30.09.2009

Wochenende

Nachmittags ging auf einmal das Kreisen wieder besser, viel besser. Mein Körper fühlte sich leicht an, jetzt erst wurde mir bewusst, wie schwer ich mich die letzten Tage gefühlt hatte.Da machte es auch wieder Freude, die Form zu laufen und Guan Shifu quittierte das auch mit einigen nötigen Korrekturen. Weiter gekommen bin ich noch nicht, aber ein Anfang ist gemacht. 
Es ist derzeit hier proppenvoll. Wir sind ca. 30 Gäste und auch von den festen Schülern schwirren hier mehr rum als im Frühjahr. Dabei sind die ganz Großen noch nicht einmal dabei, sind mit dem Oberchef Zhong in Hongkong zwecks Perfomance. Die obere Etage ist voll, einige Gäste leben auf dem dritten Stock und ich bin mit einigen anderen Neuzugängen im Police-Hotel. Wenn man sich hier die Gegend mal auf der Karte ansieht, da liegt direkt neben der Akademie das Tian Lu Hotel Dann kommt, schon in der Kurve die Polizeistation und hinter dieser ist noch ein Gebäude an die Felswand gequetscht, eben wegen seiner Lage das Police-Hotel genannt; gehört zur Akademie.

Geschlafen hab ich gut, aber nur viel zu kurz. Heute weiter gezöhkelt und noch ein paar Korrekturen. Weil Mittwoch ist, was hier als Samstag behandelt wird und der morgige Donnerstag als Sonntag (bitte nicht nach Erklärungen fragen, es ist so!!!!!) also weil heute Mittwoch ist, wurde zum Schluss des Vormittagstrainings vorgeführt. Zum Schluss durfte auch ich mein bagua zeigen und ich tat es ziemlich lustlos. Lilo2 hat es gefilmt und mir am Nachmittag gezeigt. Man sieht es, gut so. Guan hatte auch als Kommentar nur zu sagen, das ich nächste Woche dann den Schluss lerne. na bitte geht doch.
Am Nachmittag dann mit meiner Reisegruppe den Nanyan-Tempel besichtigt, noch mal die ganze Geschichte erzählt von Zhen Wu (googeln, Wikipedia, irgendwo steht's, wahrscheinlich von mir), auf dem Heimweg beim alten Zhang vorbei, dem auch in Deutschland inzwischen bekannten Bienen-Daoisten (Youtube). Er hat sich wieder diebisch gefreut, als Lilo2 die Bienen sehen wollte. Hat er zuerst  die linke Tür vom Schränkchen aufgemacht, dahinter steht sein Geschirr, dann die rechte, ganz vorsichtig. Der Stock ist ziemlich groß. Ja, hat er bestätigt. Letztes Jahr waren es noch nicht so viele. 
Bemerkung: Der Alte versteht mich, wenn ich mit ihm Chinesisch rede; auf Anhieb. Andere gucken mich an, wie ein Marsmännchen. Aber der Alte würd mich wahrscheinlich auch verstehen, wenn ich mit ihm Kölsch reden würde.
Das verstanden auch die vier Chinesen, die ich an der Bushaltestelle getroffen habe. Das erzähl ich morgen.
Yürgen Oster

