Am neunten Tag des neunten Monats nach dem Mondkalender feiert man in China das Fest der doppelten Neun. Es heißt auch Chong Yang Fest. Das bedeutet doppeltes Yang. In der Yin-und-Yang-Theorie werden den beiden polaren Kräften auch Zahlen zugeordnet. Gerade Zahlen sind Yin, ungerade Zahlen sind Yang. Am 9.9. kommen die beiden höchsten Yang-Zahlen zusammen. Daher der Name. Wenn das Yang am größten wird, wechselt es über in Yin.
Chong Yang ist ein bedeutendes Fest in China seit alters her. Als Fest der goldenen Zeit des Herbstes hat es Ähnlichkeit mit dem Erntedankfest. So gehen die Menschen hinaus und genießen die letzte Farbenfreude der Natur, ehe es in den Winter geht. Schon vor über 2000 Jahren in der westlichen Han-Dynastie zogen die Menschen vor die Tore der Hauptstadt Chan'an auf eine Plattform, um die Schönheit der Natur zu betrachten. Daraus hat sich der Brauch entwickelt, zum Chong Yang-Fest auf eine Anhöhe zu steigen.
Was aber machen die Menschen, die in der Ebene leben, weitab von allen Bergen und Erhebungen? Sie machen ein Picknick und essen einen besonderen Kuchen. Das chinesische Wort für Kuchen ist Gao 糕, aber gao 高 heißt auch "hoch" . So wird das Essen eines Kuchens zum Ersatz für das Ersteigen eines Bergs.
(aus Yürgen Oster „Der Zwölfteilige Brokat - und alles andere“ BoD 2014)
Man führt Chrysanthemen mit sich oder stellt sie im Haus auf um die Luft zu reinigen und vor Krankheit bedingenden Einflüssen zu schützen. Da 99 ein hohes Alter bedeutet, wurde im modernen China das Chong Yang Fest zum Tag der Senioren umgewidmet.
In Wudangshan ist der 9.9. das Fest von Zhen Wus Erleuchtung. Nachdem der Prinz 42 Jahre seiner Selbstkultivierung gewidmet hatte, aber sich selbst noch nicht aufgeben konnte, kam ihm eine Gottheit zur Hilfe. In Gestalt einer schönen jungen Frau versuchte sie, ihn zu verführen. Er aber stieß sie so heftig zurück, dass sie in den Abgrund stürzte. Erschrocken sprang er ihr hinterher, ohne an sich selbst zu denken. In diesem Moment erlangte er Erleuchtung. Fünf Drachen stiegen aus der Tiefe auf und trugen ihn auf den höchsten Gipfel der Wudang Berge. Dort wurde er vom Herrscher des Himmels erwartet und zu einem Unsterblichen erklärt. (Kurzversion der Geschichte)
Dieses Jahr fällt der 9.9. des chinesischen Mondkalenders auf den 28. Oktober. Dazu feiern wir in Berlin mit Taiji Quan aus der Wudang Tradition. Weitere Info hier
21.10.2017
16.10.2017
08.10.2017
Warum ich nicht mehr in Eile bin
Bei meinen Übungen, dem Seidenfaden Qigong zum Beispiel oder auch schon bei einfachen Dehnübungen, zähle ich. Früher habe ich auch beim Zhan Zhuang gezählt, meine Atemzüge. Inzwischen nehme ich den Timer meines Smartphones. Aber dennoch, ich zähle oft.
Vor allem wenn die Bewegungen recht langsam, bedächtig ausgeführt werden, rennt der Geist spätestens ab vier oder fünf voraus. Er ist dann im Hintergrund des aktiven Zählens schon bei acht oder neun bevor ich von vier nach fünf gezählt habe. Der Geist ist schnell. Ihm scheint die Realität zu langsam zu sein. Es gibt aus allen Kulturen kleine Geschichten, wo zum Beispiel die Grete zum Markt geht, mit einem Korb Eiern auf dem Kopf. Und sie denkt sich dabei, dass sie vom Erlös ein Huhn kaufen könnte, dann gebe es mehr Eier, später noch einen Hahn, dann hätte sie bald eine kleine Hühnerfarm, verdiene genug Geld und könne sich den schönsten Burschen aussuchen. Vor Freude hüpft sie hoch und der Korb fällt zu Boden. Selbst ohne den negativen Ausgang der Geschichte sehen wir, wie schnell der Geist ein Universum erschaffen kann.
