  Die Situation entspricht in etwa meiner Vorstellung, die ich 2005 hatte, als wir zum ersten Mal Wudangshan besuchten. Ein einsamer Tempel inmitten der Berge, halb verfallen, einige Mönche, die Taijiquan praktizieren. Ruhig, vielleicht auch etwas einsam. Aber das gehört wohl eher dazu, als zwischen Touristen zu posieren. 



Ob unsere neue Schule nächstes Jahr im Mai schon fertig ist, weiß ich nicht. Meister Zhong ist sich sicher. Ich vertraue ihm. Also werden wir reisen. Bist du dabei?



02.09.2017

Mahakala

Zhujiajiao ist eine bekannte 'Wasserstadt' nahe bei Shanghai. Überschaubar, kleiner als Sushou, beide werben gerne als das Venedig Chinas. Wirklich sehenswert, aber natürlich auch sehr touristisch. Meine Freundin Anjing, die dort ein zu empfehlendes Hostel betreibt (My Way), gab mir am dritten Tag den Tipp, mit dem Bus nach Jinze zu fahren, ebenfalls am Wasser, gänzlich untouristisch. Die Leute dort wollen ihre Ruhe haben. Zirka eine Stunde musste ich fahren, den historischen Teil von Jinze habe ich fast nicht gefunden, so wenig wollen sie Besuch haben.
Es gibt dort mehrere Brücken aus verschiedenen Epochen, das ist vielleicht auch das einzig Sehenswerte in Jinze. Wenn man nicht, so wie ich, mal da hin geht, wo es interessant aussieht, wenn auch nicht unbedingt einladend. Eine Privatstraße, ein neues Gebäude im traditionellen Stil und keine Leute. Am Ende der Straße kommt eine junge Frau aus einem kleineren Haus, einem Büro, und möchte wissen, was ich denn dort will.
Na, mich umsehen, sieht doch interessant aus.
Ja, ist aber nicht öffentlich, man kann Führungen voranmelden.
Nun bin ich aber jetzt da. Was ist es denn?
An dieser Stelle versagen für eine Weile unsere gegenseitigen Fremdsprachenkenntnisse.
Ein Flyer wird geholt. Arts and Crafts Center. Private Stiftung.
Was es denn zu sehen gibt?
Noch nicht viel. Stoffe färben, weben... alles andere ist noch in Arbeit.
Einen chinesischen Garten gibt es zu sehen. Man hätte noch eine kleine Sammlung tibetischer Kunst. Ob mich das vielleicht interessiere. Und ob.
Ein QR-Code wird gescannt, eine Nummer eingetippt, eine Tür öffnet sich, Licht geht an.
Ich stehe in einem fensterlosen Saal, ich vorwitzige Langnase, allein mit der jungen Frau, vor einer goldenen Wand mit goldenen Skulpturen. Ich habe offenbar eine Audienz bei den Göttern.


Dann steht da noch so ein grusliger kleiner Kerl im Feuerkranz auf einem Sockel, den ich außerordentlich anziehend finde. Ob ich fotografieren darf? Ich darf.
Noch ein paar konservierte Sandmandalas, ganz sicher faszinierend, aber offenbar war der Zweck dieses Besuchs erfüllt, ich wollte und sollte gehen. Noch der übliche Austausch von Wechat Adressen und Webseite (jinze.org). Vielen Dank, ich komme bestimmt wieder.


Draussen, die Brücken, der Bus zurück. Was war das? Anjing kannte das Center nicht, noch nie von gehört. Am nächsten Tag wurde ich krank. Ziemlich krank. Schlimmer als Männergrippe. Lungenentzündung sagt später der Arzt.
Aber ich wollte wissen, wer dieser kleine Kerl ist.
Mein Freund Wilfried steht dem tibetischen Buddhismus nahe. Er kann mir sagen, dass es sich um eine Mahakala Darstellung handelt, aber nicht, um welchen Aspekt. Auch sein Lehrer weiss nicht weiter.
Tage später sagt mir dann meine Freundin Xuan Xia, es sei ein Da Hei Tian (大黑天). Ich brauche einige Zeit und ein besseres Internet, um zu begreifen, dass dies die chinesische Übersetzung für Mahakala ist. Dann geht alles ganz schnell. Eine Anfrage an die Facebook Gemeinde, einer liegt daneben, ein anderer findet die gleiche Gestalt mit den gleichen Utensilien in einem Buch.
Mahakala Panjaranatha.
Panjaranatha wird als der original Mahakala verstanden, von dem alle weiteren Manifestationen ausgehen. Er ist der größte Beschützer aller Klöster und Tempel. Er trägt seinen Grauen erregenden Schmuck, um damit seine Entschlossenheit zu demonstrieren, auch das Schreckliche zu erlösen.
Warum ich ihm begegnen musste, warum ich daraufhin so krank wurde und ob das alles überhaupt einen Zusammenhang hat, das weiß ich nicht. Als Geschichte finde ich es erzählenswert.

