28.08.2014

Trainingskleidung aus Wudangshan im traditionellen Han Fu Stil


Im Oktober reise ich wieder mit einer kleinen Gruppe in die Wudangberge. Gerne nehme ich Bestellungen für Trainingskleidung entgegen. Sie ist angenehm zu tragen, leicht zu pflegen und sie zeigt Deinen Respekt gegenüber der Tradition.


Schon 2100 v.u.Z. begann die Han Fu-Tradition in China, wobei jede Dynastie den Kleidungsstil durch die vorherrschende Philosophie und Politik prägte. Mit dem Beginn der Qing-Dynastie im Jahr 1644 übernahmen die Mandschuren die Macht und verboten den Han-Chinesen bei Todesstrafe das Tragen von traditioneller Kleidung. Nur noch Mandschu-Kleidung war erlaubt. Die heutzutage als typisch chinesisch angesehenen Qipaos, die mit Stehkragen und Knebelknöpfchen die Welt eroberten, sind also ein modernes Relikt der mandschurischen Unterdrückung und durchaus nicht chinesisch. Genauso waren die Chinesen gezwungen worden, lange Zöpfe zu tragen. Mit dem Ende der Qing-Dynastie fielen dann die alten Zöpfe. Gleichzeitig orientierte man sich nach Westen und es musste noch die Kulturrevolution ausgestanden werden, bis die Besinnung auf eigene Traditionen einen Aufschwung erleben konnte.

Das Dao gibt die Inspiration ...


Was die alte chinesischen Kleidung so faszinierend macht, ist nicht nur ihre oberflächliche Schönheit. Diese kommt erst zum Tragen durch die vielen Bedeutungen, die ihr innewohnen.

Lao Zi formulierte als Erster den wesentlichen Grundgedanken der chinesischen Kultur, dass Himmel, Erde und Mensch eine Einheit bilden.

Das „Handbuch der Technik“ in den „Riten der Zhou-Dynastie - (ca. 1000 bis 249 v. u.Z. ) erklärt den Zusammenhang zwischen kosmischer Gesetzmäßigkeit und menschlichem Wirken wie folgt: „Der Himmel hat seine Zeit, die Erde hat Qi, jedes Material seine eigene Schönheit. Der Handwerker hat die Kunst. Wenn sich diese vier verbinden, können Dinge von hoher Qualität entstehen.“

 

 Deine zweite Haut


Das Gewand umhüllt den Körper großzügig und zeigt damit die Großzügigkeit und Gerechtigkeit seines Trägers. Durch die nach außen verbreiterten Ärmel wird dieser Effekt noch verstärkt. Die Kanten des Gewandes sind an Kragen und Ärmeln stets mit andersfarbigem Stoff abgesetzt.

Dass der Kragen überkreuzt getragen wird, indem die linke Vorderseite die rechte überlappt, hat folgende Bedeutung: Links ist mit Yang, dem nach außen gewandtem Prinzip assoziiert, Rechts ist Yin, die verinnerlichte Seite, deshalb wird sie von Yang bedeckt.

Der Mensch soll sich stets bewusst sein, ein Leben im großen Zusammenhang der Natur zu führen, in Harmonie mit den himmlischen Regeln und den Jahreszeiten.

Die Informationen über die Han Fu Kleidung habe ich auf der Webseite Ihr Wellness Magazin gefunden.


Für weitere Informationen über Farben, Maße und Bestellung bitte hier klicken.



Der Versand der Kleidung erfolgt direkt aus China.

26.08.2014

Berlin September


Schulen und Richtungen in Wudangshan Wushu und Dao



Der neu errichtete Yuxu Palast in der Stadt Laoying
Meist wird man dem Begriff Wudang Stil oder Wudang Pai begegnen. Wer dann glaubt, es sei dies eine Stilrichtung, die in sich geschlossen orientiert ist wie zum Beispiel ein Chen Taijiquan Stil oder der Yang Stil, wird bald darauf in völliger Verwirrung enden. Mit diesem Beitrag hoffe ich, etwas Ordnung in das scheinbare Durcheinander bringen zu können. Dabei erhebe ich nicht den Anspruch, alles richtig zu sagen, sondern gebe nur wieder, was ich bisher gelernt habe.

Zunächst möchte ich die beiden daoistischen Orden vorstellen, die in Wudangshan vorherrschend sind. Es sind dies Quangzhen Jiao und Zhengyi Jiao. Beide sind über ganz China verteilt und aus der Schule der Himmelsmeister hervorgegangen.

