05.06.2009

Lilos 5. Tag - Schluss mit Lustig

Nachdem die letzten Tage ja mehr oder weniger Urlaubscharakter hatten, geht es nun endgültig los: Guan nimmt mich noch mal ins Gebet, erklärt mir den geplanten Trainingsverlauf, ich nicke artig und denke mir im Stillen, dass man mir schon zu gegebener Zeit sagen wird, was ich zu tun habe. Mir wird offiziell Li Shifu vorgestellt, der mich einweisen soll, Guan wird das Werk dann abnehmen. Gut. Ich habe zwei Mitstreiter, Koulai, der mit uns zusammen angekommen ist und Xiaolong. Es handelt sich zunächst einmal um Basis-Übungen, die wir zur Vorbereitung lernen sollen, 基本拳 - Jiben Quan (Basis-Faust). Also nehmen wir erst einmal gemütlich im Reitersitz Mabu platz. Leider ist das nicht ganz so bequem, wie es vielleicht klingt: Die Beine werden bei dieser Stelle weit überschulterbreit auseinandergesetzt und dann geht es tief in die Hocke. Aus dieser Grundstellung heraus üben wir erst einmal Fauststöße. Zum Warmwerden bei gefühlten 40° im Schatten (wenn es denn welchen gäbe…) erstmal 50 Stück. Immer wieder wird unsere Haltung korrigiert, der Leiter der Akademie, Meister Zhong lässt es sich auch nicht nehmen, an uns herumzubiegen, während wir regungslos in Mabu mit gestreckter Faust verharren. Dann dürfen wir zu Abwechslung in Gongbu, also in eine Schrittstellung, gleiten. Alles knapp über dem Boden. Zwischendurch aufrichten gilt nicht. Koulai kriegt dafür gleich einen Anpfiff, ich höre ihn leise, dann immer lauter stöhnen. Das motiviert mich natürlich, ich kann nämlich noch einigermaßen. Die vor dem Trainingslager absolvierten Übungsrunden haben sich doch gelohnt. Der Übungsteil des Morgens endet mit einer verdrehten Stellung auf einem Bein, in der wir bei jeder der etwa hundert Widerholungen eine abgezählte Minute stehen müssen. Ich vernehme neben mir leises Weinen. Weichei. In der Pause fragt mich Koulai bewundernd, ob ich Yoga übe. Frechheit! Taiji heißen diese merkwürdigen Übungen. Sollte er vielleicht auch mal versuchen!

Ich war mit mir etwas uneins, ob ich meinen jetzigen Aufenthalt nutzen soll, etwas neues zu lernen oder lieber die vier Formen, die ich schon gelernt habe, korrigieren zu lassen. Ich habe mich dann doch für etwas neues entschieden und denke, es war genau die richtige Entscheidung. Nicht nur, dass es einfach mehr Spaß macht, nach den langsamen Formen endlich mal was flottes zu üben - die schnellen Bewegungen putzen einfach ungemein! Ich stelle aber auch fest, dass Guan mein Trainingsprogramm sehr klug gewählt hat: ich arbeite genau an meinen Lieblings-Baustellen - den tiefen Ständen, den Impulsen aus der Körpermitte heraus und Haltung-Haltung-Haltung. Ich bin hoch motiviert und als Meister Zhong mich mittags fragt, ob ich nun erschöpft sei, lüge ich noch nicht einmal, als ich ihm im Brustton der Überzeugung antworte: “Müde? Überhaupt nicht! Wann geht’s endlich weiter?” Er strahlt und ich hoffe, dass mich meine Energie so schnell nicht verlässt. Besonders nicht, wenn meine beiden Mitstreiter in der Nähe sind…

2 Kommentare:

  1. Ach, da werden liebe alte Erinnerungen wieder wach... Nur dass Stefanie und ich diese Übungen mitten in Shanghai im Renmin Gongyuan gemacht haben, während unter den neugierigen Blicken von internationalem Publikums Wujie unsere Arme und Beine übel traktierte... Weiter so, Warrior Woman!

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  2. Anonym9:28 AM

    Trainierst du auch mit den schicken Steinen deine tiefen Stände? - weiter so!!!
    Stefania

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