Alle Ereignisse brauchen ihre Zeit und sie haben ihre Zeit. Im Taiji Quan lernen wir, die Bewegung entstehen zu lassen, ihr nicht im Weg zu sein und sie auch nicht durch eigenes Handeln überflüssig zu machen. Denn alles was wir tun, kann nicht von alleine passieren. Es braucht vielleicht ein wenig länger, aber es ist dann mühelos. Es nimmt seinen Weg, wie Wasser bergab fließt. Von selbst, natürlich, ohne Absicht, ohne Ziel, einfach seiner Natur folgend.
Ich habe davon gelernt, lebe ruhig, warte ab, eile nicht. Alles erscheint von selbst, vergeht von selbst, wie soll ich die Welt in die Hand nehmen und ihre Entwicklung beschleunigen können. Warum soll ich hetzen, wenn ich doch nicht früher ankommen kann, weil es kein Ankommen gibt.
Es ist noch nicht lange her, da habe ich geglaubt, mich im Vermitteln der Künste nun beeilen zu müssen. Ich werde nicht jünger und die mir zur Verfügung stehende Zeit wird weniger. Aber die Leute können nicht schneller lernen. Alles braucht seine Zeit und alles hat seine Zeit. In Eile bin ich innerlich stets der Gegenwart voraus, bin nicht hier, bin nicht jetzt. Es ist nur der Geist, der unruhige, der voraus eilt. Ich bin hier, glaube aber dem Geist. Es gibt einen schönen alten Text, das Xin Xin Ming, die Schrift vom Vertrauen in den Geist. Gilt als der erste Text im Zen. Es meint aber nicht den unruhigen Geist, den hin und her springenden, den zweifelnden, abwägenden, leugnenden Geist, sondern den tieferen, himmlischen, wissenden Geist, der dem kindischen zu Grunde liegt. Durch die Bindung an die Substanz jedoch verliert er die Orientierung. Zurückkehren zum Ursprung, zum eigentlichen Wesen schenkt Vertrauen. Was soll man fürchten, was verlangen?
Stell dir die beiden als Menschen vor. Der eine rennt geschäftig hin und her, voller Ideen, die er gleich wieder verwirft, durch neue ersetzt, aufbaut und einreisst, zögert, zweifelt, auf alles eine Antwort hat, die er gleich auch widerlegen kann.
Der andere sitzt derweil an seinem Platz, genießt den Augenblick, atmet ruhig und gleichmäßig, stellt keine Fragen und braucht keine Antworten. Er ist genügsam und einfach, braucht nichts und hat alles.
Wen würdest du um Rat fragen?
Statt also weiter dem Affen Zucker zu geben, sollten wir mit dem Weisen Tee trinken - und abwarten. Je ruhiger und langsamer ich werde, desto mehr Zeit habe ich. So wie ich meine materiellen Güter, die Erscheinungen, reduziert habe, so reduziere ich nun meine Aktivitäten, die Ereignisse. Dabei geschieht so viel, dass ich kaum noch mitkomme. Aber ich bin nicht mehr in Eile.
Vor allem wenn die Bewegungen recht langsam, bedächtig ausgeführt werden, rennt der Geist spätestens ab vier oder fünf voraus. Er ist dann im Hintergrund des aktiven Zählens schon bei acht oder neun bevor ich von vier nach fünf gezählt habe. Der Geist ist schnell. Ihm scheint die Realität zu langsam zu sein. Es gibt aus allen Kulturen kleine Geschichten, wo zum Beispiel die Grete zum Markt geht, mit einem Korb Eiern auf dem Kopf. Und sie denkt sich dabei, dass sie vom Erlös ein Huhn kaufen könnte, dann gebe es mehr Eier, später noch einen Hahn, dann hätte sie bald eine kleine Hühnerfarm, verdiene genug Geld und könne sich den schönsten Burschen aussuchen. Vor Freude hüpft sie hoch und der Korb fällt zu Boden. Selbst ohne den negativen Ausgang der Geschichte sehen wir, wie schnell der Geist ein Universum erschaffen kann.
Alle Ereignisse brauchen ihre Zeit und sie haben ihre Zeit. Im Taiji Quan lernen wir, die Bewegung entstehen zu lassen, ihr nicht im Weg zu sein und sie auch nicht durch eigenes Handeln überflüssig zu machen. Denn alles was wir tun, kann nicht von alleine passieren. Es braucht vielleicht ein wenig länger, aber es ist dann mühelos. Es nimmt seinen Weg, wie Wasser bergab fließt. Von selbst, natürlich, ohne Absicht, ohne Ziel, einfach seiner Natur folgend.