Quangzhen Jiao - Schule der vollkommenen Wahrheit wurde von Wang Chongyang im 13. Jahrhundert gegründet. Sie hat eine strengere Regelung des Lebens ihrer Mitglieder, sie essen kein Fleisch, nehmen keine berauschenden Getränke zu sich und leben zölibatär, während die Mitglieder der älteren Zhengyi Jiao ein mehr weltliches Leben führen, heiraten und Knder bekommen können. Damit weichen sie stark ab von der westlichen Vorstellung eines Ordens, es fällt uns schwer, die Mitglieder der Zhengyi Schule als Mönche und Nonnen zu begreifen.
Auch inhaltlich weichen die beiden Schulen voneinander ab. Der Quangzhen Orden kennt mannigfaltige Rituale in farbenfrohen Gewändern, das Rezitieren von „Sutras“ und Methoden der Inneren Alchemie. Zhengyi Daoisten können sich gleichwohl mit den Techniken der inneren Alchemie beschäftigen, sie sind aber auch sehr bewandert in der chinesischen Medizin, praktizieren Feng Shui (Geomantie) und waren in der Vergangenheit auch eng verbunden mit dem Schamanismus.

Innerhalb der beiden Schulen des Daoismus gibt es Linien oder Gruppierungen, die sich vorwiegend  in der Praxis ihrer Kampfkünste, des Qigong und der Meditationstechniken unterscheiden.


Alter Mönch der Quangzhen Jiao
Auch hier sind nicht eindeutige Zuordnungen vorzunehmen. In früheren Zeiten soll es bis zu 80 verschiedene Gruppierungen gegeben haben. Diese sind auch nicht alle unbedingt auf Wudangshan begrenzt. Die angeblich größte sei die Longmen Pai - Drachentor-Schule,
ungefähr 70 % aller auf Wudangshan lebenden Mönche gehören dieser Linie an. Die Longmen Pai nimmt für sich in Anspruch, dass der berühmte Zhang Sanfeng Mitglied dieser Schule gewesen sei. Immerhin war er ein Schüler des Huo Long Zhen Ren, der als Drachentor Daoist bekannt war. Innerhalb dieser Linie gibt es neben einigen sehr effektiven Inneren Kampfkünsten diverse Methoden des Qigong, Meditation und Massage.

Ein Zweig der Longmen Pai ist die Chunyang Pai, welche beinahe, wie viele andere Schulen, in den Wirren des letzten Jahrhunderts verschwunden wäre. Sie hatten ihren angestammten Platz im Wulong Gong, dem Palast der fünf Drachen, welches der älteste Tempel in Wudangshan ist. Er liegt abseits der neueren Pilgerstrecken, die im 15. Jahrhundert entstanden sind. Liu Li Hang, der letzte Großmeister der Chunyang Pai lehrte gegen alle Tradition nach außen, also nicht nur innerhalb des Klosters und rettete auf diese Art das Wissen für die Zukunft. Die Chunyang Schule hat einen berühmten Stil der offenen Hand und ebenso ist sie bekannt für ihre Schwertformen.

Eine der derzeit größten Richtungen repräsentiert die Sanfeng Pai. Auch wenn man es auf Grund des Namens glauben könnte, so leitet sie sich nicht direkt von Zhang Sanfeng* ab. Der Name Sanfeng bedeutet Drei Schätze und kann sich auf mancherlei beziehen. Da wären zunächst die drei Schätze der chinesischen Kultur, Daoismus, Konfuzianismus und Buddhismus, deren Philosophie zu vereinen eine der Bestrebungen von Zhang Sanfeng war. Aber auch Geist, Qi und Blut (oder Form) werden als drei Schätze verstanden, ebenso Himmel, Mensch und Erde. Mitunter findet man dennoch irrtümlich die Bezeichnung Zhang Sanfeng Pai, meist auf westlichen Webseiten und die Chinesen werden sich hüten, dieses Missverständnis zu korrigieren, verlöre doch sonst der andere sein Gesicht.
Oberhaupt der Sanfeng Pai ist der Abt Zhong Yun Long, der auch eine Schule unten am Eingang zum Gebirge führt. Viele seiner Schüler haben inzwischen eigene Schulen in den Bergen oder in der Stadt.

Vorführung einer Sanfeng Pai Schule im Purpurwolken Palast
Eine weitere Richtung mit großer Verbreitung ist die Xuanwu Pai, eine abgebrochene Traditionslinie, die vom ehemaligen Abt Wang Guangde wiederbelebt wurde. Als nach der Kulturrevolution wieder junge Menschen in die brachliegenden Klöster kamen, wurde You Xuande zum neuen Repräsentanten dieser Linie ernannt. Er lebt im sogenannten südlichen Wudang, einem kleinen Gebirge in der Nähe von Wuhan. Aber auch in Wudangshan gibt es nun Schulen seiner Schüler.

Songxi Pai blickt auch auf eine lange Tradition. Sie soll von Zhang Songxi, einem Schüler des Zhang Sanfeng gegründet worden sein. In ihr werden noch einige alte Formen des Gong Fu weitergegeben.

