22.05.2016

Das Ding mit dem Dao

Hallo Frau O. warte mal, ich bin noch nicht fertig.
Ich war mal katholisch, so richtig mit Messdiener, konnte die ganze alte Liturgie auf Latein. Mit 15 war damit Schluss und mit 17 bin ich ausgetreten. Basta. Ungefähr zwei Jahre später fiel mir das Dao De Jing in die Hände. Damals noch Tao Te King, bei Reclam. Ich fand das gut. Als ich vor einiger Zeit noch mal in dieser alten Ausgabe geblättert und gelesen hab, konnte ich nicht verstehen, was ich damals daran so gut fand. Vielleicht noch mal zwei Jahre später erzählte mir einer was von einem Freund, der einen taoistischen Tanz lerne, bei dem man ganz genau festgelegte Schritte und Bewegungen machen müsse. Das passte nun überhaupt nicht zu dem Bild, das ich mir von Tao sprich Dao nach der Lektüre des Laozi Textes gemacht hatte. Noch mal sagen wir mal zwei Jahre später erklärte mir in Amsterdam eine Frau auf LSD das Yi Jing (I Ging, und ich war auf LSD, nicht die Frau). Jetzt bekam dieses pananarchistische Dao richtig System.
Also Laozi sagt gleich zu Anfang, dass man Dao nicht erklären kann, man sich aber drauf einlassen sollte. Wer sich drauf einlässt, der hat De. Dao ist sozusagen der Lauf der Dinge und De wird meist mit Tugend übersetzt, kann aber auch Kraft heißen, zum Beispiel. Die richtige innere Einstellung, um nicht den Überblick zu verlieren.

 

 Laozi nennt man den Begründer des Daoismus, obwohl das nicht alles neu war, er hat es aber aufgeschrieben. Brecht hat darüber ein schönes Gedicht gemacht, was leider nicht ganz der historischen Wahrheit entspricht. Allerdings was ist das schon. Es gibt genug Gelehrte, die meinen, Laozi habe es nicht wirklich gegeben. Ändert nichts an der Lehre. Es gibt auch genug Gelehrte, die meinen das ganze Universum existiere nicht wirklich, sondern wäre vielleicht nur so eine Idee von mir. (Was auch stimmt, aber wenn wir uns darauf einlassen, brauchen wir nichts mehr weiter tun, dann wäre Schluss)
Die Daoisten haben ein sehr interessantes Konzept vom Kosmos und dem ganzen Dasein. Ich kann das wirklich nicht in wenigen Worten zusammenfassen, aber es kommt dem sehr nah, was moderne Physiker mitunter absondern. Wenn man sich an den Gedanken gewöhnt, dass das alles nicht wirklich so ist, wie es uns vorkommt, dann kann man in eine fürchterliche nihilistische Depression verfallen oder sich entspannt zurücklehnen und den Zirkus geniessen. Bis in zweite Jahrhundert unserer Zeitechnungwar das ganze eine prächtige philosophische Schule, in der viel diskutiert und interpretiert wurde. Dann kamen die Buddhisten nach China und ich denke, unter deren Einfluss wurde aus der Philosopjie eine Religion. Dann gab es mteinmal auch Tempel und Orden und Mönche, Nonnen, Liturgien, Gesänge, Weihrauch und Opfer, Gebete Verbeugungen, Prozessionen, alles was zu einer ordentlichen Religion gehört. Da haben sich die Chinesen das Geschäft nicht den Indern überlassen. Aber das muss man nicht mitmachen. Ich geniesse es als Folklore.
Jetzt kannst du noch fragen, warum ich mich dann mit diesem Tanz abquäle, bei dem jeder Schritt und jede Bewegung genauestens festgelegt ist und wieso eigentlich ausgerechnet Wudangshan. 
Kann ich dir auch beantworten, aber nicht mehr heute.