23.05.2017

Ich gehe

Mein Leben ist zu einem Draußensein geworden, das Drinnen ist nur Station, Übergang zwischen zwei Draußen. 
Draußen sind die Anderen, jene, die ich kenne und jene, die ich noch nicht kenne, denen ich begegnen möchte. Das Draußen enthebt mich der Sorge ums Ich, dort sorgt alles für sich selbst. Ich verliert an Bedeutung angesichts der Weite des Draußens, angesichts der Unendlichkeit des Raums. Dieser Raum ist nicht zu bewältigen, er ist überwältigend. Da er nicht erledigt werden kann, gib es kein Ziel, gibt es kein Ende. Die Weite es Raums erzeugt Ruhe in der Zeit. Keine Hetze, keine Eile, keine Jagd. Es ist gleichgültig, an welchem Punkt ich mich befinde. Jeder ist gut, jeder ist richtig. 
Ich gehe, weiter. Immer bin ich gegangen. Zur Schule, zur Arbeit, zur Akademie und wieder heim. Die schnellen Transporte, zu denen ich mich auch jetzt noch zwinge, waren nie meins, waren und sind mir immer zu schnell, zu überraschend. Man steigt ein, starrt verwundert hinaus auf die vorbei rauschende Landschaft, die einen nicht berührt, deren Luft man nicht atmet, deren Boden man nicht spürt. Da sind Häuser, Menschen, Bäume, Landschaften. Kaum hat man sie erkannt, sind sie schon ausgetauscht gegen neue. Sie verfliegen wie die Zeit, die man verbringt in dem Gehäuse. 
Das Fahrrad habe ich probiert, es sagt mir nicht zu. Es täuscht. Im Gehen hält man inne, schaut sich um, wechselt Worte. Nicht so auf dem Rad. Es treibt weiter, läuft und läuft. Anhalten kostet Kraft beim neuerlichen Anfahren. Auch muss man das Gerät halten, die Balance wird gestört. Das Fahrrad sagt mir nicht zu. 

Wenn ich gehe, bin ich frei.

02.05.2017

»Der Körper leicht, das Herz voller Freude«

Im Taijiquan Qigong Journal Ausgabe 65 - 3/2016 erschien mein Artikel über den Meditationsleitfaden des chinesischen Arzt Sun Simiao.

Sun Simiao, ein berühmter Arzt der Tang-Zeit, trug mit seinen Schriften nicht nur wesentlich zur Entwicklung der chinesischen Medizin bei, sondern befasste sich auch mit der Kultivierung geistiger Ausgeglichenheit, da ihm die rechte Lebensführung als Weg zur Gesundheit galt. Yürgen Oster führt in den Bereich Meditation ein und kommentiert die »Schrift vom Bewahren des Shen und Kultivieren des Qì«, in der Sun Simiao den Weg vom Sammeln des Qi im Dantian bis hin zur Unsterblichkeit in fünf Stadien der Beruhigung des Geistes und sieben weiteren Stufen weist.

Der Artikel ist jetzt hier abrufbar.

30.03.2017

5 Phasen - Hou Tian und Xian Tian

Woher kommt das alles, dieses Leben, das Universum mit seinen Erscheinungen und Ereignissen? Manche Menschen stellen sich diese Frage nie, manche hin und wieder und einige widmen ihr Leben der Suche nach Antwort. Sie studieren Physik oder Qigong, Astronomie oder Meditation. Sie dringen ein in die Welt der kleinsten Teilchen, die Weiten des Kosmos oder die Tiefen des Geistes. Gab es einen Urknall und von da an die Zeit, an der entlang sich alles entwickelte, oder ist das alles eine Illusion, ein Traum Vishnus?

