21.05.2010

facts and fiction

was geschah:
Gestern waren wir mit Guan Shifu, seiner Lebensgefährtin und seinem Freund zusammen bei Dr. Wang Taike. Er lebt in einem ebenfalls dem Wudangkomplex zugehörigen aber weit entfernten Tempel. Wir haben dort auch zu Mittag gegessen. In meiner Schale befand sich eine Chillischote, deren Genuß ich mir bis zum Ende verwahrt hatte. Etwa eine Stunde nach dem Essen bekaam ich die ersten Magenkrämpfe. Nichts schlimmes, aber ich machte den Fahler, es Lilo gegenüber zu erwähnen. Statt mich damit alleine fertig werden zu lassen, warf sie mich in den Rachen der chinesischen Medizin. Ob aus Neugier oder Boshaftigkeit kann ich nicht beurteilen. Es ging allerdings glimpflich ab. Dr. Wang fühlte meine Pulse, erklärte das Problem für ein temporäres und diktierte Medikamente. Die wurden besorgt und schon bei unserer Ankunft am Tor ging es mir deutlich besser. Dennoch habe ich heute Vormittag krank genommen, weil ich keine Lust hatte, durch den Regen zu gehen.

und wie man es darstellen könnte:
Gestern waren wir mit Guan Shifu, seiner Lebensgefährtin und seinem Freund, den er schon mal liebevoll ein missgebildetes Embrio nennt, zusammen bei Dr. Wang Taike. Am Vortag waren wir in dieser Bestzung schon gemeinsam in einem Restaurant, wo es ausgenommen leckeres, wenn auch scharfes Essen gab. Obwohl ich weiß, dass ich scharfe Speisen nicht vertrage, ritt es mich, den anderen zu beweisen, was ich für ein Kerl bin und zog mir mächtig die Plautze voll. Obwohl mir der Schweiß aus allen Poren spritzte, mein Blutdruck Achterbahn fuhr, Lippen und Gaumen brannten wie San Francisco nach dem Beben von 1906, stopfte ich mir weiterhin Shrimpbällchen und Fisch in mich rein, nach allen Seiten strahlend, als sei es die reinste Wonne.
Dagegen war das Essen im Kloster von Danjiankou angenehm fad. Deshalb verwahrte ich mir die Chillieschote in meiner Schale bis zum Schluß, um wieder einmal allen zu beweisen, was ich mir unter richtigem Essen so vorstelle.
Lag es an dieser letzten Schote oder war es die Hitze des Tages, jedenfalls machte sich nach einer Stunde mein Magen bemerkbar. Heftigste Krämpfe schüttelten mich, ja ich befürchtete, davon zrissen zu werden, ließ mir aber nichts anmerken. In einem unbedachten Augenblick entfuhr es mir und ich gab Lilo einen gelinden Hinweis auf meine Situation. Es lässt sich erahnen, wie heftig ich von den Schmerzen übermannt war, dass mir diese Worte entschlüpfen konnten. Bin ich doch sonst äußerst vorsichtig, was ich ihr gegenüber sage. Es kam wie es kommen musste. Gegen meinen erklärten Willen plauderte sie es prompt Chenchen gegenüber aus, natürlich geschickt als Lappalie getarnt. Was aber macht eine Frau aufmerksamer als eine beiläufige Bemerkung. Sofort wurde ich Dr. Wang zugeschoben und alle machten nun großes Aufheben um meine Situation. Nachdem der Doktor meinen Zustand als vorübergehend diagnostiziert hatte, wurde ich von zwei Frauen gestützt zu unserem Fahrzeug gebracht. Ich musste vorne, neben dem Fahrer Platz nehmen. Während langsam meine Magenwände sich selbst zersetzten, amüsierte sich die übrige Reisegesellschft nach jener Art, wie es bei solchen Ausflügen üblich ist. Wahrscheinlich hätte niemand bemerkt, wenn ich auf der Fahrt gestorben wäre. Wilde Fieberphantasien bemächtigten sich meiner, ich gedachte meiner Kinder und Kindeskinder, nahm innerlich Abschied und bedauerte, nun noch nicht einmal mehr eine Plattensammlung vererben zu können. Alles digitalisiert, substanzlos geworden, so wie auch ich bald substanzlos sein werde. Diese angebliche Korophäe chinesischer Medizin, dieser Dilletant und Kurpfuscher hatte nicht im geringsten die Schwere meiner Erkrankung erkannt und statt mich sofort auf die Intensivstation zu bringen schleppte man mich durch eine Drogerie, in der es das entscheidende Mittel zu meiner Heilung natürlich nicht gab. Man würde es mir später besorgen, wurde versprochen, wohl als Grabbeigabe. Stattdessen schluckte ich ein paar übelschmeckende Kräuterpillen, würgte sie in mich hinein, während die anderen zur Weiterfahrt drängten. Mehrfach währedn der Fahrt dachte ich daran, den Fahrer um einen Halt zu bitten, damit ich mich an den Straßenrand legen könnte, um während meines letzten Stündleins nicht auch noch durchgeschüttelt zu werden. Aber mein Hals war trocken, meine Glieder gelähmt. Auf die Frage des Meister:"You feel ok?" brachte ich ein stummes Nicken zustande. Was hätte ich auch sonst antworten können.

4 Kommentare:

  1. Bist ja bald wieder im flauschigen Mainz, mit Strom und heissem Wasser....

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  2. Anonym8:07 AM

    an Strom und heißem Wasser hatten wir bisher keinen Mangel.

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  3. ...sondern erst ab morgen. Für 3 Tage.

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