07.04.2018

Es war schon in mir angelegt.

Vor einigen Jahren wurde ich vom Taijiquan Qigong Journal für ein geplantes Special über Pioniere des Taijiquan und Qigong in Deutschland gebeten, einige Fragen zu beantworten. Das habe ich gerne getan. Dann ist lange nichts passiert und vor etwa zwei Jahren hieß es dann, es würde jetzt erscheinen. Aber es ist noch immer nicht erschienen. Nun, hier sind die Fragen und meine Antworten. Sie gelten noch heute wie damals. 

Wie sind Sie dazu gekommen, Taijiquan/Qigong zu machen?

Schicksal oder Dao. Es bot sich eine Gelegenheit und nach dem ersten Heben und Senken der Arme war ich überzeugt. Es ging sehr schnell.

Bei wem haben Sie zuerst gelernt und wie prägend war diese Person?
Mein erster Lehrer war Schüler von Chee Soo, der den Lee-Stil verbreitet hat. Ich besuchte recht bald Chee Soo in London und organisierte 1978 ein einwöchiges Seminar mit ihm in Deutschland. Er hat mir damals schon alles Wichtige gesagt. Viel mehr weiß ich heute auch nicht.

Hatten Sie Vorerfahrungen in den Bereichen Kampfkunst, Meditation, Körpererfahrung?

Kampfkunst war mir als Pazifist zuwider und Körpererfahrung bestand aus Essen, Trinken, Sex und Duschen. Im Jahr davor hatte ich ein vierzehntägiges Meditationsseminar besucht, tibetischer Buddhismus. Das war alles.

Doch, eine Episode muss ich noch erwähnen. Anfang der siebziger Jahre hatte ich Freunde in Frankfurt besucht, die mich zu ihrem Yoga-Lehrer mitnahmen. Sie hatten Privatstunden. Er machte mit uns eine Übung, die mich sehr beeindruckte. Er zeigt uns, dass sich die rein gedanklichen Vorstellungen von Bildern oder Worten im Körper reflektieren. Und er zeigte uns, wie man sich das zunutze machen kann, wenn man sich entspannen will. Sehr gute Arbeit.

Wie hat sich Ihr weiterer Weg mit Qigong/Taijiquan entwickelt?
Ja, es hat sich entwickelt. Es war schon in mir angelegt, wie eine Pflanze in einem Samenkorn angelegt ist. So kann sich nur etwas entwickeln, was schon latent vorhanden ist. Es braucht Nahrung und Wärme, dann entwickelt es sich. Es muss alles zusammenpassen. Die Anlagen oder Veranlagungen und die späteren Zutaten. Wir nennen es Xian Tian und Hou Tian. Ersteres ist das, was man mitbringt ins Leben. Die einen würden es Karma, andere Vererbung nennen, aber es bedeutet noch viel mehr. Genauso ist Hou Tian auch nicht nur Sozialisation.

Also, ich bin davon überzeugt, dass der Weg des Taijiquan schon in mir angelegt war, auch wenn ich fast 30 Jahre leben musste, bis ich zum ersten Mal damit in Berührung kam. Dann begegnete ich den richtigen Menschen, die mir halfen, es auszuformen. Das war dann als nächster Giafu Feng. Er war sehr wichtig für mich, auch wenn er ein lausiges Taiji machte. Er sorgte dafür, dass ich das Wesentliche im Auge behielt, nicht auf irgendwelche Trips abfuhr.

Nach seinem Tod habe ich mit einigen sehr interessanten Menschen zusammengearbeitet. Peter Yang, Ma Jiangbao, Fei Yulian, Wu Maogui, Zhong Xuejong, um die Wichtigsten zu nennen.

Was üben und unterrichten Sie heute? Und warum gerade diesen Stil?

Wudang Sanfeng Pai. 2005 war ich zum ersten Mal in den Wudang Bergen und habe noch mal von vorne angefangen. Warum sollte ich etwas anderes machen als das, was ich für das Beste halte?

Hat sich Ihrer Erfahrung nach die Schülerschaft in ihrem Verhalten und mit ihren Erwartungen verändert?
Ach wo, Menschen sind Menschen. Natürlich verändert sich was, das ist das Leben, alles verändert sich. Warum sollen da die Taijiquan- und Qigong-Interessierten eine Ausnahme machen. Aber im Grunde ist es doch immer wieder das Gleiche. Frühling, Sommer, Herbst, Winter und Frühling.

Wie sehen Sie die Veränderungen in der Qigong/Taijiquan-Szene über die letzten Jahrzehnte?