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29.09.2009

nichts gelernt

Yürgen  29. Sept. 2009

Gestern Nachmittag sind wir runter ins Tal des sorglosen Lebens. Guan Shifu hatte angeboten, die Hälfte der Gruppe könne  mit dem Bus fahren, die andere Hälfte laufen. Naja, das sind nur ca. 8 Kilometer bergab, kein Problem, ich laufe. Natürlich sind wir nicht die Straße lang, sondern über die berühmten Ziegenpfade, an einem zerfallenen Tempel vorbei, durch einige Gehöfte und es ging auf diesem Pfad nicht nur bergab. Es ging rauf und runter, immer war der Boden mehr oder weniger glitschig und allmählich nährte sich bei mir der Verdacht, dass einige der Buben, also der festen Schüler, mitgenommen wurden, um die verletzten ausländischen Trampel heim zu schleppen. Oder zumindest aus dem Weg zu räumen. 
Es ging ohne Verletzte ab, wir kamen alle heil im Tal an, wo man diesen wunderschönen Übergang an dem kleinen Wasserfall inzwischen mit einer Eisenkette abgesichert hat. Wir hielten uns nicht lange an diesem schaurigen Anblick auf, zogen fröhlich ins Tal, wo wir uns an einem lauschigen Plätzchen zur Meditation niederließen. Oder so.
Schon als wir losmarschierten, meldeten sich bei mir leichte Kopfschmerzen, die sich im laufe des Laufes verstärkt hatten und auf der Rückfahrt richtig heftig wurden. Deswegen verordnete ich mir sofortige Nachtruhe mit Verzicht aufs Abendessen. Nun, die Nacht war mehr oder minder schlaflos, die Einzelheiten erspare ich dem geneigten Leser. 

Dann erklärte mir Meister Guan noch einmal sehr eindringlich, wie ich meinen Geist einige Millimeter zwischen die Fußsohle und den Boden schieben müsse, damit mir die Beschaffenheit des Untergrunds keine Probleme bereite. I. ch konnte ihm aber nur mit geteilter Aufmerksamkeit zuhören, weil eben jener Geist damit beschäftigt war, herauszufinden, wo wir uns eigentlich befanden und wie ich hier hin gekommen war. Der Meister sagte noch einiges, was ich garnicht hörte, dann lächelte er mich liebevoll an. Ein warmes, tiefes Lächeln, dass ganz aus seinem Inneren kam und ihn von dort her auch weich und gleichmäßig auflöste. Ihn und seinen Hintergrund, der für eine  Moment genau diese Zeilen wiedergab. Dann starrte ich in mein fast vollkommen dunkles Zimmer. Draußen krähten schon die ersten Hähne. Bald wurde es Zeit, endlich zur Morgenrezitation in den Tempel zu gehen.
Beim Frühstück beguckte mich der Meister gleich mit sorgenvollen Augen. Ich fühlte mich schon gar nicht mehr so schlimm, wie er aussah. Ich erhielt die Erlaubnis, jederzeit schlafen zu gehen. Davon wollte ich nichts wissen. Nein, heute wird durchgemacht, damit ich am Abend auch richtig müde bin. Gesagt getan, nach dem Frühstück noch kurz was hingelegt und nach dem Mittagessen von Lilo2 geweckt worden. Der Meister hatte mir ein Menu zusammengestellt, welches sie mir nun aufs Zimmer brachte. 
Das ist nun mein dritter Tag hier, ich hab noch nix Neues gelernt, eigentlich noch nicht mal Altes korrigiert bekommen. Anscheinend bin ich zur Kur hier, wusste nicht, dass ich eine brauche, hab mich bisher zuhause immer sehr wohl gefühlt, bin stets mit einem Lächeln im Gesicht aufgewacht. Aber hier ist ja auch nicht zuhause. Oder umgekehrt.




endlich wieder da ...

Yürgen 28.Sept. 2009

... und alles ist gut und glatt gegangen. Flug, Abholung am Flughafen, Zugfahrt nach Shiyan, Busfahrt nach Wudangshan und den Berg rauf zur Akademie. Ohne viel Begrüßungstrara einfach eingegliedert. war eben mal ein paar Tage weg.
Den ganzen Tag nur im Kreis gelaufen - Bagua - aber nur gelaufen, keine Form. Ich merke deutlich, dass ich eigentlich noch nicht hier angekommen bin. Mein Körper ist schon da, aber die Seele ist anscheinend noch unterwegs. 
Gerade das Abendessen geschafft, dann ins Bett, das heißt um 19:00 Uhr  und durchgeschlafen bis um heut morgen um acht. 