Einen sehr freien Kampfstil pflegt die Ziran Pai, auf natürliche Reflexe Wert legend sind die meisten Formen sehr schnell und beinhalten großes Kampfkunstwissen.

Der Autor mit seinem Lehrer Zhong Xueyong
Es gibt noch viele weitere Linien, kleinere und auch größere, je nach Popularität, die sich wandeln kann. Vor wenigen Jahren noch war Wudangshan nur wenigen Kampfkünstlern im Westen bekannt, Inzwischen erlebt es einen regelrechten Boom. Viele junge Menschen aus Europa, Amerika und Australien kommen für längere Zeit dort hin um sich in den Künsten auszubilden. Schulen sprießen aus dem Boden, einige leben nur kurz und verschwinden rasch, andere finden viel Zulauf. In diesem kurzen Beitrag konnte ich nur eine Übersicht bieten. Nikolaus Klinger hat sich die Mühe gemacht, die meisten Schulen auf einer Karte zu lokalisieren. Vielen Dank.
Sicher gibt es noch weitaus mehr zu lernen und zu erfahren über die Schulen und Stile in den Wudang Bergen. Für jede weitere Information bin ich dankbar.

*zur Rolle des Zhang Sanfeng als Begründer des Taijiquan gibt es hier einen umfangreichen Artikel

23.08.2014

Genau jetzt

in diesem Augenblick, prallen zwei Systeme aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Seit ca. 3000 Jahren entwickelt sich in der chinesischen Kultur ein weltanschaulicher Zweig, der Wert legt auf die Entwicklung des Selbst, sich auf die Natürlichkeit des So-Seins bezieht und sich von gesellschaftlichen Konventionen und Entwicklungen fern halten möchte. Die Rede ist vom Daoismus, sofern es überhaupt ein ismus ist.
Im vorletzten Kapitel der Ur-Schrift dieser Kultur, im Daodejing von Laozi, beschreibt der Autor seine Vorstellung vom idealen sozialen Zusammenhang:

ein kleines land mit wenig menschen
sollen sie zehn oder hundert einheiten haben aber nicht einsetzen


sollen die menschen stark sein

aber nicht weit ihrer heimat sterben
 

sie haben boote und wagen doch reisen sie nicht 
sie haben gerüstete krieger doch preisen sich nicht
sie kehren zurück zum knüpfen der schnüre 

und machen davon gebrauch
 

schmackhaft ihre speisen anmutig ihre kleidung 
ruhig ihre bleibe freudig ihre gebräuche
sie können ihre nachbarn sehen 

hunde bellen und hähne krähen hören 
doch bis sie im hohen alter sterben 
gibt es weder kommen noch gehen

Seit ca. 300 Jahren entwickelt sich ausgehend von der zentraleuropäischen Kultur eine Gesellschaftsordnung, die Wert legt auf das Streben nach materiellem Gewinn durch kontinuierlichen Wachstum. Die Beherrschung des Markts geschieht durch die Verdrängung von Konkurrenten einerseits und das Hervorbringen ständig neuer Ideen und Produkte andererseits. Die Rede ist vom Kapitalismus. Interessanterweise findet sich über den Kapitalismus mehr kritische Literatur als begründende, die es freilich auch gibt.

Als ein Teil der daoistischen Kultur finden seit ca. 40 Jahren im Westen, in den vom Kapitalismus beherrschten Ländern, die Gesundheitsübungen des Qigong und diverse Formen der Kampfkünste, vor allem das Taijiquan große Verbreitung. Obwohl diese Künste vorwiegend erlernt werden sollten, um für sich selbst eine innere Entwicklung in Gang zu setzen, haben sie sich zu einem Markt entwickelt, auf dem es inzwischen mehr darum geht, darin ausgebildet zu werden, wie man es vermittelt, statt wie man es ordentlich praktiziert. Um den Gesetzen des Marktes zu folgen, findet ein Verdrängungswettbewerb statt, in dem mit Attributen wie „traditionell“ „original“ „authentisch“ oder eben „neu“ „effektiv“ „leicht zu erlernen“ etc. versucht wird, sich von anderen Anbietern abzusetzen.

Es ist auch für jede Klientel etwas dabei, vom houchycouchytouchy feeling* bis zum harten, bewaffneten Straßenkampf wird alles geboten. Aber wie kann in dieser auf materiellen Gewinn orientierten Szene noch Daoismus überleben? Er kann es nicht. Er muss sich zurück ziehen, was ihm aber ein Leichtes ist, da es seiner Natur entspricht:

der wissende sucht nicht gewinn 
wer gewinn will ist nicht wissend
 

der weise sammelt nicht
 

indem er anderen hilft 
geht es ihm selbst besser 

indem er anderen gibt 
wird er selbst reicher

Laozi, letztes Kapitel





*Zitat Gia Fu Feng