03.07.2014

Ist das Fibromyalgie-Rätsel gelöst?

Die Fibromyalgie ist ein Rätsel. Erstmalig wurde nun eine konkrete Ursache der Schmerzen gefunden. VON BERND EBERHART


Menschen, die an Fibromyalgie leiden, sind schwer krank. Trotzdem kennen sie weder Ursache noch Therapien ihres Leidens. Sie haben keinen Ausschlag und auch kein Fieber. Dafür aber Schmerzen – jahrelang, pausenlos. In den Muskeln, den Sehnen oder im Kopf. Oft schlafen sie deswegen schlecht, sind abgeschlagen, haben Depressionen. Und dann werden sie als Kranke oft nicht einmal ernst genommen, denn es gibt keine Laborwerte oder Röntgenaufnahmen, in denen sich die Krankheit zeigt. Die Fibromyalgie ist einfach nicht zu fassen.
Das könnte sich ändern. Ärzte der Universität Würzburg haben zum ersten Mal körperliche Ursachen der Krankheit nachweisen können: Bei den Kranken sind wohl sehr feine Nervenfasern direkt unter der Hautoberfläche gestört. Aus dieser Erkenntnis folgt zwar keine wirksame Behandlung, und eine Heilung ist erst recht nicht absehbar. Aber es ist endlich ein nachprüfbarer Auslöser für die Schmerzen gefunden, an denen so viele Menschen leiden: Etwa ein Prozent der Bevölkerung ist betroffen.
Die meisten Fibromyalgie-Patienten haben eine wahre Ärzte-Odyssee hinter sich. Lange befassten sich Rheumatologen mit dem Leiden. Später suchte man die Ursache in der Psyche; traumatisierende Erlebnisse sollten das rätselhafte Leiden auslösen. Viele Patienten werden in psychosomatischen Kliniken behandelt.
Die Würzburger Forscher um die Neurologin Claudia Sommer untersuchten nun eine mögliche Ursache, die in Fachkreisen diskutiert wurde: eine Schädigung der feinen, peripheren Nervenfasern. Diese leiten Informationen von der Hautoberfläche weiter: über Temperatur, Berührungen – oder über Schmerzen.

Weniger Nervenfasern, aber mehr Schmerzen

Im Verlauf der Studie wurden zunächst 25 Versuchsteilnehmer, die seit Jahren an Fibromyalgie leiden, mit Kälte- und Wärmereizen traktiert. Überraschendes Ergebnis: Sie nahmen die Reize viel schwächer wahr als Probanden einer gesunden Kontrollgruppe. Elektrische Ableitungen der Nervenaktivität untermauerten dieses Ergebnis. Zuletzt analysierten die Mediziner Gewebeproben aus der Haut der Teilnehmer. Unter dem Mikroskop zeigte sich, dass die Anzahl der winzigen Nervenfasern bei Fibromyalgie-Patienten im Vergleich zu Gesunden deutlich niedriger ist.
Wenn es aber weniger Nervenfasern gibt, die zudem Reize auch noch schlechter weiterleiten – warum haben die Betroffenen mehr Schmerzen? "Dazu haben wir bisher nur Hypothesen", sagt Sommer. "Die kranken Nervenfasern sterben nicht sofort ab. Auf dem Weg von der gesunden zur toten Nervenfaser kann es aber sein, dass die kranke Faser überaktiv ist." Die Nerven spielen buchstäblich verrückt und generieren so den Schmerz, den die Patienten fühlen.
Vielleicht sterben auch nur bestimmte Nervenfasern ab, die man als "gute" bezeichnen und von "schlechten" Nerven unterscheiden könnte. Erstere würden durch angenehme Berührungen ausgelöste Signale weiterleiten. Möglicherweise sterben genau diese Fasern ab – und die "schlechten", die Schmerzreize leiten, blieben übrig. Genau lässt sich das noch nicht sagen. "Wir können die Fasertypen bisher noch nicht unter dem Mikroskop unterscheiden", erklärt Sommer.
Die Forscherin ist davon überzeugt, dass es weitere Ursachen gibt: "Wir haben einen Puzzlestein entdeckt." Nun müsse man große Patientengruppen untersuchen, um Erkenntnisse zu sammeln. Vielleicht kann das Mysterium der lange unbegreiflichen Fibromyalgie tatsächlich aufgeklärt werden.
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