Training im Tempel. Meine Schuhe stoppen bei jedem Schritt. Ok. dem Unbeleckten sei erklärt: beim Bagua macht man lange Schritte, wobei der Fuß zuerst mit der vorderen Sohle aufgesetzt wird, dann schiebt man noch etwas weiter und kommt dann erst auch mit der Ferse auf. Der Steinboden im Tempel ist geriffelt, erschwerend trainiere ich heute auch noch auf dem alten Boden, dessen Oberfläche uneben und rauer ist, als die neuen Platten. Andauernd stoppe ich ab, dann drückt die Bewegung in den Oberschenkel, es ruckt durch den ganzen Körper. Um sich eine Vorstellung machen zu können, erinnere man sich an die erste Fahrschulstunde. Ich erkläre Meister Guan, dass ich auf mein Zimmer gehen werde um andere Schuhe anzuziehen. No. Everything is no problem. Anscheinend ist es aber ein problem, wenn ich den Tempel verlassen will. Thank you Shifu. Also stottere und stolpere ich weiter, verfluche den Lehrer, der ganze Vormittag ist vergeudete Zeit, so brauch ich eigentlich gar nicht weiter machen. Es nervt mich, es ödet mich an, ich bin echt mies drauf. Das geb ich Meister Guan auch deutlich zu spüren, als er sich dann mal Zeit für mich nimmt. No sagt er, es sind nicht  die Schuhe, auch nicht der Boden, das ist nur in meinem Geist. Ich soll mich doch mal entspannen und runterkommen, seine Schuhe seien auch neu, er habe kein Problem, dann muss man über dem Boden bleiben. Und er läuft ein paar Schritte, leicht und flüssig, anscheinend hat es nichts mit den Schuhen oder dem Boden zu tun. Ich laufe weiter im Kreis, versuche über dem Boden zu bleiben, meinen geist zu beruhigen, der anscheinend noch immer nicht hier angekommen ist.

27.09.2009

Das fängt ja gut an

Von Lilo noch mal erinnert worden, an die Karte für Meister Zhong zu denken; die Hochzeitsgratulationskarte, die ich unterschreiben sollte und im selben Sinne Ramona vorlegen. Völlig vergessen. Und wo ist das Ding. Alles durchsucht Rucksack, rausgeräumte Mappen, Schreibtischstapel, Papiercontainer, da der Papierkorb schon ausgeleert. Nix. Nochmal die gleiche Strecke, immer noch nix. Vorsichtig versucht, eine Mail an Lilo zu formulieren. Nein das muss ich schön persönlich, also telefonisch durchstehen. 
"Mh, ja, danke, dass du mich an die Karte erinnert hast. Hätte ich glatt vergessen. Mh, ja, also hab ich auch vergessen, Ramona vorzulegen."
"Weiß ich doch schon:"
"Ach, mh, ja, also ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, wo die Karte überhaupt ist."
"Du hast sie in eine grüne Umschlagtasche gesteckt."
"Eine grüne? Aha, das hilft ja schon weiter, allerdings hier ist keine grüne Mappe. Ich hab da eine transparente."
"Nein transparent war die nun überhaupt nicht."
"Was verstehst du eigentlich unter einer Umschlagtasche?"
"Auf diese Frage warte ich schon die ganze Zeit. Frauen würden das als Handtasche bezeichnen. Mir wäre sie zu klein."
Mir dämmert's. Lilo hatte mir den Umschlag nicht dienstags beim Training gegeben, sondern schon am Sonntag, als wir uns auf ein paar Runden Formenlaufen im Park getroffen hatten. Gott noch - Sonntag - ist doch schon ewig her. da hatte ich meine kleine grüne Umhängetasche mit. 
Umschlagtasche?! Noch nie gehört.
"Ja da ist er ja, ach Lilo, wenn ich dich nicht hätte..." Noch zwei Tuben Schleim ausgedrückt, dann fertig gepackt und ab zum Flughafen.