In der Vorstellung chinesischer Daoisten entsteht alles aus der grenzenlosen Leere und vergeht alles wieder in die grenzenlose Leere. Es gibt in der Welt der Erscheinungen nur den Augenblick.

Alles, was zu Tage tritt, durchläuft die fünf Wirkphasen. Sie werden im Kreis angeordnet und beginnen beim Holz, welches für Geburt und Wachstum steht. Es geht weiter über das Feuer der Reife zur Mitte, zur Erde. Von dort aus beginnt der Rückzug über das Metall und endet, verschwindet wieder im Wasser.




Bevor die Dinge in Erscheinung treten, durchlaufen sie ebenfalls fünf Phasen. (abb.2) Sie werden nach dem Himmel ausgerichtet, mit der Erde in der Mitte. In den alten chinesischen Karten ist der Norden unten, dementsprechend ist der Westen rechts.



In der grenzenlosen Leere entstehen die Kräfte Yin und Yang - die erste Phase, das Wasser, repräsentiert durch das numinose Tier des nördlichen Himmels, der Schildkröte.
Die beiden Kräfte erzeugen die Lebensenergie Qi - die zweite Phase, das Feuer, repräsentiert durch das Tier des Südens, den roten Vogel oder Kranich. Wasser und Feuer bilden die vertikale Achse und erschaffen die geistige Welt.
Qi erlangt Wesenheit, aber noch keine Substanz. Die dritte Phase, die Erde, wird vorgestellt von der Schlange. Sie verbindet die Vertikale mit der Horizontalen, der materiellen Welt. Diese wird erzeugt durch die Kräfte Metall und Holz.
Die Wesenheit erlangt Substanz, hat aber noch keine Form - die vierte Phase, das Metall erscheint als Tiger.
Die Substanz findet eine Form und tritt in Erscheinung - die fünfte Phase, das Holz. Es zeigt sich in der Gestalt des Drachen und tritt damit in Erscheinung.

Wie wir vorhin gesehen haben beginnt das Dasein mit dem Holz. Hier ist also die Schnittstelle.
Taiyi Wuxing bezieht sich auf die Zeit vor dem Zutagetreten. Taiji auf die Zeit danach.

20.02.2017

Taiyi Wuxing Gong



The five Elements of chinese Wuxing theory are Water, Fire, Earth, Metal and Wood. To every Xing we have an animal. The tortois for Water, Crane for fire, Snake is earth, Tiger for metal and Dragon for wood. The movements regulate your inner Qi, massage the organs and calms the nervous system.

I performed the Five Animals at the Parque Taoro in Puerto de la Cruz, Tenerife where we also have a workshop every february.

This is for my students to remember the movements, it has not been produced for commercial purposes.
For workshops visit my website wudang-dao.com

Music: 佛门钟声 (Buddha Bells) I have no rights on this music.

The Fake Daoist?

by Zhou Xuan Yun



Just recently, I received an e-mail asking an interesting question:

“How do you know if someone calling himself a Daoist priest is genuinely a Daoist priest. Is there any way to check?”

As Daoism grows in popularity, some people may call themselves a Daoist priest as a way of marketing their business. So how can you tell if their claim is true?

Actually, the qualities that you should look for in a Daoist priest are the same as other teachers.

If you wanted to learn medicine, who would you want as your teacher?

1. Someone who has a relationship with hospitals and other doctors.
2. Someone who is still practicing medicine, or practiced medicine for a very long time.
3. Someone who believes in their craft and works to improve.

These three characteristics can be summed up as lineage, practice, and faith.

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19.02.2017

Interview

Angela Cooper aus Wien hat mit ihren Schülerinnen und Schülern einen Fragenkatalog erarbeitet. Wieso, weshalb, warum? Die meisten Fragen hab ich beantwortet, einige ausführlich, einige knapp, sehr knapp.
Aber lies selbst.

The strange link between the human mind and quantum

Nobody understands what consciousness is or how it works. Nobody understands quantum mechanics either. Could that be more than coincidence?

By Philip Ball16 February 2017

"I cannot define the real problem, therefore I suspect there's no real problem, but I'm not sure there's no real problem."

The American physicist Richard Feynman said this about the notorious puzzles and paradoxes of quantum mechanics, the theory physicists use to describe the tiniest objects in the Universe. But he might as well have been talking about the equally knotty problem of consciousness.

