24.04.2015

Antrainieren

Drei Tage dauert die ruhelose Zeit, in der von morgens bis abends im Tempel gesungen, getrommelt und geflötet wird. Selbst wenn nur drei Menschen vor dem Seitentempel an der Zeremonie teilnehmen, werden Gesang und Musik über stadionreife Lautsprecher in den Hof übertragen. Unser erstes Training im Tempel wird darob vom Meister abgebrochen. Zu laut. Wir siedeln um in die neuen Anlagen, die in den letzten Jahren errichtet wurden. Das Refugium für verrentete Mönche und Nonnen, welches von außen eher bescheiden wirkt, bietet in seinem Inneren mehrere weiträumige Höfe, ideale Trainingsplätze, weitab vom touristischen Rummel.

Für Neulinge gebe ich einen kurze Überblick der historischen Entwicklung. Nachdem die von Mao Zi Dong angestiftete Kulturrevolution ihr Ende gefunden hatte, wurden im weiteren Verlauf der chinesischen Öffnung auch die ehemals verbotenen Religionen wieder belebt, die Klöster durften wieder Mönche und Nonnen aufnehmen. Einige der jungen Männer, die in den achtziger Jahren sich in Wudang meldeten, wurden hinausgeschickt ins Land, alte Meister aufzufinden und deren Kampfkünste wieder zu erlernen und zurückzubringen in die Berge. Mit Sicherheit sind nun einige Stile und Formen für immer verloren, andere Neuerungen aber wurden mit übernommen. Einer dieser jungen Mönche Zhong Yun Long, erhielt die Erlaubnis, eine Schule zu eröffnen, in der erstmalig für ein Jahr Wudang Gong Fu an Menschen unterrichtet wurde, ohne dass sie in ein Kloster eintreten mussten. Aus dieser Schule entstand Anfang des neuen Jahrtausends eine größere Akademie. Um 2005 wurde diese privatisiert. Der neue Eigentümer hatte wohl andere, kommerziellere Vorstellungen, als Zhong Yun Long, sodass dieser die Akademie verließ. Nach einer kurzen Phase unter seinem Schüler Yuan Xiugang übernahm sein Neffe Zhong Xue Yong die Leitung. Die Akademie hatte einen sehr guten Ruf und es waren ihre Mitglieder, die während der Expo in Shanghai chinesisches Gong Fu der Welt nahebringen durften. Die Qualität rief neue Investoren auf den Plan, die sich ein Geschäft versprachen, welches Zhong Xue Yong wohl nicht mitmachen wollte. Er verließ die Akademie und machte sich selbständig. Ende des historischen Überblicks.

Gleich von Anfang an machte Meister Zhong deutlich, was er unter einem guten und sauberen Training versteht. Wir wurden nicht lange geschont, sondern sofort ins volle Programm geworfen, welches immer noch sehr gemäßigt ist im Vergleich zu den jungen chinesischen Zöglingen. Unsere Gruppe teilt sich in Ba Duan Jin für Anfänger, Taijiquan für Mutigere, Wu Xing Qigong für Geübte und Xuan Wu Quan für die Kampfkünstler, wovon ich einer bin. Die Form habe ich schon einmal gelernt, aber die wirklich innere Arbeit habe ich nicht erfasst. Dafür bin ich jetzt hier.

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