Wenig später, am Check-in:

"Guten Tag, So, was hätten Sie denn gerne von mir?"
"Guten Tag, am Besten erst mal den Reisepass."
"Ja, mh, den Reisepass, wo hab ich den  denn noch mal hin?"
Suche im Rucksack, alle Fächer und Taschen, einfach so da rein hab ich doch nicht. Ich hatte den Pass doch in der Hand.
"Wieviel Zeit hab ich denn noch? Bis Mainz und zurück mit der S-Bahn, könnte ich schaffen."
Clerk wiegt den Kopf: "Wird knapp."
"Wissen Sie, sowas wie den Pass steck ich an eine besondere Stelle, wo ich leicht drankomme." (Innere Erleuchtung) "Wie zum Beispiel in meine Seitentasche der Hose."
Danach war noch viel Zeit, ich hätte es geschafft mit der S-Bahn.


Yürgen Oster 25.09.2009

23.09.2009

In eigener Sache

Vom 25. September bis zum 16. Oktober bin ich wieder in Wudangshan. Dann wird hier, in der Goldgruben, erst einmal Ruhe sein. Dafür regnet es Berichte aus den Bergen, von unserem eintönigen Alltag der Kicks, des Kreisens, der Treppen und der Freunde.
Bis dann.

Xinxinming 5

In der grenzenlosen Leere
bleibt nur das Nichts
Grund genug, sich dafür zu entscheiden.



Zhuangzi sagt uns:"Hinter der grenzenlosen Leere gibt es nur die grenzenlose Leere." Da bleibt nichts mehr übrig von entweder oder, ja oder nein. Selbst Yin und Yang sind noch nicht entstanden. Das ist die wahre Natur des Geistes. Wenn es nichts mehr gibt, für das man sich entscheiden müsste, warum soll man sich nicht dafür entscheiden.


圆1 同2太虚3  无缺4无5馀6  良7由8 取舍9

1 圆 Yuan: Kreis, stichhaltig, glaubhaft machen
2 同  tòng:  mit
3 太虚  tàixū:  die große Leere: der Weltenraum (u.E.)

4 无缺  wúquē:  gesamt (u.E.)
5 无  wú:  Nichts (u.E.)
6 馀  yú:  Rest, ein Übriges, Restbestand [ siehe 余 yu2 ]; über, mehr als [ siehe 余 yu2 ]; übrig (geblieben), restlich, überflüssig, verbliebend, überschüssig [ siehe 余 yu2 ] (u.E.)

7 良  liáng:  gut, artig; Liang (u.E.)
8 由 you: Veranlassung, Grund,Ursache,
9 取舍  qǔshě:  akzeptieren oder ablehnen, seine Wahl treffen (u.E.)

22.09.2009

Kurz vor Los

In drei Tagen sitze ich wieder im Flieger Richtung Beijing, von dort mit dem Zug weiter nach Wudang. Warum fahre ich immer wieder dort hin? Verbringe sechs Wochen im Jahr auf diesem kleinen Flecken Erde. Da ist die Akademie und wenige hundert Meter die Ecke rum unser Haustempel Zixiaogong. Die meiste Zeit pendle ich auf dieser Strecke hin und her, mal geh ich zur Abwechslung den alten Zhang in seiner Höhle besuchen oder fahre an einem freien Tag ins Tal oder zum Tian Zhu. Besuche immer wieder die gleichen Plätze, hoffe immer wieder, ein paar neue zu entdecken.
Ich denke zurück an meinen letzten Tag dort, vor etwas mehr als vier Monaten. Der Manager hatte mich zu einem Gespräch eingeladen; wie mir die Entwicklung der Akademie gefalle? Was ich für Verbessungsvorschläge hätte?
Vor mir saß Kaa, die Schlange und spielte mit einem kleinen Gebetskettchen. Lächelte. Während wir wohlwollende Worte wechselten, waren wir uns schnell einig, uns nicht zu mögen - gegenseitig. Inzwischen habe ich von einigen Menschen sehr kritische Worte gehört. Es ist einfach, auf etwas Unvollkommenes mit den Fingern zu zeigen. Ich habe lieber die Hände frei und bin vor Ort aktiv, soweit es mir möglich ist. Auch in Wudangshan lässt sich vieles nur mit Geld verbessern.
Auch von dieser Reise werde ich regelmäßig berichten. Ich bin sehr gespannt, wie sich dieses kleine Fleckchen Erde mir dieses Mal präsentiert.
Bis bald.