Some scientists think we already understand what consciousness is, or that it is a mere illusion. But many others feel we have not grasped where consciousness comes from at all.
The perennial puzzle of consciousness has even led some researchers to invoke quantum physics to explain it. That notion has always been met with skepticism, which is not surprising: it does not sound wise to explain one mystery with another. But such ideas are not obviously absurd, and neither are they arbitrary.


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Ich habe zu diesem Thema ein Buch gelesen, ein sehr ausführliches, umfangreiches, stark bebildertes Buch. Sehr wissenschafts-journalistisch. Als ich so Anfang/Mitte zwanzig war. Das ist jetzt also ca. 45 Jahre her. Offenbar hat sich in der Zeit nicht viel getan. Den Artikel habe ich sorgfältig gelesen. Auch wenn er auf spätere wissenschaftlichen Versuche und Gedankenexperimente verweist. Das stand schon alles in diesem Buch. Ich weiß seinen Titel nicht mehr. Es hat zwar einige Umzüge überstanden, aber letztlich ist es aus meinen Händen geglitten, so wie es einmal in sie hineingefallen ist.
Wenn ich mich recht erinnere hatte das Buch etwas mit der Maharishi Mahesh Bewegung zu tun, der Transzendentalen Meditation. Es wurde so gegen Ende hin etwas angedeutet.
Aber es hat sich inzwischen nicht viel getan. Und wenn auch, was würde es bedeuten? Was würde es ändern? Unsere Probleme würden die gleichen bleiben, die globalen wie die individuellen. Plastik würde nicht verschwinden, so wenig wie die radioaktive Belastung. Ein Mann würde seine Frau verlassen, weil sie sogar beim Pinkeln mit der Freundin telefoniert, ein Teenager würde sich weiterhin ritzen, weil er sich nicht geliebt fühlt.
Mein Freund hat ein großes Problem, er leidet, weil er zwischen zwei Frauen steht. Die eine liebt er, die andere bekommt ein Kind von ihm. Hat er die Wahl? Kann er entscheiden oder ist es schon entschieden? Ich habe ihm geraten, zu genießen. Für eine solche Story gehen wir für gewöhnlich ins Theater oder Kino. Er darf es life erleben.
Er hat zumindest die Wahl, zu verzweifeln oder zu vertrauen. Es ist egal, ob Schrödingers Katze noch lebt oder gestorben ist. Früher oder später wird sie sterben. Bis dahin ist Kino.

18.01.2017

WHICH IS THE DAOIST IMMORTAL BODY?

byFabrizio Pregadio

Daoist hagiographic works depict the so-called “immortals” (xianren) as extraordinary human beings endowed with several powers, the most important of which is the ability to reach a life span of indefinite length with their ordinary bodies. When we look at other sources belonging to the traditions that evolved during the history of Daoism, a different picture emerges. These sources show that adepts make use of the physical body in order to generate a new person (shen) that is not subject to death.Among others, early Daoist works (ca. 2nd-6th centuries) describe two main ways to attain immortality. The first is by going through a “simulated death” followed by the refining of the physical body, which then serves as a support for adepts to continue their practices. 


The second way consists in generating an inner “embryo” that is unaffected by death, and is the seed of one’s rebirth as an immortal.Internal Alchemy (Neidan), which developed from ca. 700, inherited elements of both practices. The refining of the basic components of one’s own person results in the generation, gestation, and delivery of an embryo. In certain traditions, the embryo is seen as one’s “dharma-body” (fashen), the unmanifested body of Buddhahood, which is free of birth and death. Despite the differences of perspective, here again the ordinary body is seen a support used to generate the immortal body.

14.01.2017

Algarve: Fracking bedroht Portugals Urlauberparadies


Quelle: Contra Magazin in Natur & Umwelt, Wissen & Technik 8. Mai 2016

Es ist ein Schreckensszenario für die Bewohner der Algarve. Sie brauchen Unterstützung gegen die übermächtige Frackinglobby und die Ölkonzerne. Die Vorgängerregierung hat ihnen eine Woche vor den Wahlen noch Rechte übertragen, aus der die jetzige Regierung nicht ohne hohe Abfindungen zu zahlen wieder herauskommen kann.


