Ruhe ist nicht unbedingt das, was man in einer Mittelschule erwartet, erst recht nicht, wenn sie sich in einem problematischen Stadtteil befindet. Als dem Schulleiter einer „Fight School“ in San Francisco von der vorgesetzten Behörde angetragen wurde, mit drei weiteren Schulen an einem Meditationsprogramm teilzunehmen, hielt er das für 70er Jahre Hippiekram, der sowieso nicht funktioniert. Aber es funktionierte.
Zwei Mal am Tag eine Viertelstunde wird in den sechsten, siebten und achten Klassen meditiert. Seit vier Jahren. Und der Effekt ist messbar. Die Zahl der Suspendierungen vom Unterricht wegen Störung etc. ging um 70% bis 75% zurück, während die Aufmerksamkeit, die Teilnahme an schulischen Leistungen sich deutlich erhöhte. Die Schüler gaben auch an, sich ihres Verhaltens bewusster zu sein und ruhiger zu werden.
Schulleiter Kappenhagen weiß, dass er die Lebensbedingungen seiner Schüler außerhalb der Schule nicht ändern kann, aber er ist froh, für sie einen Weg gefunden zu haben, mit dem Stress, den Erfahrungen der Gewalt und den Traumatisierungen besser umgehen zu können.
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Wir wissen nicht, welche Art von Meditation angewendet wird in den Schulen von San Francisco. Ein Forschungsprojekt am Leipzigs Max-Planck-Institut unter der Leitung der Hirnforscherin Tania Singer fragt schon nicht mehr danach, ob Meditation einen Effekt hat, sondern welche Meditation welchen Effekt hat. An dem Projekt sind 17 Meditationslehrer und 160 Probanden in Leipzig und Berlin beteiligt. Die Teilnehmer haben neun Monate lang mindestens sechs Tage die Woche meditiert. Zugleich wurden sie von den Forschern körperlich und seelisch durchgecheckt: Wie hoch ist der Pegel des Stresshormons Cortisol im Speichel? Wie häufig kooperieren sie in speziell entwickelten Computerspielen? Wie glücklich sind sie? Und wie schnell rast ihnen das Herz in einer angsteinflößenden Situation? Außerdem wurde das Gehirn jedes Teilnehmers fünf Mal gescannt.
Das MPI-Projekt ist symptomatisch dafür, dass sich längst auch die seriöse Forschung für Meditation interessiert. Der Psychologe Richard Davidson von der University of Wisconsin-Madison
konnte schon 2007 demonstrieren, dass ein dreimonatiges Meditationstraining die Aufmerksamkeit schärft. Die Teilnehmer erkannten Zahlen, die auf einem Bildschirm zwischen zahlreichen Buchstaben versteckt sind, schneller als vor dem Training.
Noch im Dezember 2014
erschien eine Analyse der angesehenen Cochrane-Gruppe, die unter die Lupe nahm, ob sich Herzkrankheiten durch die sogenannte transzendentale Meditation verhindern lassen. Das Ergebnis der Analyse: Nur vier Studien mit insgesamt 430 Teilnehmern waren hochwertig genug, um überhaupt berücksichtigt zu werden. Ein Effekt ließ sich nicht feststellen. Andere Arten von Meditation wie etwa die Achtsamkeitsmeditation sind weitaus seriöser und da gibt es auch bessere Daten zu.
Ein großes Problem der Meditationsforschung ist, dass Wissenschaftler nicht überprüfen können, was in den Köpfen der Studienteilnehmer tatsächlich vor sich geht. Sie wissen nicht, ob die Probanden wirklich meditieren oder ob sie nur tagträumen - oder sogar schlafen.
Noch mehr Schwierigkeiten birgt die Kontrollgruppe. Singer hat sich in ihrer Studie deshalb gegen eine Kontrollgruppe entschieden: Beide Gruppen, die sie miteinander vergleicht, meditieren. Aber während die eine Gruppe drei Monate Achtsamkeitsmeditation praktiziert, lernt die andere, "ihr Herz zu öffnen und Mitgefühl zu entwickeln".
"Wir finden tatsächlich Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, und zwar ziemlich deutliche", sagt sie.
Allerdings braucht das alles seine Zeit. Manche Veränderungen des Körperssetzten erst nach sechs Monaten Training ein. "Das mag lang klingen, aber ich erwarte ja auch nicht, dass ich in einen Fitnessklub gehe und nach acht Wochen einen straffen Körper habe", sagt Singer.
Sara Lazar vom Massachusetts General Hospital in Boston berichtete, dass sich das Training sogar in der Morphologie des Gehirns niederschlägt. Der Hirnscanner zeigte, dass es den Mandelkern schrumpfen lässt, eine Struktur im Gehirn, die unter anderem an der Steuerung von Angst beteiligt ist. Zugleich hatte die graue Substanz in Bereichen des Gehirns zugenommen, die zum Beispiel mit Mitgefühl assoziiert sind.
"Das Gehirn ist in der Lage, sich zu verändern, und so wie wir eine neue Sportart lernen, können wir auch Fähigkeiten wie Aufmerksamkeit oder Mitgefühl trainieren", sagt Richard Davidson. "Das ist kein Voodoo."
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