17.09.2009

Xinxinming 4

Das Herz leidet
teilt das Geheimnis nicht
des Schülers Mühe der Gedanken Ruhe



Hat er es noch nicht gesagt? Nicht fassen dieses oder jenes. Lässt sich mit Mühe die Ruhe der Gedanken erreichen? Nein. Kann das leidende Herz, der Sitz des menschlichen Geistes, das Geheime erfassen? Nein. Das Herz muss frei sein von Wünschen und Wollen, der Geist muss sich aller Mühen entledigen. Nur so geht's.
Dennoch; ist nicht der tiefe Wunsch vorhanden, die Tiefe zu erreichen, ist nicht ständige Mühe, unablässige Übung vorhanden, um alle Barrieren zu überwinden, dann wird sich auch kein Erfolg einstellen. Ach wenn es doch einfacher wäre.
Richtet sich das Augenmerk auf den Schmerz, so sehen wir den Schmerz, richtet sich das Augenmerk auf das Leiden, so erleben wir das Leiden, richtet sich das Augenmerk auf die Stille, so erleben wir die Stille. Die Stille ist der Hintergrund des Leidens.


是1为2心病3  不4识5玄6旨7  徒8劳9念10静11

1 是  shì:  sein
2 为  wèi:  für, wegen, zu; fungieren als, verhalten als, auftreten als; sein, betragen; tun
3 心病  xīnbìng:  Herzenskummer

4 不 bu: nein, nicht
5 识 shi (zhì): aufnehmen, erfassen, Wissen
    vertiefte Inschrift: sich erinnern
6 玄 xuán schwarz, geheimnisvoll, mysteriös,
7 旨  zhǐ:  behaupten, beabsichtigen; Ziel, zum Ziel haben

8 徒  tú:  Anhänger; Azubi : Auszubildender, Auszubildende, Lehrling, Schüler, Schülerin; Gefolgsmann;
9 劳  láo:  Arbeit, Mühe; arbeiten, sich abmühen; Lao
10 念  niàn:  Gedanke; an jdn. / etw. denken; laut lesen, vorlesen; lernen, studieren, eine Schule besuchen
11 静  jìng:  still, ruhig

16.09.2009

Zatoichi - Der blinde Samurai


3sat, Freitag, 18. September, 22.25 Uhr

Ein blinder Masseur kommt in ein kleines japanisches Bergdorf. Die Mitglieder einer gnadenlos herrschenden Bande erfahren schmerzhaft, dass der unscheinbare Mann ein meisterhafter Schwertkämpfer ist. Er und zwei mysteriöse Geishas beschreiten blutige Wege, die sich schon bald kreuzen werden. - Meisterregisseur Takeshi Kitano präsentiert die Legende eines der legendärsten Schwertkämpfer Japans.
Trailer