Von Rui Filipe Gutschmidt

Luisa Schmidt, Soziologin der Universität Lissabon und Umweltaktivistin, schrieb im „Expresso“: „Für die, die noch nicht aufgewacht sind, lassen wir hier einen Weckruf. Allein schon an der Algarve wurden einige Verträge zur Durchführung von Probebohrungen nach Öl und Gas unterzeichnet. Es ist eine Aussaat für Bohrtürme vor den Stränden der Algarve und der Westküste. Andere Bohrtürme für Fracking werden im Hinterland – der Serra – und im Alentejo wachsen. (…) Die Verträge, die mit der Vorgängerregierung eine Woche vor den Wahlen, ausgehandelt wurden, beinhalten Schweigeverpflichtungen und Abfindungsklauseln für den Fall eines Rückziehers bei einem Regierungswechsel.“

Dieser Regierungswechsel hat nun stattgefunden und Umweltaktivisten, Bürgerinitiativen und Medien bekämpfen gemeinsam die Lobbyisten, die sich bereits bei den neuen Machthabern einzuschleimen versuchen und mit einer Mischung aus Versprechungen und Drohungen ihre Interessen gegen den Willen der Bewohner vor Ort durchsetzen wollen. Das Problem sind natürlich, wie auch schon mit anderen privatisierten und konzessionierten Sektoren der Wirtschaft, die Vertragsklauseln, die hohe Abfindungen für den Fall eines Rückziehers vorsehen. Nur ein massiver Protest der Bevölkerung, gepaart mit Einstweiligen Verfügungen und anderen Klagen vor allen möglichen Gerichten, kann hier die vorprogrammierte Umweltkatastrophe noch verhindern. Der Protest ist aber noch viel zu leise. Medien und Politik scheinen derzeit mit „wichtigeren Problemen“ beschäftigt zu sein. Das Thema darf nicht aus den Augen verloren werden.

Erst kürzlich wurde ein portugiesischer Unternehmer, Sousa Sintra, von einem Gericht gestoppt, als er eine 500 Meter Bohrung „nach Wasser“ für eine Handvoll Hektar Land im Alentejo durchgeführt hat. Selbst nachdem er auf Wasser gestoßen war, bohrte er weiter. Hätte er Öl auf seinem Grundstück gefunden, wäre das Grundwasser, der sowieso schon an Wassermangel leidenden Region, in einem weitem Umkreis vergiftet worden. Die Bohrlizenz wurde aber wieder zurückgenommen und die Staatsanwaltschaft ermittelt. Wie es möglich war, eine solche Lizenz für eine Tiefe von 500 Metern (!) zu bekommen ist nicht schwer zu erahnen. Also nachdem die jetzige Regierung darauf hört, was die Menschen zu sagen haben, versucht man das Gesetz zu umgehen.

Wir sehen hier eine typische Aktion der Öl- und Gaslobby, die weltweit agiert und sich dabei überall den Begebenheiten vor Ort anpasst. In Brasilien und anderen Ländern benutzt man massive Korruption. In Venezuela sehen wir einen für Lateinamerika typischen CIA-Putsch seit der Verstaatlichung der Ölproduktion und in Europa sucht man auch nach korrupten Politikern oder Beamte und arbeitet mit allen Tricks die Anwälte in den jeweiligen Gesetzestexten finden können. Das letzte was Portugals Tourismusindustrie braucht, ist ein Ölteppich auf dem Strand und Fracking in der Kornkammer des Landes, dem Alentejo. Das Contra Magazin wird das Thema weiter verfolgen.

06.01.2017

Vergesst Chinoiserie, hier geht es deftig zu.


Erstmals liegt der chinesische Klassiker „Die Reise in den Westen“ in vollständiger Übersetzung vor. Sie arbeitet vor allem die philosophisch-religiösen Exkurse dieser Fantasy-Geschichte aus dem sechzehnten Jahrhundert heraus.



