05.10.2016

Be Yourself

Ein vermeintlich guter Rat

Er verbreitet sich in den sozialen Medien, mit hübschen Bildchen hinterlegt auf Facebook, in Schönschrift und mitunter dem Dalai Lama, Rumi oder Albert Einstein zugedichtet. Be Yourself, in dieser kurzen Version oder auch etwas ausgeschmückt, versuche nicht, ein anderer zu sein, als der, der du bist. Manchmal auch etwas veralbert, wie: Sei immer du selbst, es sei denn du bist ein Einhorn, dann sei ein Einhorn.

Das klingt alles auf den ersten Blick recht einleuchtend. Warum soll man auch jemand anderer sein, als jener, der man ist. Wie kann ein Mensch überhaupt jemand anderer sein. Offenbar kommt der Tipp aber gut an, er wiederholt sich nun schon seit geraumer Zeit, mal anders gewandet und immer mit viel Zuspruch. Aber nun mal Spaß beiseite, vergesst es. Lasst die Finger davon, greift nicht dahin, es ist die Festigung einer Illusion, ein alberner Trick des kollektiven Bewusstseins. Stimmst du zu, schnappt die Falle zu. Zack. Du bist du selbst, ohne zu wissen, wer du bist.

Wer oder was soll es denn sein, dieses oder dieser Selbst. Womit, mit welcher deiner inneren Institutionen identifizierst du dich in dem Augenblick, in dem du zustimmst, du selbst zu sein, es immer bleiben zu wollen? Und wer ist jener, der zustimmt? Was ist mit dem Körper? Die meisten Menschen, die ich darauf anspreche betrachten den Körper einerseits nur als ein Fahrzeug, in dem der/die eigentliche Selbst sitzt, andererseits als ein Mängelbauteil, an dem noch einiges zu ändern sei, um mit sich selbst zufrieden zu sein. Mit den Emotionen sich zu identifizieren ist Unsinn, dazu sind sie viel zu flüchtig. Die eigene Meinung beziehungsweise den Meinenden als Selbst ansehen? Noch nie die Meinung geändert? Nein nein, das kann es alles nicht sein. 

                

Wenn wir alles Erworbene ablegen können, die Verhaltensweisen, die unserer Kultur und dem sozialen Umfeld geschuldet sind, die Rollen, die wir spielen, die Masken, welche wir dabei aufsetzen, unsere ganzen Werte, Moralvorstellungen, alles, was wir noch nicht hatten, als wir zur Welt kamen, dann nähern wir uns dem Selbst. Zu sein wie neu geboren, das wird bei Laozi (dem Echten) des öfteren gelobt.

Kapitel 10 … das Qi sammeln, geschmeidig bleiben, wie neu geboren… 
Kapitel 20 …ich allein bleibe still, ohne ein Zeichen, wie neu geboren, ohne ein Lächeln, verwirrt verirrt im Nirgendwo 
Kapitel 55 Wer des Wandels Fülle in sich fühlt, ist wie neu geboren…

Zurückkehren zum Ursprung ist daoistisches Leitmotiv, das Ziel der Kultivierung. Natürlich zu sein, ohne Wünschen und Wollen, Ziran, ganz aus sich selbst heraus. Wenn du wirklich alles ablegen kannst, was du bisher für dein Selbst gehalten hast, was du glaubst, immer sein zu müssen - be yourself - dann wirst du leer. Wie ein Spiegel, in dem die Anderen sich erkennen. Wie ein Gefäß, das nach Belieben gefüllt werden kann. Du bist die Leere, du bist die Form. Die Füllung geht in dich ein und wieder aus, hat weder Dauer noch Bestand. Es ist wie die Luft, die du atmest, die Nahrung, die du aufnimmst. Was davon bist du?

Form macht die Leere nutzbar, Leere gibt der Form ihren Sinn. 
 Always be yourself, except you are empty, then be emptiness.

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