Ich habe davon gelernt, lebe ruhig, warte ab, eile nicht. Alles erscheint von selbst, vergeht von selbst, wie soll ich die Welt in die Hand nehmen und ihre Entwicklung beschleunigen können. Warum soll ich hetzen, wenn ich doch nicht früher ankommen kann, weil es kein Ankommen gibt.
Es ist noch nicht lange her, da habe ich geglaubt, mich im Vermitteln der Künste nun beeilen zu müssen. Ich werde nicht jünger und die mir zur Verfügung stehende Zeit wird weniger. Aber die Leute können nicht schneller lernen. Alles braucht seine Zeit und alles hat seine Zeit. In Eile bin ich innerlich stets der Gegenwart voraus, bin nicht hier, bin nicht jetzt. Es ist nur der Geist, der unruhige, der voraus eilt. Ich bin hier, glaube aber dem Geist. Es gibt einen schönen alten Text, das Xin Xin Ming, die Schrift vom Vertrauen in den Geist. Gilt als der erste Text im Zen. Es meint aber nicht den unruhigen Geist, den hin und her springenden, den zweifelnden, abwägenden, leugnenden Geist, sondern den tieferen, himmlischen, wissenden Geist, der dem kindischen zu Grunde liegt. Durch die Bindung an die Substanz jedoch verliert er die Orientierung. Zurückkehren zum Ursprung, zum eigentlichen Wesen schenkt Vertrauen. Was soll man fürchten, was verlangen?
Stell dir die beiden als Menschen vor. Der eine rennt geschäftig hin und her, voller Ideen, die er gleich wieder verwirft, durch neue ersetzt, aufbaut und einreisst, zögert, zweifelt, auf alles eine Antwort hat, die er gleich auch widerlegen kann.
Der andere sitzt derweil an seinem Platz, genießt den Augenblick, atmet ruhig und gleichmäßig, stellt keine Fragen und braucht keine Antworten. Er ist genügsam und einfach, braucht nichts und hat alles.
Wen würdest du um Rat fragen?
Statt also weiter dem Affen Zucker zu geben, sollten wir mit dem Weisen Tee trinken - und abwarten. Je ruhiger und langsamer ich werde, desto mehr Zeit habe ich. So wie ich meine materiellen Güter, die Erscheinungen, reduziert habe, so reduziere ich nun meine Aktivitäten, die Ereignisse. Dabei geschieht so viel, dass ich kaum noch mitkomme. Aber ich bin nicht mehr in Eile.
02.10.2017
Nature for your health
Urbanisierung hat viele Vorteile, aber es ist auch mit einer erhöhten psychischen Erkrankung, einschließlich Depressionen verbunden. Es wurde vorgeschlagen, dass eine verminderte Naturerfahrung dazu beitragen kann, die Verbindung zwischen Urbanisierung und Geisteskrankheit zu erklären. Dieser Vorschlag wird durch einen wachsenden Zahl von Korrelations- und Experimentalnachweisen unterstützt, der eine weitere Frage aufwirft: Welche Mechanismen verknüpfen die Naturerfahrung mit der Entwicklung der Geisteskrankheit? Ein solcher Mechanismus könnte der Einfluss der Naturbelastung auf die Rumination sein, ein maladaptives Muster des selbstreferentiellen Denkens, das mit einem erhöhten Risiko für Depressionen und andere psychische Erkrankungen verbunden ist. Wir zeigen an gesunden Teilnehmern, dass ein kurzes Naturerlebnis, ein 90-minütiger Spaziergang in einer natürlichen Umgebung, sowohl die selbst gemeldete Rumination als auch die neuronale Aktivität in der subgenitorischen präfrontalen Kortex (sgPFC) verringert, während ein 90-minütiger Spaziergang in einer städtischen Umgebung keine solchen Effekte auf selbst gemeldete rumination oder neuronale Aktivität hat. In anderen Studien wurde das sgPFC mit einem selbstfokussierten Verhaltensabzug verbunden, der mit der Rumination sowohl in depressiven als auch in gesunden Individuen verbunden war. Diese Studie zeigt einen Weg, durch den die Naturerfahrung das geistige Wohlbefinden verbessern kann und darauf hindeutet, dass zugängliche Naturgebiete innerhalb städtischer Kontexte eine wichtige Ressource für die psychische Gesundheit in unserer schnell urbanisierenden Welt sein können.
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