24.04.2010

Haare schön

Soviel passiert hier nun auch nicht jeden Tag, wenn das normale, ganz normale Trainingsprogramm durchgezogen wird. Jetzt am Wochenende gehen wir nicht in den Tempel, weil zu viele Touris drin rum laufen. Stören. Ich hab mich schon gewundert, warum es so viele sind. Klar, die Seilbahn fährt nicht, wer zum Tianzhu rauf will, muss das zu Fuß machen über Nanyan. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen erklär ich dem Ortsfremden noch mal die lokale Situation. Das ist hier nicht ein Berg, wie ich früher auch mal gedacht habe, sondern ein Gebirge. Genau genommen ist es ein Teil eines größeren Gebirges welches wiedrum ein Ausläufer eines noch größeren Gebirges ist usw. bis zum Himalaya. Das was wir Wudangshan nennen, hat zweiundsiebzig Gipfel, größere und kleinere. Der größte wird Tianzhu genannt, Himmelspfeiler. Auf seiner Spitze steht ein kleiner, ehemals vergoldeter Tempel aus massivem Messing. Diese fünfundzwanzig Quadratmeter sind die Hauptattraktion hier. So, das bitte mal für eine Weile im Gedächtnis behalten. 
In diese Gebirge führt eine Straße hinein, die sich nach zirka icks Kilometern gabelt. Der eine Ast führt links zur Seilbahnstation, von wo man in zwanzig Minuten, Wartezeiten natürlich nicht eingerechnet, auf den Tianzhu gondeln kann. Der andere Ast rechts führt an unserer Akademie vorbei und unserem Tempel, dem Purpurwolkenhimmelspalast, zur südlichen Klippe, Nanyan, von wo man auf einem Fußweg über viereinhalb Kilometer achthundert Höhenmeter überwinden kann und auch auf dem Tianzhu ankommt. Da nun die Seilbahn außer Betrieb ist, macht es für Touristen keinen Sinn, links lang zu fahren und so kommen sie alle rechts rum und wenn sie schon mal hier lang kommen, dann besichtigen sie auch unseren schönen Purpurwolkenhimmelspalast, welches immerhin die größte Tempelanlage im Gelände ist. Und deshalb trainieren wir auf dem Hof der alten Akademie.
Wer bis hierhin durchgehalten hat. der soll auch noch mit einer kleinen Anektode belohnt werden. Aber dafür muss ich doch noch mal etwas ausholen. Die daoistischen Mönche und Nonnen tragen im Gegensatz zu den buddhistischen Kahlköpfen die Haare lang. So lang es geht.Wenn sie lang genug sind, werden sie zu einem kunstvollen Knoten oben auf dem Kopf zusammen gebunden.
Heute Nachmittag sollte ich die gerade gelernte Passage der Taiji-Schwertform einer jungen Nonne beibringen. Zum Abschluss des Trainings stand sie da, mit ihrem Schwert in den Händen. Unten am Knauf eines Schwertes hängen so zwei Bommel, wie man sie auch schon mal an Fünfzigerjahreschlafzimmerschrankschlüsseln oder Vorhangschnüren finden konnte. Greift sich Guan Shifu die Troddeln, die jetzt natürlich aus synthetischen Fasern sind, nimmt einen der Fäden und streicht sich damit über die nach oben gebundenen Haare, wodurch die kürzeren, nachwachsenden auf Grund der elektrischen Ladung an den andern anhaften und seine Frisur ordentlicher aussieht. 
Konnte ich mir nicht verkneifen, still vor mich hin zu singen:

Du hast die Haare schön, du hast die Haare schön du hast du hast, du hast die Haare schön 
Lass dir mal die Haare schneiden,
den Friseur sollst du nicht meiden,
keine Birne ist ihm einerlei
Waschen,schneiden,legen,föhnen,
lass dich doch von ihm verwöhnen
und das neuste hörst du nebenbei

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