Frühling, Sommer, Herbst, Winter und Frühling. Es sind mehr Menschen geworden, die sich dafür interessieren. Es sind mehr geworden, die es unterrichten wollen. Aber es gibt wenig gute Lehrer. Selbstkultivierung, und das ist es, was wir meiner Meinung nach mit Taijiquan und Qigong betreiben, macht man für sich, nicht für andere. Aber inzwischen hat sich ein Markt gebildet, und wo erst einmal ein Markt ist, sehen viele dort für sich auch eine Einkommensquelle. Ein Apfelbaum produziert keine Äpfel für den Supermarkt, er macht es, um sich fortzupflanzen. Damit das gelingen kann, muss er viele Äpfel hervorbringen. Die meisten davon geben tatsächlich Nahrung ab für andere Lebewesen. So ist das. Nur ganz selten wird aus einem Apfel ein neuer Baum.

Haben Sie den Eindruck, dass Qigong/Taijiquan in der Gesellschaft angekommen sind? Was spricht dafür, was dagegen?

Es ist etwas in der Gesellschaft angekommen, das sich Qigong beziehungsweise Taijiquan nennt. Etwas zwischen Wellness, Esoterik und Kampfkunst. Aber es wird immer ein paar Gestalten geben, die sich in Nischen, Höhlen oder auf fernen Bergen aufhalten und tatsächlich Taijiquan machen.

Was ist Ihrer Meinung nach wichtig für die weitere Entwicklung von Qigong und Taijiquan?

Dass wir wieder aus der Gesellschaft verschwinden.

Wie viel üben Sie zurzeit ungefähr für sich?

Das ist eine Frage, die man jemandem stellen kann, der vielleicht zehn Jahre dabei ist. Ich mache das seit über 40 Jahren, es ist mein Leben.

Was würden Sie heute sagen, was Ihnen Taijiquan und Qigong persönlich gebracht haben?
Ich saß einmal dabei, wie ein Schüler von mir Klavierunterricht bekam. Der Lehrer erklärte ihm, dass die Noten, die er da spiele, doch einen Lauf abgäben und dass ein Lauf immer wohin führt und er deshalb schon vom ersten Ton an wissen müsse, wohin das Ganze denn geht. Damals habe ich an Taiji gedacht. Heute beziehe ich es auf unser Leben. Da wissen wir auch vom ersten Ton an, wohin es führt, und zwischendurch ist Musik.

Gab es eine Situation in Ihrem Leben, wo die Kenntnis von Taijiquan/Qigong von besonderer Bedeutung war?
Einmal, ganz am Anfang, ich übte vielleicht ein Jahr, nicht länger, da gab es einen Streit mit Nachbarn, einer Rocker-WG. Die Jungs übten mit Nunchakus und hatten auch sonst keine Schlaghemmung. Nun stand ihr Anführer vor mir, geradezu mit Schaum vor dem Mund und sagte, wenn er nicht wüsste, dass ich dieses Taiji mache, dann würde er mich jetzt durch die Wand schlagen. Aber dass ich Taiji machte, das flößte ihm genug Respekt ein, um mir die Erfahrung, durch eine Wand geschlagen zu werden, zu ersparen.

Welche Übungen können Sie besonders im Alltag anwenden?
Innere Ruhe.
Hat sich Ihre Einstellung zum Taijiquan/Qigong im Laufe der Zeit verändert?

Das will ich wohl hoffen, sonst hätte ich ja nichts gelernt.

Können Sie sich vorstellen, noch mal was ganz anderes zu machen?

Ich habe zwischendurch mal etwas ganz anderes gemacht, nämlich Möbel verkauft. Von 1992 bis 2000. Noch mal würde ich das nicht machen.

Wen und was würden Sie auf die berühmte „einsame Insel“ mitnehmen?

Meine Freundin.

Welches Thema beschäftigt Sie im Rahmen von Taijiquan und Qigong zurzeit besonders?

Taijiquan und Qigong haben unendlich viele Aspekte. Ein Leben würde nicht ausreichen, alles zu studieren. Aber es muss etwas geben, das alles miteinander verbindet, das Zentrum, das Herz des Ganzen. Das interessiert mich. Wenn ich ganz still bin, überhaupt nicht darüber nachdenke, dann höre ich manchmal dieses Herz schlagen.

1 Kommentar:

  1. Danke für deinen backround und die klaren Worte über das Übel von Qi Gong und Taijiquan wie es heute im low level vermarktet wird. Ja richtig Selbstkultivierung ist der deal nicht der schnöde Mammon. Der darf zwar fließen sollte aber nicht der Mittelpunkt sein.

    AntwortenLöschen