10.09.2009

Xinxinming 1. Zwischenkommentar


Himmel und Erde sind die große Verkörperung von Yang und Yin. Der Himmel ist außen, die Erde ist innen. Das Qi des Himmels senkt sich herab, das Qi der Erde steigt auf. Der Himmel umfängt uns, die Menschen, die Erde trägt uns.
Wie sich Himmel und Erde in der Natur durchdringen, sehen wir in der chinesischen Malerei, wenn die Berge aufsteigen und die Wolken sich senken. Erde und Himmel durchdringen sich. Auch in der Natur gibt es Zeiten, in denen Himmel und Erde sich verbinden, und Zeiten, in denen sie sich voneinander entfernen. Wenn sie zusammenkommen, dann ist es Sommer. Alles ist prächtig und fruchtbar. Im Winter zieht sich das Qi von Himmel und Erde zurück. Dann wird es kalt. Die Bäume sind kahl, die Felder stehen leer. Im Kleinen vollzieht sich dieser Wechsel zwischen Tag und Nacht. Darum heißt es:"Der kleine Tageskreislauf".
In uns Menschen durchdringen sich ebenfalls Himmel und Erde, Yang und Yin. Die Yin-Energie steigt innen auf, die Yang-Energie sinkt außen hinab. Die Yin-Energie gibt den Körper, die Yang-Energie gibt den Geist. Die Gefühlsregungen halten die beiden für einen Widerspruch
Darum heißt es, nicht hassen und nicht lieben, nicht ablehnen und nicht verlangen. In der Stille der Meditation gibt es nichts Trennendes mehr. Wo Form und Leere widerspruchsfrei sich vereinen, zum Beispiel in den Künsten. können wir in stiller Betrachtung Freude empfinden.

Xinxinming 3

im Gegenwärtigen
bleiben keine Gegensätze
scheiden Widersprüche aus



Durchdringen sich Himmel und Erde, vereinen sich Yin und Yang, dann lösen sich auch die Gegensätze von Vergangenheit und Zukunft auf, dann bleibt nur das Hier und Jetzt. Der eine, fortwährende Augenblick der Gegenwart. Wo soll da noch Raum sein für Opposition. Von einem festen Standpunkt aus lassen sich die vier Himmelsrichtungen bestimmen, gibt es ein Oben und ein Unten. Im grenzenlosen Universum ist alles oben und alles unten, ist alles hinten und alles vorne. Wenn es da nicht noch ein schallendes Gelächter gibt.

欲1得2现3前4  莫5存6顺7逆8  违9顺 10相争11 

1 欲 yu: Verlangen, wünschen Hunger
2 得  dé:  werden
3 现  xiàn: Gegenwart, jetzt
4 前 qián:  vorne, früher, damals, Gesicht,

5莫  mò:  keiner; niemand; dort ist nichts; nicht;
6存  cún: existieren, lagern, bevorraten, überleben
7顺 shun folgen, bevorzugen, arrangieren, angemessen,
8逆  nì:  gegensätzlich, rückwärts, opponieren, entgegen, betrügen rebellieren

9违  wéi:  missachten, nicht gehorchen; trennen, ausscheiden; verletzen, vergewaltigen; Gesetz verletzen; zuwiderhandeln, verstoßen (gegen das Gesetz, die Regel, die Norm) (u.E.)
10 顺 shun folgen, bevorzugen, arrangieren, angemessen,
11相争  xiāngzhēng:  Widerspruch, Wettbewerb

06.09.2009

Xinxinming 2

ein tiefes Loch sogar erhellend -
doch um des Haares Breite verfehlt
treiben Himmel und Erde weit auseinander



Ist das die Erleuchtung, die Sengcan meint, die ihr Licht selbst in eine dunkle Höhle wirft, wenn wir denn Abstand nehmen von Lieben und Hassen, von den inneren Widersprüchen, die uns spalten? Verfehlen wir es auch nur um Haaresbreite, ja selbst den tausendsten Teil eines Haares, so genau nimmt er es, dann ist es nichts mit dem Licht und es gähnt Finsternis, so riesig und weit wie Himmel und Erde voneinander entfernt sind. Es reißt regelrecht Himmel und Erde auseinander, Yin und Yang entfernen sich. Das ist kalter Winter.
Wenn sich aber Yang, der Himmel, das Lichte, und Yin, die Erde, die Dunkelheit durchdringen, dann herscht innerer Frieden. Das Zeichen Tai im Buch der Wandlungen zeigt unten den Himmel und oben die Erde, dann hat das Licht eine Höhle durchdrungen. Das Trigramm Erde besteht aus drei unterbrochenen Linien, der Zwischenraum bildet ein Loch. Im Zeichen Pi stehen die Trigramme umgekehrt. Der Himmel ist oben und die Erde unten. Da mögen wir denken, das sei in Ordnung, dann sei alles an seinem richtigen Platz, aber wir verstehen die Tendenzen nicht. Denn die Bewegung des Himmels geht nach oben und die der Erde nach unten. So treiben sie auseinander. Sie wirken nicht mehr aufeinander und die Enegie gerät ins Stocken.


