Berge und Ströme verschmelzen in einem kleinen Tiegel
Die Augenbrauen des weißhaarigen Laozi hängen herab zur Erde
Und der blauäugige fremde Mönch hält den Himmel mit seinen Händen.
Indem du das Geheimnis betrachtest, verstehst du das Geheimnis.
Außerhalb von diesem Geheimnis existiert kein weiteres Geheimnis.
Aus dem Neijingtu, die Textpassage 45, auf die der pflügende Eisenochse direkt zuläuft.
Für einen modernen Physiker, oder wahrscheinlich besser Astrophysiker, da kenne ich mich nicht so aus, ist es keine Frage, dass das ganze Universum einmal auf einen einzigen Punkt konzentriert war, von wo aus dann per big bang alles auseinander flog und zu dem wurde, was wir heute als All wahrnehmen. Aber woher wusste das der Bursche, der uns das Neijingtu in den Stein graviert hat? Von ihm stammt jener Kommentar, der in der Fortsetzung davon erzählt, alles sei bisher geheim gehalten worden, weil es genug Deppen auf der Welt gebe, die es garantiert missverstehen. Recht hat er. Nichts ist einfacher und wird lieber getan, als sich in die Tasche zu lügen. "Ich kann das, ich weiß das, ich versteh das." Und wenn ich den ersten Schritt nicht verstanden habe, dann versuch ich es eben mit dem zweiten oder dritten. Ja wie blöd kann man denn sein. Das Schlimmste aber sind jene, die meinen etwas zu wissen und davon überzeugt sind, der Welt damit einen Dienst zu erweisen, dieses Missverständnis zu verbreiten. Für Geld.
Es ist unverantwortlich, es ist ein Verbrechen, wenn Blinde die Blinden führen. Der Einäugige wäre ja noch ein König, auch wenn ihm der Sinn für's Räumliche fehlt.
Heute hatte ich ein Gespräch mit meinem Meister und er sagte mir, ich solle jetzt auch Dao lehren, nicht nur Formen. Gerne. Wir sprachen in dem Zusammenhang auch über die erste Zeile im Daodejing von Laozi. Da wurde mir klar, er interpretiert das ganz anders, als wir es aus den Übersetzungen kennen. Da hat Richard Wilhelm, der protestantische Missionar und Goethe-Fan (nix gegen Goethe) auch wieder ein Ei gelegt, und alle anderen gackern mit.
道可道﹐非常道
dao ke dao, fei chang dao
Der SINN, der sich aussprechen läßt, ist nicht der ewige SINN. (R.Wilhelm)
Da muss man schon tief graben, um Dao auch die Bedeutung "reden, sprechen" zu entlocken. und "fei chang dao" das heißt aussergewöhnliches dao oder aussergewöhnlicher Weg. Für meinen Meister bedeutet es aber, das Dao und das wirkliche Dao sind zwei verschiedene. Er meint damit, es gibt das Dao der Leere und das Dao der Fülle. Das Dao der Leere ist vorher und darin entsteht das Dao der Wirkungen. Das ist die Welt in der wir leben. Yin und Yang, Xian Tian und Hou Tian.
Mein Meister ist ein aussergewöhnlicher Meister.
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