19.05.2016

Hier zu sein

Würde ich jetzt ein Mikrophon einschalten, dann wäre es ein postcast, oder? Einen Postcast hab ich noch nie gemacht. Es würde mich aber vor dauernden Tippfehlern bewahren. 
Frau A.O. aus ich weiß nicht wo fragt, was ich hier eigentlich mache. Weil sich das vielleicht auch einige andere fragen, beantworte ich es öffentlich. Ich hoffe, Frau A.O. aus Irgendwo hat Verständnis dafür. 
Nun mache ich hier nichts besonderes, die alltäglichen Dinge, die hier aus sehr viel körperlicher Übung bestehen.
Vor fast ziemlich genau vierzig Jahren ungefähr fing ich damit an Taijiquan zu lernen. Obwohl ich das zunächst widerwillig anging (Freundin wollte, ich nicht) fand ich eigentlich schon nach dem ersten Heben und Senken der Arme einen Gefallen daran und stellte mich anscheinend auch noch geschickt an. Machen wir es kurz, ich wurde völlig ohne Ambitionen zum Taijiquan und Qigong Lehrer. Weil Taijiquan zumindest der Legende nach in Wudangshan seinen Ursprung hat (und auch die chinesische Post unterstützt diese Legende), bestand ich 30 Jahre später darauf, eine Chinareise mit einem Besuch in Wudangshan zu verbinden. 
Ich dachte mir das so: Da ist ein Berg und da ist ein Tempel mit Mönchen und die haben den ganzen Tag nichts besseres zu tun als Taijiquan zu üben. Tasächlich ist das nicht EIN Berg, sondern eine Bergregion umd es gibt da auch nicht einen Tempel, sondern viele und die Mönche machen kaum was an Taijiquan. Das wurde zumindest in der Neuzeit (nach ca. 1985) ins Profane verlagert und wird derzeit in immer mehr aufblühenden Schulen unterrichtet. 
So! In diesem Universum landete ich vor 11 Jahren und seit 10 Jahren reise ich immer wieder freiwillig hier hin.
Gestern Abend hatten wir ein Essen. Ein neuer Gast, der in der Tourismusbranche wer ist, hatte eingeladen und da saß ich nun, mit unserem Shifu 师傅,dem hiesigen Polizeichef (ich mit dem Polizeichef!) und so weiter zusammen und haben gefachsimpelt und gesponnen, uns erinnert, daran, wie ich zum ersten oder zweiten Mal herkam und wie Zhong Shifu und ich gleich Freunde wurden. Ich bin nicht dazu gekommen, zu erklären, warum ich in Deutschland keinen Tempel errichten will. aber dass ich mich hier wie zu Hause fühle, selbst wenn ich dieses verdammte Chinesisch einfach nicht verstehe. (man spricht hier einen Dialekt, ähnlich dem Sächsischen). Als ich meinte, ich fühle mich wie in der Mitte der Mitte des Zentrums, da stimmten alle zu, weil ich ja hier in der Mitte der Mitte des Zentrums sei und auch, dass man das niemandem erklären könne, der noch nie hier gewesen ist. Meinte auch der Polizeichef. Und auch die Polizistin, die ich immer Ursula nenne, weil ich ihren Namen nicht weiß, die aber auf Ursula hört. 
 
Mit der Polizei sind wir dicke, weil die Schule in einem ehemaligen Hotel untergebracht ist, welches der Polizei gehört. Jetzt hier zu erklären, warum wir in diesem Polizeihotel sind, das wird zu kompliziert. Wir trainieren im Hof oder im Tempel, dem Zixiaogong, was Purpurwolkenpalast heißt. Wir führen kein ruhig beschauliches, meditatives Tempelleben. Vor allem das Training der Jugendlichen ist recht sportiv. Ich halte mich aus Altersgründen etwas zurück. Obwohl ich nun auf die siebzig zugehe, mangelt es mir an entsprechender Alterswürde, da hilft auch kein Bart. Allerdings lassen mich die schnelleren Kungfu-Formen aus der Puste geraten. 
Ansonsten lässt mir unser Trainingsalltag kaum die Zeit, einen solchen Bericht zu schreiben. 
Ich verbringe meine Tage mit den kleinen Dingen, damit, mein Zimmer sauber zu halten und meine Wäsche, immer mit der Hand, weil es keine Waschmasch mehr gibt, rechtzeitig zum Essen zu kommen, weil es sonst nicht mehr alles gibt und rechtzeitig zum Training, weil es sich so gehört. Meistens stehe ich morgens gegen halb sechs auf, gehe rauf in den Tempel, wo die Nonnen singen und ich mein Qigong mache. Danach gibts Frühstück, aufräumen, Training, Mittagessen und Pause, wie jetzt, die ich gerne nutze, Chinesisch zu lernen, worüber ich immer prima einschlafe. Dann wieder Training, Abendessen, Spaziergang, schlafen. Alle zehn Tage ist frei, meistens nutze ich es für einen Ausflug.
Das alles hat natürlich auch mit Dao zu tun, jenem geheimnisvollen Offenbaren.
 
ein jeder gibt seinem leben sinn
ich allein bin ohne verstand
anders als andere
ehre die nährend mutter 

Ich weiß nicht genau, warum ich hier bin. Weil es meistens morgens Nudelsuppe gibt? Oder weil mir hier noch die Hühner über den Weg laufen, wegen der Nonnen, wegen des Kongfu???
Wenn ich hier bin, bin ich glücklich. Mir reicht das. 

02.05.2016

Es ist nie altmodisch, das zu tun, was man am besten kann.*

Vor einem Jahr um diese Zeit, ungefähr, hielt ich es für eine gute Idee, den Daoismus der Wudang Tradition aufzuzeichnen. Eine Fortsetzung des etwas in Stocken geratene Projekt auf einem meiner Blogs.  In Deutschland weiß man recht wenig über die Geisteshaltung, die neben dem Konfuzianismus auf chinesischen Boden gewachsen ist. Da gibt es cirka 20 verschiedene Übersetzungen des Dao De Jing (Tao Te King) vielleicht zwei oder drei Bücher mit den Texten von Zhuangzi (Chuang Tse) und das Yi Jing (I Ging). Dazu noch einige Sekundärliteratur, Aboutism. Damit geben sich die Leut zufrieden, denken sich ihr Teil und gehen wieder zum Tagesgeschäft über. Aus dem Daoismus könnte man Berge von Bücher übersetzen. Deshalb hielt ich es auch für eine gute Idee, mich auf die Aspekte der Wudang Tradition zu beschränken. Das allein würde schon Arbeit für einige Jahre bedeuten. Nicht nur die Theorie, die Geschichte, die Medizin, natürlich auch die Kampfkünste, die verschiedenen Richtungen und Stile, Sanfeng, Xuanwu, Longmen ....