Man sagt, China kenne keine Ironie. Aber was ist dann das hier? Mehr als 1200 Seiten lang verfolgt man im chinesischsten aller chinesischen Klassiker, der „Reise in den Westen“, eine eigenartige Pilgertruppe aus Mönch, Affe, Schwein und Wassergeist auf ihrer von Buddha persönlich angeordneten Tour nach Indien, damit sie für ihre leichtlebigen chinesischen Landsleute dort heilige Schriften in Empfang nehmen, in denen nichts Geringeres als das Geheimnis der Schöpfung enthalten sein soll. Doch nachdem man diese Gesellen Kapitel um Kapitel Kämpfe mit schrecklichsten Monstern aller Art hat bestehen sehen, werden sie, als sie dann erschöpft im innersten Zentrum der Weisheit angekommen sind, von den Hütern der Schriften nur gefragt, was sie denn für Gastgeschenke mitgebracht hätten; schließlich müssten ja auch sie, die Schriftenhüter, an ihre Nachfahren denken. Die Pilger können nur eingestehen, dass sie daran nicht gedacht hätten, und dann bekommen sie Hunderte Schriftrollen mit auf den Weg nach Hause, die vollkommen leer sind, ohne ein einziges Schriftzeichen.


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01.01.2017

Neues Jahr



Liebes Neue Jahr,
die Leute setzen große Erwartungen in dich. Sie erhoffen sich sehr viel Gutes und befürchten Schlechtes. Sie sprechen dich an, als seist du ein Wesen, ein gütiger Vater, ein Gott oder der Weihnachtsmann. Das ist nicht postfaktisch, das ist präfaktich. Da hat die Aufklärung noch nicht gegriffen. Da herrscht noch Aberglauben. Die Menschen opfern dir Milliarden an Böllern und Feuerwerk, davon könnte man auf einen Schlag ca. 20 Millionen Menschen vor dem Erblinden bewahren. Damit würde man wirklich Glück ins Neue Jahr bringen. Im nächsten Jahr könnte man dann von dem Geld Trinkwasserrechte kaufen und vor Nestlé schützen. Welch ein Glück. Das wäre vernünftig aber eine Augen-OP oder ein Brunnen in Afrika knallen natürlich nicht. Man kann aber knallen und das Geld trotzdem spenden, vielleicht Ende Juni, zur Halbzeit. Wär doch was und wäre vernünftig. Geld genug haben wir dafür.
Nun hatten wir in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine große Bewegung in der westlichen Welt, wo in Seminaren und Kursen den Menschen klar gemacht wurde, dass man auch mal den Kopf ausschalten muss. Stattdessen auf die Gefühle hören, seine Trauer fühlen und auch mal als Mann weinen - oder seine Wut rauslassen. Nicht immer so kopflastig, so korrekt. Das innere Kind päppeln und auch mal unvernünftig sein.
Diese Generation hat Jahrzehnte gebraucht, aber nun haben sie es endlich gründlich missverstanden und laufen als Jammerlappen und Wutbürger rum. Liebes Neues Jahr, wenn du überhaupt etwas kannst, dann bring sie zur Vernunft, bitte. Aber natürlich kannst du das nicht, weil es dich nicht wirklich gibt. Du bist kein Wesen, nie gewesen. Du existierst nur, weil wir dich schreiben. Weil wir uns entschieden haben, dass du am ersten Januar beginnst. Basta. Du bist soviel wert wie Buchgeld. Aber sie glauben an dich. Natürlich, wir wissen es alle; die Dreckarbeit müssen wir selber machen. Wo wir versagen, schieben wir es Ende Dezember auf dich. Das war ein Scheissjahr, werden sie sagen. Dir ist das egal und wir sind aus dem Schneider. Wir entschulden uns statt uns zu entschuldigen und starten mit guten Vorsätzen ins nächste Versagen.

Lieber Mitmensch, 
es hat ein neues Jahr angefangen, na und. Das ist nichts anderes wie ein neuer Monat, eine neue Woche oder ein neuer Tag. Es ist nicht der Anfang einer neuen Chance, du kannst dein Leben jeden Augenblick ändern. Alles, wirklich alles kannst du dafür zum Anlass nehmen. Ein Sonnenaufgang, ein weinendes Kind, eine verwelkende Blüte oder ein Stein, der ins Wasser fällt. Die Entscheidung liegt bei dir. Verzeih mir, wenn ich dir jetzt auch noch die letzte Illusion raube, aber der Buddhismus predigt nicht die Lehre von einem nächsten Leben als neue Chance, der Buddhismus will dir helfen, aus diesem Scheiss Kreislauf von neuer Tag, neue Woche, neues Jahr, neues Leben auszubrechen. Mit einem ganz einfachen Mittel - indem du zur Vernunft kommst.