洞1然2明白3  毫4釐5有6差7  天地8悬9隔10

1 洞  dòng: Höhle, Loch
2 然  rán:  richtig, korrekt, wie dieses, so,
3明白  míngbai:  klar, deutlich, verstehen; verstehen, begreifen
4 毫  háo:  Haarwuchs, Haar; Tausendstel; Milli
5 釐  lí:  ein Hundertstel
6 有  yǒu:  existieren; haben; es gibt
7差  chà:  fehlen, ermangeln; nicht gleichen, nicht übereinstimmen, sich mit etwas nicht decken, mit etwas nicht identisch sein; falsch, irrig; schlecht, ungenügend, unbefriedigend; fehlend, geringer als, kurz vor
8 天地  tiāndì:  Arbeitsfeld, Aufgabenbereich; Himmel und Erde, Welt
9悬 xuán: hängen, ungelöst, ergebnislos
10 隔  gé:  abstellen, abschneiden, aufteilen, spalten, trennen, ausscheiden

03.09.2009

Xinxinming 1

Dao erreichen ist nicht schwer,
nur nicht fassen nach jenem oder diesem,
nur nicht hassen oder lieben.


Gleich zu Anfang spuckt es uns Meister Sengcan direkt ins Gesicht: es ist ganz einfach! Hör einfach auf zu unterscheiden, hör einfach auf, zu lieben oder zu hassen, etwas anzunehmen, etwas abzulehnen.
Versteht ihr das, ihr Plappermäuler, streitsüchtigen Besserwisser da draußen, die ihr so gelehrt von einem erleuchteten Geist faselt. Ihr haltet ihn schon in Händen oder zwischen den Ohren, nehmt ihn in euer Herz auf und habt Vertrauen.
Da lob ich mir die kleinen Geister, die sich nicht darum scheren und den Tag nehmen, wie er kommt.
Es könnt auch heißen, "auf dem Weg das Nichts zu erreichen sei schwierig". Aber das ist gleich. So zu diskutieren, würde bedeuten, wieder zu unterscheiden und in den Unterscheidungen auszuwählen. Ob er nun dieses oder jenes meint, sollte uns gleichgültig sein.
Er hat ja gerade erst angefangen. Schauen wir mal, wie es weiter geht.

至1道2无3难4  唯5嫌6拣7择8  但9莫10憎11爱12 

1 至 zhi: ankommen, erreichen, meist, bis,
2 道  dào: Richtung, Weg Pfad, Prinzip, Wahrheit, Methode, sprechen, sagen,
3 无  wú:  Nichts
4 难  nán:  schwer, schwierig; Nan
5 唯  wéi:  -ismus; allein, einzig, nur
6 嫌  xián:  ablehnen, nicht mögen; etwas ausmachen, stören; misstrauen, es für möglich halten
7 拣  jiǎn:  auswählen
8 择  zé:  auswählen
9 但  dàn:  aber, doch dennoch; nur, bloß
10 莫  mò:  keiner; niemand; nichts; nicht; Mo
11 憎  zēng:  hassen
12 爱  ài:  Liebe; lieben; gern: etwas gerne tun, etwas gerne haben; gern, mit Vorliebe; jemanden oder etwas behutsam und pfleglich behandeln, für jn sorgen, jn/etw. sorgfältig hüten, auf etw. fürsorglich bedacht sein; leicht, schnell (passieren)