 

Zur Finanzierung hatte ich mir einige Alternativen durchgerechnet. Zunächst wollte ich in Ruhe das Feld sondieren, weshalb ich mir drei bis vier Monate Zeit der Recherche frei gehalten hatte. Ich ging es wie gesagt in Ruhe an. Und mir wurde klar, dass niemand hier in die Berge gegangen ist um die Berge kennen zu lernen. Die Einsiedler, jene frühen Daoisten und die ihnen folgenden Mönche, als auch die modernen Kampfkünstler aus aller Welt, sie alle wollten und wollen nicht die Berge kennen lernen, sondern sich selbst. Die Berge haben ihre Geschichte und ihre Geschichten. Die kann man sich anhören oder anlesen. Aber ist es von Bedeutung?. 
Sich selbst kennen lernen ist ein merkwürdiger Prozess. Als wollte man sein Spiegelbild aus dem Wasser schöpfen. Dauert, bis man den Schöpfer erkennt. 
Mit anderen Worten, das Projekt wurde hiermit vorgestellt und begraben. 
Kommt euch die Berge selbst ansehen. Sie sind es wert. 

*aus „Die Gräfin von Hongkong“

16.04.2016

Kaffee togo

In Mainz endet nun die Herz zu Herz Tour mit einem Seminar zum Yangsheng Taiji, einer wohl neueren Form, die ich auch erst letztes Jahr gelernt habe. Das Seminar ist gut besucht und der erste Tag startet viel versprechend. In der Mittagspause, nachdem ich einen kleinen Imbiss zu mir genommen habe, stehe ich so rum und weiß nicht so recht was mit mir anzufangen. Bis runter zum Rhein ist eigentlich zu weit für die verbleibende Zeit und in der Stadt gibt es keine wirklich verlockenden Ziele. Während ich so stehe und zu den gelegentlich die Stadt überfliegenden Flugzeugen aufschaue, wohl wissend, dass ich in wenigen Tagen auch in einer dieser Maschinen sitzen werde, um endlich wieder nach China zu reisen, kommt ein jüngeres Paar vorbei, die mir bekannt vorkommen, ohne zu wissen, woher. Diese grüßen auch, ich zurück und gehe ein paar Schritte weiter, immer noch unschlüssig, was ich mit den zwanzig Minuten anfangen soll. Da kommen die beiden zurück, sprechen mich an, ob sie mich nicht vor wenigen Wochen noch auf Teneriffa gesehen hätten, Taijiquan machend. So entwickelt sich ein kurzes Gespräch und sie versichern mir, im Januar, wenn sie wieder auf Teneriffa sind, dann wollen sie mitmachen. Die Welt sei klein, sagt man da wohl.



Die Welt steckt voller Überraschungen. Denn wer mich kennt, der weiß, dass ich gerne guten Kaffee trinke. Den gibt es aber in China, dem Land des hervorragenden Tees so gut wie nicht. Die letzten Jahre habe ich mich mit löslichem Pulver begnügen müssen, dem der Hersteller auch noch milchpulverähnliche Substanz und süßende Stoffe beigemischt hat. Dass das anders werden muss, habe ich für mich entschieden und im Internet nach einer Bialetti mit Stecker gesucht. Auch gefunden und bestellt, dann aber sehr knappe Lieferfristen zu meinem Abflugtermin bekommen. Zu knappe. Eigentlich überhaupt nicht passend. Storno. In der Stadt die einschlägigen Handelshäuser aufgesucht, große wie kleine, ohne glückliche Hand. Naja, da gab es schon was, nicht ganz die erste Wahl, aber ich hätte es genommen. Zunächst aber wollte ich sicher gehen, dass die Stornierung auch glatt gelaufen ist. Aber da finde ich nicht nur die Bestätigung in meinen Kommunikationsmedien, da kommt auch von Susanne, die ich über facebook kennen gelernt habe und die diesen Februar etwas unglückliches Wetter auf Teneriffa erwischt hat, also wobei wir dann mal persönlich, in echt, im richtigen Leben uns begegnet sind, von dieser Susanne kommt eine Mitteilung, sie habe da so eine Espressokanne mit Stecker - wie geil ist das denn.
Jetzt sitze ich hier, die Kanne ist schon angekommen, da hab ich die Leute getroffen aus Teneriffa und alles ist so rund, besser kann Leben doch nicht sein. Ich bin so dankbar, so unendlich dankbar. Auch für die Kanne, aber vor allem für das glückliche Dasein, welches ich erleben darf.