17.04.2010

Dritter Tag, abends

Das Nachmittagstraining war überraschend früh zu Ende. Noch nicht lange auf meinem Zimmer, ruft mich Coco an, warum ich nicht zu der Dao-Lesson komme. Ja, Darling, ich hab es nicht gewusst. Dann soll ich doch meinen Freunden Bescheid sagen und auch den Damen im Erdgeschoss und so schnell wie möglich kommen.

Das Territorium

Damit du dir ein Bild machen kannst, zumindest von den räumlichen Ausdehnungen, eine kurze Beschreibung. Die alte Akademie, jetzt fast überhaupt nicht mehr im Gebrauch, aber auch noch nicht abgerissen, um einem neuen Fünfsternehotel Platz zu machen, liegt kurz hinter einer Kurve rechts auf der Straße zum Nanyan. Direkt neben der Akademie steht das Tian Lu Hotel. Danach macht die Straße eine sehr scharfe, haarnadelige Linkskurve. Direkt in der Kurve, aber ebenfalls rechts, befindet sich eine Polizeistation, dahinter das Hotel, in dem ich jetzt wieder untergebracht bin. Mit dahinter meine ich auch dahinter, also von der Straße weg, quasi im Hinterhof. Der Kurve folgend kommt noch ein Restaurant, wenn man es weiß und eine Treppe, die zu einem weiteren Restaurant führt, bei dem man niemals auf die Idee käme, es könnte eines sein.
Danach kommt nur noch Berg, eine Kurve nach rechts und kurz danach , wenn die Straße schon wieder nach links abbiegt, geht es rechterhand zum Zixiaogong, dem Palast des Purpurnen Wolkenhimmels. Da wo die Straße nach links abgebogen ist, geht es links, also talwärts auf 195 Stufen abwärts zur neuen Akademie. 

Weiter 

Ich sag also den Leuten Bescheid und mach mich auf den Weg: die Hoteltreppen runter, an der Polizei und dem Restaurant vorbei, immer bergan, den Zixiaogong lass ich rechts liegen, geh noch ein paar Schritte weiter und dann die oben schon erwähnten 195  Stufen runter. Im Hof angekommen werde ich gleich nach oben geschickt in einen sagen wir mal Meditationsraum. Es gibt einen Altar, dicke und weniger dicke Sitzkissen sonstiges Zeugs, was weniger zur Medittion gebraucht wird, allerdings auch noch nie dabei gestört hat. Die sich mir darbietende Szene ist äußerst grotesk. Etwa 20 Studenten, Chinesen und Ausländer hocken auf dicken Kissen vor dem Altar und bestaunen einen chinesischen Mitstudenten, der tagsüber Fuzhen übt (eine Waffe aus einem Pferdeschweif), wie er etwas über eine Meditationshaltung erklärt. Seine Ausführungen werden von Coco übersetzt. Sie hateigentlich sehr gute Englischkenntnisse und einen umfangreichen Wortschatz. Aber sie hat große Probleme mit der Aussprache. Während sie redet scheint sie eine ziemlich heiße Pellkartoffel im Mund zu wälzen. Dadurch entstehen laufend Versprecher, die auch durch zwei- bis dreimalige Korrekturversuche nicht besser werden, den gesamten Text aber noch unverständlicher machen. So klingt 'energie' meist eher nach 'engine' und Qi, die Lebenskraft übersetzt sie mit 'natural gas', wobei es mehr nach 'national gas' klingt. 
Der Vortrag geht dann weiter mit einer Geschichte über den legendären Kaiser Huang Di, der auf der Suche nach Unsterblichkeit von einem Berg zum  anderen geschickt wird. Es tauchen ständig neue Personen und Orte in dieser Erzählung  auf, natürlich alle mit chinesischen Namen, die Coco, wenn sie mit Übersetzen dran ist, meist wieder vergessen hat und nachfragen muss. Das ganze erzeugt ein wunderbar einschläferndes Genuschel und Gemurmel, dem ich auch bald erliege. Bevor ich ganz wegtrete frage ich mich noch, was um alles in der Welt sich Elisabeth so eifrig notiert.




2 Kommentare:

  1. Diese Märchenerzähl-Runde erinnert mich doch schwer an die Vorträge des weisen Wang Taike...da bin ich auch immer nach kurzer Zeit entschnarcht...scheint wohl das Konzept zu sein.

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  2. Georg2:37 PM

    Na, andere Kulutren haben ein religiöses Oberhaupt, das während der eigenen Messe einschläft...

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